Führungsdebatte im deutsch-russischen Gesprächsforum:Petersburger Disput

Edmund Stoiber trifft Wladimir Putin in Moskau

So war es 2007: Edmund Stoiber (links) als bayerischer Ministerpräsident im Gespräch mit Wladimir Putin (Zweiter von links). Bayerns Wirtschaftsminister Erwin Huber (Zweiter von rechts) und der Vorsitzende der CSU-Landesgruppe im Deutschen Bundestag, Peter Ramsauer (rechts), hören zu.

(Foto: dpa)
  • Der Petersburger Dialog wurde von Wladimir Putin und Gerhard Schröder 2001 als deutsch-russisches Gesprächsforum gegründet. Seine Zukunft ist wegen der Ukraine-Krise unsicher.
  • Konservative und Grüne fordern Reformen, auch weil russische Hardliner in der Gesprächsrunde deutschen Vertretern gegenüber sitzen, die vor zu kritischen Tönen warnen.
  • Außenminister Steinmeier will den feinen Gesprächsfaden zu Moskau nicht reißen lassen. Er reagierte deshalb barsch auf die Kritik.
  • Weil die bisherigen Leiter des Dialogs als kaum noch tragbar gelten, werden zwei Namen gehandelt. Darunter der einstige bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber.

Von Stefan Braun, Berlin

Vor wenigen Tagen trafen sich Angela Merkel und Frank-Walter Steinmeier in kleiner Runde. Es ging um die Krise in der Ukraine, aber anders als sonst nicht nur um die Frage, wer wann mit Moskau redet. Diesmal sprachen Kanzlerin und Außenminister auch über den Petersburger Dialog. Genauer gesagt über die total vertrackte Situation, in der sich das deutsch-russische Gesprächsforum befindet.

Seit Wochen tobt hinter den Kulissen ein Kampf, was aus der 2001 unter Gerhard Schröder und Wladimir Putin gegründeten Veranstaltung werden soll. Offiziell geschaffen ,,zur Verständigung zwischen den Gesellschaften Deutschlands und Russlands'' ist er zu einer Gesprächsrunde geschrumpft, in der nach Meinung der Kritiker die russische Seite knallhart die eigene Linie vertritt, während der deutsche Teil dominiert wird von Leuten, die offene Kontroversen mit Putins Russland meiden.

Lothar de Maizière als Koordinator und Matthias Platzeck als prominentes Mitglied warnen immer vehementer vor zu kritischen Tönen gegenüber Moskau. Andere, darunter Bundestagsabgeordnete und Nichtregierungsorganisationen, äußern immer schärfer Kritik an einem zu zaghaften Umgang mit Russland. Merkel ist als Kanzlerin Co-Schirmherrin des Dialogs. Und Steinmeiers Auswärtiges Amt unterstützt den Dialog jährlich mit 100 000 Euro.

Feine Risse zeigen sich

Doch während das Kanzleramt seit Längerem im Stillen versucht, die Strukturen des Dialogs zu verändern, mahnt Steinmeier bislang nur, man dürfe einen der wenigen Gesprächsfäden nicht auch noch riskieren. Feine Risse zeigen sich da, obwohl beide sehr bemüht sind, gegenüber Moskau keine Risse zuzulassen.

Aufgewühlt wurde alles, als der konservative Christdemokrat Andreas Schockenhoff und die grüne Bundestagsabgeordnete Marieluise Beck, beide Mitglieder im Lenkungsausschuss des Petersburger Dialogs, gemeinsam Reformen gefordert haben. Das gefiel Steinmeier gar nicht. Anders lässt sich kaum erklären, mit welcher Schärfe er Beck zuletzt in der Haushaltsdebatte attackierte. Gegen sein Naturell warf er der Grünen harsch vor, sie gehöre zu denen, die den Dialog ,,in den Mülleimer der Geschichte werfen'' wollten.

Allein: Das möchte die Grüne gar nicht. Sie will mehr Nichtregierungsorganisationen integrieren, um so auch den russischen NGOs mehr Legitimität zu verschaffen. Das lässt sich kaum als Generalangriff werten. Zumal Beck nicht zu den Hardlinern in der Politik zählt. Sie gehörte nie zu denen, die mit billigen Attacken punkten möchten.

Was sie aber getan hat: Sie hat sich seit Jahren mit Russland und der Menschenrechtslage beschäftigt. So hat sie den Prozess gegen Michail Chodorkowskij auch dann im Gerichtssaal verfolgt, als sich sonst niemand mehr dafür interessierte. Und sie reist seit Ausbruch der Krise in die Ukraine. Nicht nur nach Kiew, sondern auch in den Südosten, weil sie wissen will, wie die Menschen dort fühlen und denken. Ihre Kritik an der Kritiklosigkeit des Dialogs hat deshalb eine andere Glaubwürdigkeit als die der üblichen Berliner Nörgler.

Hinzu kommt, dass sie viel mit sich reden lässt, aber an einer Stelle strikt ist: dass Wladimir Putin den Konflikt lostrat. Nur: Ist das ein Grund, sie so zu attackieren? Sieht das die Bundesregierung, sieht das Steinmeier etwa anders? Womöglich stört ihn vor allem, dass sich mit Beck und Schockenhoff ein ungewöhnliches Bündnis zusammenfindet, das noch ergänzt wird durch die Grünen-nahe Böll-Stiftung und die CDU-nahe Konrad-Adenauer-Stiftung. Auch sie halten in der Frage zusammen. In einem Jahr, in dem Steinmeier als Außenminister überall punktet, verbünden sich Schwarze und Grüne bei der Frage, wie man mit Moskau umgehen sollte. Das will Steinmeier so nicht stehen lassen.

De Maizière und Platzeck gelten als nicht mehr tragbar

Dabei klingen die Forderungen der beiden nicht garstig. Sie plädieren für ,,eine stärkere Beteiligung zivilgesellschaftlicher Akteure'', sie fordern ,,Raum für die kritische Auseinandersetzung mit der russischen Politik" und ein Ende der organisatorischen Verzahnung zwischen Petersburger Dialog und dem sehr russlandfreundlichen Deutsch-Russischen Forum. Dieses ist seinerseits eng mit dem Ostausschuss der deutschen Wirtschaft verbunden.

Putin empfängt Stoiber

Putin (links) mit Edmund Stoiber, 2007.

(Foto: dpa)

Neu sind solche Forderungen nicht, viele denken so in Berlin. Merkels außenpolitischer Berater Christoph Heusgen hat schon vor Jahren versucht, de Maizière zu Änderungen am Petersburger Dialog zu bewegen. Und der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses, Norbert Röttgen, klingt auch nicht anders wenn er sagt, um seinen Erhalt in schweren Zeiten zu sichern, müsse der Dialog ,,grundlegend erneuert werden''. Dazu zähle die Trennung vom Deutsch-Russischen Forum und ein ,,personeller Neuanfang in der Leitung''.

Geschlossene Gesellschaft

Verwundern kann das nicht. Der Petersburger Dialog und das Deutsch-Russische Forum teilen sich nicht nur ein Sekretariat, viele Mitglieder des Forums gehören auch dem Dialog an. Diese Kombination aus Russland-freundlichen Politikern und großer Nähe zur Wirtschaft macht nach Ansicht der Kritiker eine Reform von innen fast unmöglich. Auch der FDP-Europa-Politiker Alexander Graf Lambsdorff, Mitglied im Petersburger Dialog, sieht das kritisch. Emotionale Bindungen und wirtschaftliche Interessen seien verständlich. ,,Nicht in Ordnung ist aber, und das ist hier das Problem, wenn aus emotionalen oder geschäftlichen Gründen jegliche Kritik an der Politik des Kreml unterbunden wird'', sagt Lambsdorff.

Zudem sind die Strukturen des Petersburger Dialogs fragwürdig. Er hat 25 Mitglieder, die Mitgliederversammlung entsendet 25 Personen in den Lenkungsausschuss. Das heißt: alle Mitglieder sitzen auch im Lenkungsausschuss. Und der wiederum entscheidet über die Mitglieder. Eine geschlossene Gesellschaft.

Was Stoiber auch für Steinmeier attraktiv machen könnte

Der Konflikt um den Petersburger Dialog steht inzwischen stellvertretend für den großen Streit, der sich grundsätzlich an Russland entzündet: Wie soll Deutschland mit ihm heute umgehen? Damit kämpft auch Klaus Wehmeier. Er ist Vize-Vorsitzender der Körber-Stiftung. Die eng mit dem Auswärtigen Amt kooperierende Stiftung war aus Enttäuschung über eine immer härtere Linie des Kreml schon 2012 aus dem Petersburger Dialog ausgestiegen. In der jetzigen Lage, so Wehmeier, müsse man ,,abwägen zwischen der Notwendigkeit, auch einen Dialog wie diesen am Leben zu erhalten - und der Gefahr, dass man die eigenen Ansprüche an die Freiheiten einer Zivilgesellschaft verleugnet''. Aus seiner Sicht habe der Dialog das verloren, ,,was eigentlich entscheidend für einen Erfolg wäre: dass die zivilgesellschaftlichen Akteure frei von Bevormundung miteinander sprechen und hinterher über Ergebnisse berichten''.

Die Lage ist also verzwickt. Längst werden Brandbriefe hin und her geschickt. Und die Bundesregierung kann nicht einfach durchgreifen. Sonst täte sie genau das, was alle Putin vorwerfen: von oben herab zu intervenieren. Doch Merkel und Steinmeier haben verstanden, dass sie es nicht mehr laufen lassen dürfen. Nach SZ-Informationen soll nun Anfang des neuen Jahres unter der Regie des Kanzleramts mit allen Beteiligten und Kritikern über Auswege diskutiert werden.

Dabei könnte es recht bald auch darum gehen, wer den Petersburger Dialog künftig führen könnte. De Maizière und Platzeck gelten selbst in der Regierung als kaum noch tragbar. Zwei Namen werden gehandelt. Der eine ist Ruprecht Polenz. Der Christdemokrat führte lange den Auswärtigen Ausschuss. Er gilt als Kritiker Moskaus und nicht unbedingt als Freund Merkels. Der andere ist Edmund Stoiber. Der CSU-Ehrenvorsitzende hat sich bislang aus der Debatte rausgehalten, gilt als integer und ist nicht verdächtig, Moskaus Aggression zu verharmlosen. Gleichzeitig, und das könnte ihn auch für Steinmeier attraktiv machen, pflegte er als Ministerpräsident zu Putin sehr gute Kontakte.

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