Süddeutsche Zeitung

Front National:Marine Le Pen forciert den Frexit

  • Die rechtsextreme französische Präsidentschaftskandidatin Marine Le Pen ist mit einer großen Parteiversammlung in den Wahlkampf gestartet.
  • Das Wahlprogramm der Vorsitzenden des Front National sieht unter anderem ein Referendum über einen Austritt Frankreichs aus der EU ("Frexit") vor.
  • In Umfragen für den ersten Wahlgang im April liegt Le Pen mit um die 25 Prozent seit Wochen in Führung.

Im Wahlkampf-Hauptquartier von Marine Le Pen wird demonstrativ aus einer Trump-Tasse getrunken. So zu sehen in einem betont locker inszenierten Youtube-Video aus dem Pariser Büro von David Rachline, dem Kampagnenchef der französischen Rechtsextremen. Die Botschaft ist klar: Der Front National (FN) sieht den Sieg von Donald Trump in den USA als Zeichen, dass auch seine Stunde gekommen ist.

An diesem Wochenende schwört Le Pen ihre Mitstreiter in Lyon auf den Wahlkampf ein und stellt ihr Programm vor. Noch nie konnte die Rechtsaußen-Partei so ein gutes Ergebnis bei der Präsidentschaftswahl erwarten. In Umfragen für den ersten Wahlgang im April liegt sie mit um die 25 Prozent seit Wochen in Führung und kann damit rechnen, in die entscheidende Stichwahl im Mai zu kommen.

Die Abstimmung ist damit auch eine Entscheidung über das Schicksal der Europäischen Union. Auch in den Niederlanden ist laut Umfagen Geert Wilders rechtspopulistische Freiheitspartei (PVV) weit vor den Pro-Europäern. Die 48-jährige Le Pen hat angekündigt, dass sie innerhalb von sechs Monaten ein Referendum über den Austritt der zweitgrößten Euro-Wirtschaft aus der Gemeinschaft organisieren würde. In ihrem Wahlprogramm steht die Forderung an erster Stelle.

Zunächst will sie in Brüssel eine Rückübertragung von "vier Souveränitätsrechten" an Frankreich aushandeln: Geldpolitik, Gesetzgebung, Haushalts- und Wirtschaftspolitik sowie Grenzen. Ist sie mit dem Ergebnis zufrieden, will sie beim Referendum für einen Verbleib in der EU werben; ansonsten für einen Austritt. Le Pen will außerdem den Euro aufgeben und zu einer nationalen Währung zurückkehren. Eine europäische Gemeinschaftswährung solle aber beispielsweise für die Geschäftstätigkeiten großer Unternehmen möglich bleiben.

Seit der Übernahme des rechtsextremen FN von ihrem Vater, dem wegen Anstiftung zum Rassenhass verurteilten Jean-Marie Le Pen, bemüht sich Marine Le Pen, der Partei ein bürgerlicheres Image zu verpassen. Damit konnte sie bei Wahlen Zugewinne feiern, die wegen des Mehrheitswahlrechts aber nicht zu großer Macht führten.

"Xenophobie ist ein bestimmendes Thema"

Le Pen habe den FN-Diskurs "banalisiert", sagte die Professorin Cécile Alduy, die ihre Sprache untersucht hat, dem Magazin L'Obs. Aber: "Um von einer ideologischen Entschärfung zu sprechen, müsste man das über das Vokabular hinaus in den Maßnahmen ihre Programms feststellen. Das ist nicht der Fall."

"Zur Erneuerung der Partei gehörte, offenen Rassismus zu unterbinden", analysiert die Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik. "Xenophobie ist allerdings weiterhin ein bestimmendes Thema. Statt Judentum ist das neue Feindbild der Islam." Ein Thema, das Le Pen vor allem vor dem Hintergrund der islamistischen Anschlagsserie in Frankreich herausstellt.

Le Pen präsentiert sich als nah an den Sorgen der Bürger und appelliert meisterhaft an das verbreitete Gefühl des Misstrauens und der Enttäuschung über "die da oben". Damit spielt sie auf die Staatschefs Nicolas Sarkozy und François Hollande an, die beide mit dem Versprechen eines Wechsels angetreten waren. Das Land leidet jedoch weiter unter einer hohen Arbeitslosigkeit vor allem bei jungen Leuten.

Marine Le Pens Antwort: Protektionismus und eine deutliche Reduzierung der Einwanderung - einen Einreisestopp à la Trump fordert sie aber nicht. Le Pen will etwa eine Steuer auf Arbeitsverträge für Ausländer, eine "Sozialabgabe" auf Importe, den Austritt aus der Nato. Das alles wird flankiert mit dem Versprechen von Entlastungen für Geringverdiener und Mittelschicht.

Der Wirbel um den konservativen Kandidaten François Fillon könnte Le Pen weiter nützen. Dieser galt als ein Bollwerk gegen ein Vorrücken der Front National etwa im katholischen Wählermilieu. Gerade zerlegt er sich durch eine Scheinbeschäftigungs-Affäre selbst und befindet sich in Umfragen in freiem Fall.

Dabei steht Le Pen selbst in der Kritik, weil sie verdächtigt wird, als Europaabgeordnete aus EU-Mitteln Mitarbeiter bezahlt zu haben, die in Wahrheit für ihre Partei arbeiteten. Sie kontert die Vorwürfe und die laufenden Ermittlungen schlicht mit der Anschuldigung, diese seien rein politisch motiviert.

Nun sollte nicht vergessen werden, dass Le Pen zwar für den ersten Wahlgang Rückenwind hat - für den zweiten Wahlgang sagen Umfragen ihr aber ebenso regelmäßig eine krachende Niederlage voraus. Egal, ob sie nun in einem Duell gegen Fillon oder den unabhängigen Polit-Jungstar Emmanuel Macron steht. Der Pro-Europäer Macron, der unter dem sozialistischen Staatschef François Hollande zwei Jahre lang Wirtschaftsminister war, präsentiert sich als frische Alternative zu den Vertretern der großen Parteien und ist für viele Franzosen ein Hoffnungsträger geworden.

Das Programm des FN umfasst 144 Wahlversprechen. Die wichtigsten Punkte:

  • Franzosen zuerst und Wirtschaftsprotektionismus: Le Pen will in der Verfassung das Prinzip der "nationalen Priorität" verankern - Franzosen sollen den Vorzug beispielsweise bei Arbeitsplätzen und Sozialwohnungen erhalten. Die kriselnde Wirtschaft soll mit "intelligentem Protektionismus" und "Wirtschaftspatriotismus" aufgerichtet werden. So sollen französische Unternehmen vor ausländischer Konkurrenz geschützt und bei öffentlichen Aufträgen bevorzugt werden. Freihandelsabkommen lehnt die Front National ab. Importierte Waren und Dienstleistung sollen mit einer Sondersteuer von drei Prozent belegt werden. Mit dem Geld soll eine Prämie für Geringverdiener und Rentner finanziert werden - zwei wichtige Zielgruppen der Front National.
  • Einwanderung drastisch beschränken: Der Kampf gegen die Einwanderung ist eines der Kernthemen des Front National. Die Partei wirbt schon seit Langem für einen Zuwanderungsstopp. Konkret soll das Migrationssaldo - also Einwanderung minus Auswanderung - von derzeit rund 40 000 pro Jahr auf 10 000 gesenkt werden. Ausländer ohne Aufenthaltsgenehmigung sollen leichter abgeschoben werden, das französische Staatsbürgerrecht soll restriktiver werden.
  • Scharfer Kurs bei Sicherheit und Anti-Terror-Kampf: Der Front National fährt traditionell einen scharfen sicherheitspolitischen Kurs. Le Pen will 15 000 neue Polizisten einstellen, Problemvorstädte "entwaffnen" und die Kontrolle über "rechtsfreie Zonen" wiedererlangen. Das Strafrecht soll nach dem Motto "Null Toleranz" verschärft werden, außerdem will Le Pen 40 000 neue Plätze in Gefängnissen schaffen. Im Kampf gegen den Islamismus sollen Moscheen mit radikalen Predigern geschlossen und mutmaßliche ausländische Gefährder abgeschoben werden.
  • Eine Hintertür bei der Todesstrafe: Le Pen befürwortet die Todesstrafe. Die Wiedereinführung der 1981 in Frankreich abgeschafften Kapitalstrafe hat sie zwar als Forderung aus ihrem Wahlprogramm gestrichen; stattdessen will sie bei besonders schweren Straftaten lebenslange Gefängnisstrafen ohne Aussicht auf Haftentlassung. Eine Hintertür lässt die Front-National-Chefin aber offen: Sie will Volksinitiativen in Frankreich einführen - und regt an, dass die Franzosen auf diesem Weg eine Rückkehr zur Todesstrafe beschließen könnten.

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