Polen:Warten auf Friedrich Merz

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Schon im Dezember besuchte Friedrich Merz den Ministerpräsidenten Donald Tusk, der ihn bald wieder in Warschau begrüßen dürfte. (Foto: Michael Kappeler/dpa)

Nach seiner für Anfang Mai geplanten Wahl zum Bundeskanzler will Friedrich Merz zuerst nach Paris und dann schleunigst nach Warschau reisen. Polens Premier Donald Tusk dürfte den Deutschen mit gedämpftem Optimismus empfangen.

Von Daniel Brössler, Berlin

Es ist ruhig geworden um Olaf Scholz – und vor allen Dingen für Olaf Scholz. Seit der Bundeskanzler nur noch geschäftsführend im Amt ist, hat sich sein Terminkalender deutlich ausgedünnt. An diesem Mittwoch hat Scholz allerdings eine Verabredung; er fliegt nach Warschau. Polens Ministerpräsident Donald Tusk hat den deutschen Kanzler zu einem Abschiedsmittagessen eingeladen.

Womöglich sprechen Tusk und Scholz dann noch einmal darüber, was in den vergangenen Jahren alles nicht geklappt hat im deutsch-polnischen Verhältnis. Vielleicht wartet Tusk aber auch einfach auf Friedrich Merz. Nach seiner nun für den 6. Mai geplanten Wahl zum Bundeskanzler will Merz zuerst nach Paris und dann schleunigst auch nach Warschau reisen. Eine Verbesserung der Beziehung zu Polen liegt Merz am Herzen. Gerade im Verhältnis zum östlichen Nachbarn könnte Merz allerdings schon bald erleben, wie weit Theorie und Praxis auseinanderliegen.

Warschau erwartet Bau eines Mahnmals für die polnischen Opfer der Nazis in Berlin

Theoretisch ist die Ausgangslage gut. „In Warschau ist man sehr gespannt auf Merz. Nach Scholz glaubt man, es kann nur besser werden“, sagt Piotr Buras, Deutschland-Experte und Leiter des European Council in Foreign Relations (ECFR) in Warschau. Merz und Tusk gehören derselben christdemokratisch-konservativen Parteienfamilie an und kommen dem Vernehmen nach gut miteinander aus. Allerdings warnt Buras auch: „Das wird kein Selbstläufer.“

Zwar habe Tusk seine Schwierigkeiten mit Scholz gehabt, aber die Probleme lägen tiefer. Auch deshalb hätten sich die Hoffnungen auf eine bessere Zusammenarbeit nach dem Ende der Herrschaft der nationalkonservativen Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) kaum erfüllt. Die PiS-Forderung nach Reparationen in Höhe von 1,3 Billionen Euro für NS-Verbrechen während des Zweiten Weltkriegs hat die Tusk-Regierung zwar fallen lassen. Gelöst ist die Frage aber nicht. „Die materielle und moralische Wiedergutmachung wurde nie realisiert“, mahnte Tusk.

Das weiß auch der CDU-Außenpolitiker Johann Wadephul, der als Favorit für den Posten des Außenministers gehandelt wird und vergangene Woche schon mal in Paris und Warschau das Terrain sondiert hat. „Wir sind bereit, einen Schritt auf Polen zuzugehen“, sagte Wadephul der Süddeutschen Zeitung. In Grundzügen ist längst bekannt, worauf es der polnischen Seite ankommt. Sie erwartet, dass ein vom Bundestag 2020 beschlossenes Mahnmal für die polnischen Opfer der Nazis in Berlin errichtet wird, dass noch lebende NS-Opfer finanzielle Hilfen erhalten und dass Deutschland einen Beitrag zum Schutz Polens vor der Gefahr durch das aggressive Russland leistet. „Das verfolgen wir weiter“, verspricht Wadephul.

Verärgerung über Olaf Scholz

Scholz war im Juli mit dem Vorschlag zu Regierungskonsultationen nach Warschau gereist, 200 Millionen Euro für polnische NS-Opfer bereitzustellen – eine Summe, die aus Sicht von Tusk der polnischen Öffentlichkeit nach der 1,3-Billionen-Forderung der PiS kaum zu vermitteln gewesen wäre. Verärgert war Tusk überdies, weil Scholz sich gegen seine Forderung gestellt hatte, den Schutz der polnischen Ostgrenze mit schuldenfinanzierten EU-Mitteln zu stärken.

Fortan galt das Verhältnis der beiden als belastet. Tusk mied Reisen nach Deutschland. Auch in dieser Hinsicht sei Merz nun in einer besseren Position, glaubt Buras. Dank der gelockerten Schuldenbremse verfüge er über einen größeren finanziellen Spielraum. „Es geht nicht darum, dass Polen den deutschen Geldtopf anzapft, sondern darum, Verteidigungsinvestitionen europäisch zu denken“, sagt er.

Tusks Regierung ist jedenfalls prinzipiell an einem besseren Verhältnis interessiert und wünscht sich eine enge Abstimmung etwa in der Unterstützung der von Russland überfallenen Ukraine. So musste Wadephul in Warschau nicht zuletzt Fragen zur künftigen Ukrainepolitik beantworten. „Ich habe versichert, dass Deutschland fest an der Seite der Ukraine bleibt. Wir setzen darauf, dass die Ungeduld mit Putin bei Trump größer wird. Uns ist wichtig, dass nicht weiter Druck auf die Ukraine ausgeübt wird. Da haben wir die gleiche Position“, sagt Wadephul.

Allerdings werden in Polen mit ebenso großer Spannung die ersten Schritte des neuen Kanzlers in der Migrationspolitik erwartet. Seine Ankündigung, für massenhafte Zurückweisungen an den deutschen Grenzen zu sorgen, betrifft nicht zuletzt Polen. Es komme nun darauf an, was mit der im Koalitionsvertrag vereinbarten „Abstimmung“ mit den Nachbarländern gemeint sei, meint Buras. Wenn es nur darum gehe, die Nachbarn über vollendete Tatsachen zu informieren, sei das „fatal“. Grundsätzlich aber sei die polnische Regierung daran interessiert, mit Deutschland zusammen eine härtere Linie in der EU-Asylpolitik durchzusetzen.

Trotz aller Hoffnungen dürfte Tusk den neuen Kanzler aber erst einmal mit gedämpftem Enthusiasmus empfangen. Am 18. Mai findet in Polen die erste Runde der Präsidentenwahl statt. Für Tusk hängt viel davon ab, ob sich der liberale Kandidat Rafał Trzaskowski gegen den von der PiS unterstützten Karol Nawrocki  durchsetzt. Allzu große Freundlichkeiten mit dem neuen deutschen Kanzler könnte der PiS da im Wahlkampfendspurt in die Hände spielen. Zumindest in einem Punkt gibt es bereits Fortschritt: Schon an diesem Mittwoch soll ein 30 Tonnen wiegender Stein, ein Findling, auf das Gelände der ehemaligen Kroll-Oper in Berlin gehievt werden und als provisorisches Mahnmal für die polnischen NS-Opfer dienen. Auch ein schon länger geplantes Deutsch-Polnisches Haus „als Ort des Gedenkens und Begegnens“ soll kommen. So steht es jedenfalls im Koalitionsvertrag.

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