"Frühjahrsoffensive" von Islamisten in Afghanistan:Taliban greifen Botschaftsviertel in Kabul an

Die radikal-islamischen Taliban sprechen vom Beginn ihrer "Frühjahrsoffensive": In Kabul und in mehreren Provinzhauptstädten schlagen die Aufständischen zeitgleich zu. Betroffen sind Regierungsgebäude, Botschaften und Militärstützpunkte - auch die deutsche Botschaft gerät unter Beschuss. Die Ziele werden von Explosionen erschüttert, Raketen schlagen ein und die Kämpfer liefern sich heftige Gefechte mit Soldaten und Polizei.

In einer koordinierten Kommandoaktion haben Taliban-Kämpfer am Sonntag Ziele in der afghanischen Hauptstadt Kabul und in drei Provinzhauptstädten angegriffen. Betroffen sind Regierungsgebäude, Botschaften und Militärstützpunkte. In Kabul kam es zu Gefechten im Botschaftsviertel im Zentrum und in der Nähe des Parlaments im Westen der Stadt. Eine Sprecherin des Auswärtigen Amtes in Berlin sagte, es gebe Beschädigungen auf dem Gelände der deutschen Botschaft. Nach ersten Erkenntnissen seien aber keine Diplomaten zu Schaden gekommen.

An Afghan National Army soldier keeps watch near PRT as a NATO helicopter flies over the site of an attack in Jalalabad province

Zu Beginn ihrer Frühjahrsoffensive haben Taliban-Kämpfer in Afghanistan Regierungsgebäude, Botschaften und Nato-Stützpunkte angegriffen. Es kam zu heftigen Gefechten.

(Foto: REUTERS)

Die Taliban bekannten sich zu den Angriffen in Kabul und den Provinzhauptstädten und sprachen vom Beginn ihrer Frühjahrsoffensive. Taliban-Sprecher Sabiullah Mudschahid sagte der Nachrichtenagentur dpa in Kabul in einem Telefongespräch, Dutzende Kämpfer seien an den Operationen beteiligt. Die Angriffe markierten den Beginn der Frühjahrsoffensive der Taliban gegen die ausländischen Truppen und die afghanischen Sicherheitskräfte.

Aufständische griffen nach Angaben der Behörden außerdem Ziele in Dschalalabad, der Hauptstadt der Provinz Nangarhar, in Pul-e-Alam, der Hauptstadt der Provinz Logar, und in Gardes, der Hauptstadt der Provinz Paktia, an. Alle drei Provinzen liegen im umkämpften Osten des Landes. Über Tote und Verletzte war zunächst nichts bekannt.

In Kabul berichteten Anwohner von zahlreichen Explosionen und Schüssen im Botschaftsviertel. In der betroffenen Gegend liegen unter anderem die deutsche und die britische Botschaft, der Präsidentenpalast und ein US-Militärlager. Der Sprecher des Innenministeriums, Sediq Sediqqi, sagte: "Bewaffnete Aufständische haben in zwei Gegenden in Kabul Angriffe begonnen. Wir haben die Gegend umstellt und eine große Anzahl Sicherheitskräfte eingesetzt."

Selbstverteidigung im Parlament

Beim Angriff auf das Parlament sollen einige Abgeordnete sogar selbst zu den Waffen gegriffen haben: An der Seite von Polizisten und Soldaten hätten sie das Feuer gegen die Aufständischen eigenhändig erwidert, sagte der Parlamentarier Mohammed Naeem Lalai der Nachrichtenagentur AFP. Gemeinsam schossen sie demnach auf Angreifer, die sich nach dem gescheiterten Versuch, das Parlament zu stürmen, in einem Haus in der Nachbarschaft verschanzten. "Mehrere Abgeordnete, darunter meine Leibwächter und ich, haben die Schüsse der Taliban erwidert", sagte Lalai.

Ein Polizist sagte, Bewaffnete hätten ein Hotel in der Innenstadt - das noch neue Kabul Star - unter ihre Kontrolle gebracht. Das Hotel liegt in der Luftlinie nur etwa 200 Meter von der deutschen Botschaft entfernt. Der private afghanische Sender Tolo TV meldete, beim zweiten Angriffsort handele es sich um die Gegend nahe des Parlaments im Westen der Hauptstadt.

Die Taliban verüben immer wieder spektakuläre Kommandooperationen, bei denen mehrere prominente Ziele gleichzeitig angegriffen werden. In den Wintermonaten flauen die Kämpfe in Afghanistan ab, im Frühjahr nehmen sie dann wieder an Schärfe zu.

Auch in Pakistan haben die Taliban-Kämpfer am Sonntag zugeschlagen. Sie befreiten fast 400 Häftlinge aus einem Gefängnis im Nordwesten Pakistans. Mehr als 150 schwer bewaffnete Aufständische stürmten eine Haftanstalt in der Stadt Bannu an der Grenze zu den unruhigen pakistanischen Stammesgebieten, wie ein ranghoher Sicherheitsvertreter sagte. Unter den Geflohenen sind demnach zahlreiche Rebellen und mehrere Verbrecher, die als gefährlich gelten.

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