Süddeutsche Zeitung

Frühe BRD:Neue Konkurrenz für die alten Fabrikanten

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Bernhard Dietz beschreibt, welcher Wertewandel mit dem Aufstieg der Manager einherging.

Von Werner Bührer

Der Manager hatte es als Sozialfigur und Berufsbild in den ersten beiden Jahrzehnten der Bundesrepublik nicht leicht. Konservativen Publizisten und Verbandsvertretern galt er als "Symbolfigur einer rastlosen, gewinnorientierten, unmoralischen und gottlosen Welt" und "Techniker der Führung", dem es im Gegensatz zu Eigentümer-Unternehmern an Tradition und Souveränität fehle. Die Herausgeber der FAZ hielten ihre Redakteure bis in die 1960er-Jahre hinein dazu an, den Begriff wegen seines modischen Charakters zu meiden. Und überhaupt dominierte etwa im Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) lange die Überzeugung vom "geborenen Unternehmer", nach der die Fähigkeit zur "Führung" eine "angeborene Eigenschaft" sei. Mit anderen Worten: "Angestellte Manager konnten aus dieser Perspektive niemals Unternehmer sein." Warum das 20. Jahrhundert trotz solcher Vorbehalte und Widerstände zu einem "Jahrhundert der Manager" werden konnte, welche Faktoren und Motive, welche Personen und Institutionen dabei eine Rolle spielten, das zeigt Bernhard Dietz in seiner kenntnisreich argumentierenden und sehr gut belegten Habilitationsschrift.

Der Mainzer Historiker hat etwa die einschlägigen Bestände in den Archiven des BDI, der Deutschen Bank und des Deutschen Gewerkschaftsbunds, im Bundesarchiv (Koblenz), im Rheinisch-Westfälischen Wirtschaftsarchiv in Köln sowie Akten der "Gesellschaft zur Förderung des Unternehmernachwuchses" und von BMW ausgewertet. Auf dieser Grundlage geht er der Frage nach, wie Unternehmer, Interessenvertretungen, "Managementgurus", Soziologen und Soziologinnen sowie die Wirtschaftspresse, herausgefordert durch einschlägige Gesetze etwa zur Mitbestimmung, Initiativen zur Unternehmerausbildung oder soziokulturelle Phänomene wie 1968, darüber diskutierten, wodurch sich wirtschaftliche Führungskräfte auszeichneten und wie sie diese Führungsqualitäten ausüben sollten. Den Anspruch, eine Geschichte der Professionalisierung, Demokratisierung und Verwissenschaftlichung des Managerberufs zu bieten, löst Dietz damit auf überzeugende Weise ein.

Nach 1945 sahen sich viele Unternehmer herausgefordert

Unter der Überschrift "Führung nach dem Führer" untersucht Dietz zunächst, wie die meisten "Wirtschaftsführer" nach anfänglicher Orientierungslosigkeit rasch in ihre angestammten Positionen zurückkehren konnten. Unternehmerverbände unterstützten diesen Prozess, indem sie unablässig für ein "freies Unternehmertum" warben, das allein wirtschaftlichen Wohlstand garantieren könne. Es gab allerdings ein bedrohliches Problem: die "außerordentliche Verknappung" der Männer zwischen 35 und 45 Jahren infolge der "Blut- und Geburtenverluste zweier Weltkriege", wie die Geschäftsführung des BDI 1953 alarmiert registrierte. Angesichts des beginnenden Wirtschaftsaufschwungs blieb nur die Lösung, ungeachtet der weiter vorherrschenden elitären Vorstellungen von der "Berufung" zum Unternehmer eine Einrichtung zu gründen, die "wissenschaftliches Wissen und unternehmenspraktische Erfahrung" vermitteln sollte. Das war die Geburtsstunde der "Baden-Badener Unternehmergespräche", einer noch heute existierenden "Kaderschmiede" zur Nachwuchsschulung. Sie adaptierte vorsichtig amerikanische Vorbilder zur Professionalisierung des Managements und des Managers, ohne "den deutschen Weg von Ausbildung, Fachstudium und innerbetrieblicher Bewährung anzutasten".

Die Manager suchten ihren Platz zwischen Kapital und Arbeit

Die 1960er-Jahre waren dagegen von einem allmählichen Abschied von autoritären Konzepten gekennzeichnet. Nun prägten Sozialwissenschaftler den Diskurs. Insbesondere das Buch des deutsch-amerikanischen Soziologen Heinz Hartmann sorgte unter deutschen Unternehmern für Furore, weil er ihnen ein "charismatisches Führungsverständnis" und ein "elitäres Selbstverständnis" attestierte. Während einige die Thesen Hartmanns als überholt disqualifizierten, sahen sich andere doch veranlasst, ihre Konzepte zu überdenken. Vor allem jüngere "Führungskräfte" wie etwa Alfred Herrhausen plädierten für eine stärkere Orientierung am gesellschaftlichen Wandel. Altmodische Führungskonzepte, wie sie insbesondere die "Harzburger Akademie" des ehemaligen SS-Mitglieds Reinhard Höhn praktizierte, verloren an Boden: "Der Führer ist tot", konstatierte die Zeitschrift Capital 1971. Die Ereignisse um das Jahr 1968 bedeuteten für die Unternehmerschaft zwar eine politische Provokation, auf die zunächst "mit kämpferischer Rhetorik" reagiert wurde - aber etwas später eben auch "mit Dialogbereitschaft, Absorption von Kritik und professionalisierter Öffentlichkeitsarbeit". In den 1970er-Jahren suchten die Manager mit Nachdruck ihren Platz zwischen Kapital und Arbeit. Auch das seit 1971 im Spiegel-Verlag erscheinende Manager Magazin trug entscheidend zur wachsenden Akzeptanz des Managerbegriffs und zur Modernisierung und Demokratisierung der Konzepte zur betrieblichen Führung bei. Im letzten Kapitel zeigt Dietz, wie sich der allseits konstatierte Wertewandel in den 1980er-Jahren auf die Ausbildung des Unternehmernachwuchses und die Arbeitswelt und ganz konkret auf die Personalpolitik und das Arbeitszeitregime bei BMW - Stichwort "Flexibilisierung" - auswirkte.

Das Buch vermittelt nicht nur neue Erkenntnisse zum Wandel des unternehmerischen Selbstverständnisses, sondern auch tiefe Einblicke in gesellschaftspolitische Debatten um Werte und Leitbilder in der alten Bundesrepublik und damit in (west-)deutsche Besonderheiten. Und es liest sich darüber hinaus wirklich spannend.

Werner Bührer ist Zeithistoriker. Er lebt in München.

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SZ vom 11.01.2021
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