Fritz Kuhn: Unsichere Zukunft:Grünlinge mit Drang nach oben

Sehnsucht nach neuen Gesichtern: Künast und Trittin sind an der Spitze der Grünen gesetzt. Doch der bisherige Fraktionschef Fritz Kuhn wird offen herausgefordert.

D. Brössler

Es ist während des Wahlkampfes gelegentlich die Frage aufgekommen, warum die Grünen zwei Spitzenkandidaten brauchen. Eine mögliche Antwort gibt die neue grüne Fraktion im Bundestag an diesem Dienstag. Sie wird die beiden Spitzenkandidaten Renate Künast und Jürgen Trittin zu ihren Vorsitzenden wählen. Zwar konnten die Grünen ihre Wahlziele nicht erreichen und ziehen als kleinste Oppositionspartei in den Bundestag ein. Das dennoch bislang beste Bundestagsergebnis aber festigt vorerst Künasts und Trittins Position.

Fritz Kuhn: Unsichere Zukunft: Seit vier Jahren sitzt Gerhard Schick für die Grünen im Bundestag - nun bewirbt er sich um den Vize-Fraktionsvorsitz und die Leitung des Wirtschafts-Arbeitskreises.

Seit vier Jahren sitzt Gerhard Schick für die Grünen im Bundestag - nun bewirbt er sich um den Vize-Fraktionsvorsitz und die Leitung des Wirtschafts-Arbeitskreises.

(Foto: Foto: oh)

Trittin repräsentiert an der Fraktionsspitze nun die Parteilinke, Künast die Realos. Das tut der innerparteilichen Machtarithmetik Genüge, garantiert aber nicht den Frieden in der Fraktion. In der herrscht eine Unruhe, die schon beim ersten Kennenlernen der von 51 auf 68 Mitglieder angewachsenen grünen Truppe vergangene Woche spürbar geworden ist.

Neue Gesichter mit Geltungsdrang

Zum einen sind die bislang in der Fraktion unterrepräsentierten Linken erstarkt und zählen in den internen Statistiken nun 28 Seelen, wobei die Realos mit 36 immer noch die Mehrheit stellen. Zum anderen aber gehören der Fraktion 26 Neulinge an, von denen etliche nun sehr selbstbewusst ihren Platz suchen. "Wir sind fast 40 Prozent Neue. Natürlich wollen wir wahrgenommen werden", sagt die 31-jährige Ingrid Nestle aus Schleswig-Holstein.

Die Positionen von Trittin und Künast, 55 und 54 Jahre alt, sind zwar unangefochten, doch bei der Verteilung der weiteren Posten in der Fraktion könnte sich Unmut über den ausbleibenden Generationswechsel in einer kleinen Jugendrevolte Luft machen.

Offen herausgefordert wird dabei der bisherige Fraktionschef Fritz Kuhn. Trittin und Künast wünschen sich den 54-Jährigen als Stellvertreter und Leiter des wichtigen Arbeitskreises I, in dem es um Wirtschaft geht. Für Kuhn spricht die langjährige Erfahrung auf diesem Gebiet, aus Sicht der Spitzenkandidaten aber auch seine Loyalität im Wahlkampf. Obwohl noch Fraktionschef, hielt er sich im Hintergrund und konzentrierte sich auf die Kampagne im heimischen Baden-Württemberg. Nach dem Willen einer Gruppe linker und jüngerer Abgeordneter aber soll für Kuhn nun auch in der zweiten Reihe kein Platz mehr sein. Um den Vize-Fraktionsvorsitz und die Leitung des Wirtschafts-Arbeitskreises bewirbt sich der 37-jährige Finanzexperte Gerhard Schick.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, welche Namen künftig an der Spitze der Grünen auftauchen könnten.

Die alte Machtfrage

Der Mannheimer sitzt seit vier Jahren im Bundestag und wusste dort die Aufmerksamkeit zu nutzen, die die globale Finanzkrise seinen Themen bescherte - etwa im HRE-Untersuchungsausschuss, wo er zuletzt betont forsch auftrat. In der Partei wird Schick den Linken zugerechnet, wohingegen Kuhn einer der bewährten Frontmänner der Realos ist. Kuhn darf daher hoffen, sich auf die immer noch vorhandene Mehrheit seines Lagers verlassen zu können. Der Generationenkonflikt werde doch ohnehin nur vorgeschoben, ist von den Realos zu hören. In Wahrheit gehe es um die alte Machtfrage zwischen beiden Lagern.

Sicher sein können sich die Altvorderen da aber nicht. Sie geben zu, dass es in der Partei eine Sehnsucht nach neuen Gesichtern gibt. Als unausweichlich gilt daher, dass zumindest einer der fünf Fraktions-Arbeitskreise künftig von einer Nachwuchskraft geführt wird.

Offenheit für alle Machtoptionen

Ein Name, der immer wieder genannt wird, ist der von Parlamentsneuling Konstantin von Notz, dem grünen Spitzenkandidaten für Schleswig-Holstein. Der Rechtsanwalt ist für die Leitung des Arbeitskreises für Innen- und Rechtspolitik im Gespräch. An die Spitze drängt auch der Frankfurter Omid Nouripour, der in der vergangenen Legislaturperiode für Joschka Fischer nachgerückt war. Er möchte mit der Zuständigkeit Außenpolitik in die Fraktionsführung.

Mehrere Wochen lang werden die Grünen mit derlei Personalien vollauf beschäftigt sein. Danach aber, das ahnen erfahrene Fraktionsmitglieder, droht der Katzenjammer über die Rolle als kleinste Oppositionspartei. "Wenn wir unsere Reden halten, seid Ihr Journalisten schon beim Essen", prognostiziert ein erfahrener Grüner.

Aus Sicht des Partei-Veteranen Daniel Cohn-Bendit haben die Grünen bei der Wahl die Quittung dafür erhalten, "dass sie nur pomadig dahergebetet haben, mit wem sie alles nicht koalieren würden". Er ist überzeugt, dass sie sich unausweichlich allen Machtoptionen von Rot-Rot-Grün bis Jamaika, also einem Bündnis mit Schwarz-Gelb, öffnen müssen. Der neuen Bundestagsfraktion allerdings steht die Debatte darüber noch bevor.

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