Fukushima-Katastrophe:Gericht spricht Manager frei

Laut Urteil musste der Betreiber Tepco das Atomkraftwerk nicht gegen einen Tsunami solchen Ausmaßes schützen.

Von Thomas Hahn, Tokio

Der japanische Energieversorger Tepco ist nicht für die Atomkatastrophe von Fukushima verantwortlich zu machen. Das entschied das Landgericht in Tokio am Donnerstag, achteinhalb Jahre nach der dreifachen Kernschmelze im Kernkraftwerk Fukushima Daiichi infolge eines Erdbebens mit anschließendem Tsunami. Angeklagt waren drei frühere Spitzenmanager von Tepco. Der Vorwurf lautete, sie hätten das Unglück verhindern können, wenn sie gut genug informiert gewesen wären und notwendige Gegenmaßnahmen ergriffen hätten.

Der Prozess gegen den früheren Tepco-Vorstand Tsunehisa Katsumata, 79, sowie die früheren Vizepräsidenten Ichiro Takekuro, 73, und Sakae Muto, 69, hatte 2017 begonnen. Eine Bürgerinitiative hatte ihn erwirkt, nachdem die Staatsanwaltschaft in den Jahren davor zwei Mal beschlossen hatte, die Tepco-Chefs nicht anzuklagen. Die Anwälte der Anklage hatten Haftstrafen von fünf Jahren gefordert.

Das Gericht befasste sich vor allem mit der Frage, ob die Tepco-Chefs den Tsunami hätten voraussehen können, der mit bis zu 15,7 Metern Höhe zur Katastrophe führte. Die Umweltorganisation Greenpeace sagt, sie hätten alle nötigen Informationen gehabt. Aus finanziellen Gründen habe Tepco auf die Prognosen nicht reagiert. Die Verteidigung bestritt diese Darstellung, das Gericht gab ihr recht. "Es wäre unmöglich, ein Atomkraftwerk zu betreiben, wenn die Betreiber verpflichtet wären, jedes erdenkliche Tsunami-Risiko vorherzusehen und Gegenmaßnahmen zu ergreifen", sagte der Vorsitzende Richter Kanichi Nagafuchi in seiner Urteilsbegründung.

Kläger und Umweltschützer reagierten mit Tränen und Wut. Viele von ihnen waren vor dem Gerichtsgebäude versammelt. "Ich hätte nie gedacht, dass ich Ihnen von so einem Ergebnis berichten muss", sagte eine Frau, die wegen der Katastrophe nach Kyoto umsiedeln musste, "ich möchte weiter alles tun, was wir tun können. Für die Wahrheit in diesem Land." Ein Mann rief: "Was macht das Gericht überhaupt? Habt ihr keine menschliche Moral?"

Greenpeace warf dem Gericht vor, über Tatsachen hinweggegangen zu sein. "Ein Schuldspruch wäre nicht nur für Tepco ein verheerender Schlag gewesen, sondern auch für die Regierung von Premierminister Shinzō Abe und die japanische Atomindustrie", sagte Shaun Burnie, Atomkraftexperte von Greenpeace, deshalb sei das Urteil "vielleicht keine Überraschung".

Tepco erklärte nach dem Urteil: "Noch einmal entbieten wir unsere aufrichtigsten Entschuldigungen für die Probleme und Sorgen, die wir vielen Menschen bereiten, inklusive denen in der Präfektur Fukushima." Die Nuklearkatastrophe von Fukushima gilt als einer der schwersten Unfälle seiner Art und bewog damals die deutsche Regierung, aus der Atomenergie auszusteigen. Am 11. März 2011 hatte ein schweres Erdbeben mit nachfolgendem Tsunami das Kühlsystem außer Betrieb gesetzt und so die Kernschmelze in drei Reaktoren verursacht.

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