Süddeutsche Zeitung

Fusion der Ultrarechten:Asyl für die DVU

Neuordnung am rechten Rand: DVU und NPD fusionieren. Mit Nazi-Nostalgie kann die neue Rechte kaum mehr jemanden mobilisieren, in Sachen Islamfeindlichkeit jedoch vom politischen Klima im Land profitieren.

Jan Bielicki

Sie haben die Leipziger Völkerschlacht beschworen, Bismarcks Reichsgründung und die deutsche Wiedervereinigung. Drunter machen es die Propagandisten der rechtsextremen Szene nicht, wenn sie in Internetfilmchen für die Fusion ihrer Parteiorganisationen werben. Zum Jahreswechsel werden sich die Rechtsaußenparteien NPD und DVU zusammenschließen.

Ein historisches Ereignis jedoch ist das nicht einmal für die zersplitterte Extremistenszene. Und doch könnten sich die Kräfteverhältnisse am rechten Rand des politischen Spektrums bald einschneidend ändern - nicht weil die NPD einen Konkurrenten im Kampf um die Stimmen der Verdrossenen schluckt, sondern weil neue, rechtspopulistische Kräfte auf den Markt drängen.

Die Selbstauflösung der DVU, die ein paar Dutzend Mitglieder am Sonntag in einer umgebauten Dorfscheune beschlossen, war ja längst im Gange. Nie mehr als der politische Privatbesitz ihres Gründers, des rechtsextremen Verlegers Gerhard Frey aus München, gelangte dessen "Deutsche Volksunion" zwar seit den neunziger Jahren zwischenzeitlich in vier Landesparlamente.

Freys Millionen, die er in die Wahlkämpfe steckte, machten es möglich. Überall jedoch flogen seine oft schon bald zerstrittenen Abgeordneten nach ein, zwei Wahlperioden wieder aus den Landtagen. Und seit der alternde Frey das Interesse an seiner Kreation verlor und sich 2009 zurückzog, liefen auch die Mitglieder auseinander. 4500 zählte der Verfassungsschutz damals noch, Tendenz rapide abwärts.

Das politische Klima im Land ist gefährlich

Viele neue Anhänger werden aus diesem kläglichen Haufen also kaum zu den derzeit etwa 6800 Mitgliedern der NPD stoßen. Auch an materieller Mitgift, die den von Finanzskandalen geschwächten Nationaldemokraten zupass käme, bringen sie nichts mit. Wenn es Umfragen dennoch möglich erscheinen lassen, dass die NPD 2011 etwa in den Magdeburger Landtag vorstoßen könnte, führen auch Verfassungsschützer das nicht auf die Fusion zurück.

Gefährlich macht die angeschlagenen Rechtsaußen allein das Klima im Land. Denn Rechtsextremisten haben immer dann profitieren können, wenn die Debatte um Zuwanderer besonders schrill wurde - ob es in den neunziger Jahren um das Grundrecht auf Asyl ging oder heute um den Islam.

Wähler, die ihre Ängste und ihren Ärger auf Muslime und andere Einwanderer fokussieren, gibt es genug. Mehr als eine Million Menschen haben Thilo Sarrazins Bestseller gekauft. Die allerwenigsten von ihnen werden je für Extremisten stimmen, schon gar nicht für die mit gewaltbereiten Kameradschaften verbandelten Neonazis der NPD.

Aber der Holländer Geert Wilders hat gezeigt, wie erfolgreich eine populistische Rechte Wählerzorn bündeln kann - und wenn es am rechten Rand wirklich zu einer Neuorientierung kommen sollte, dann kommt der Anstoß dazu aus dieser Richtung.

Führungspersonen und Parteiapparate fehlen

Wilders' deutsche Anhänger, die der ehemals christdemokratische Berliner Abgeordnete René Stadtkewitz unter dem Namen "Die Freiheit" formiert, können sich bereits auf eine Internetgemeinde stützen, in der 60.000 Besucher tagtäglich einen islamfeindlichen Blog anklicken. Sie mögen aggressive Eiferer sein, als verfassungsfeindliche Extremisten lassen sie sich nicht so einfach brandmarken.

Mit dem Antisemitismus und der Nazi-Nostalgie der NPD haben diese neuen Rechten nichts zu tun. Was ihnen noch fehlt, sind Führungspersonen, deren Charisma über den Kiez von Berlin-Pankow hinausstrahlt - und Parteiapparate, die eine diffuse Anhängerschaft zusammenhalten können.

Hier liegt immer noch die gefährliche Stärke der NPD. Sie besitzt die Strukturen, die es braucht, um Ressentiments dauerhaft in Wählerstimmen zu verwandeln: Landtagsabgeordnete, Stadt- und Gemeinderäte, deren Büros und deren Geld. Besonders in ihren ostdeutschen Hochburgen ist die NPD weiterhin bedrohlich präsent.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.1035877
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 24.11.2010/mob
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.