Union:Fast 90 Prozent für Merz
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Mit großer Zustimmung wählt ihn die CDU/CSU-Fraktion im Bundestag zum neuen Vorsitzenden. Der will dort nun dieselbe Geschlossenheit herstellen wie in seiner Partei.
Von Boris Herrmann, Berlin
Man gewöhnt sich allmählich an die Bilder von einem strahlenden Friedrich Merz. Erst haben sich die Mitglieder der CDU, dann die Delegierten des Parteitags mit überwältigender Mehrheit für Merz als CDU-Vorsitzenden ausgesprochen, und jetzt ist scheinbar auch noch die Unionsfraktion hellauf begeistert von diesem Mann. Mit 162 von 186 abgegebenen Stimmen wählten ihn die Bundestagsabgeordneten von CDU und CSU am Dienstag zum neuen Fraktionschef. Das entspricht einer Zustimmung von 89,5 Prozent. Da darf man schon mal strahlen.
Diesmal lächelt Merz aber wirklich nur kurz. Nach seiner Wahl zum Nachfolger von Ralph Brinkhaus scheint er sich jede Triumphgeste verkneifen zu wollen. "Wir legen mit dem heutigen Tag die Führungsverantwortung von CDU und Unionsfraktion in eine Hand", sagt Merz. "Das ist aus meiner Sicht eine richtige Entscheidung." Es dürfte ihm nicht allzu schwerfallen, diese Entscheidung richtig zu finden. Schließlich ist es seine Hand, in der nun all die Führungsverantwortung liegt.
Wenn man nicht genau wüsste, dass dies immer noch derselbe Merz ist, den Angela Merkel vor zwei Jahrzehnten vom Fraktionsvorsitz verdrängte, der in seinem Weltschmerz dann nach und nach von der Bildfläche verschwand, 2009 seine politische Laufbahn für beendet erklärte, ehe er sie zweimal vergeblich wiederzubeleben versuchte, aber beide Male in der Stichwahl um den CDU-Vorsitz scheiterte und sich deshalb von "Teilen des Establishments" der Union ausgegrenzt fühlte - man würde es nicht glauben. Aber es ist tatsächlich noch derselbe Friedrich Merz.
Wobei, ein wenig verändert hat er sich schon. Er bemüht sich etwa darum, nicht mehr ganz so aufreizend selbstherrlich zu wirken wie früher. Dabei hätte er dazu mit seinen 66 Jahren mehr Anlass denn je. Das Establishment der Union, über das er sich so vehement beklagt hat, das ist er nun selbst.
CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt hält eine Art Laudatio auf den Neuen
Es herrsche jetzt Geschlossenheit in der CDU, sagte Merz in der Fraktionssitzung nach Angaben von Teilnehmern. Jetzt wolle er auch in der Fraktion von CDU und CSU "so gut wie möglich" Geschlossenheit erreichen. Er lade alle Abgeordneten ein, sich daran zu beteiligen, so Merz.
Alexander Dobrindt nimmt die Einladung offenbar an. Der Vorsitzende der CSU-Landesgruppe hielt eine Art Laudatio auf Merz. Mit ihm verbinde man einen "Klartext-Kurs" sowie eine sehr enge Zusammenarbeit mit der CSU, sagte Dobrindt. Deshalb habe er Merz im Namen von CSU-Chef Markus Söder als Unionsfraktionschef vorgeschlagen.
Dass die Zusammenarbeit zwischen Merz und Söder auch schon wesentlich schwerere Zeiten durchlitten hat, scheint beidseitig verziehen und - wenn es so weitergeht - wohl bald auch schon vergessen zu sein.
Dobrindt jedenfalls bezeichnete die Wahl von Merz zum Fraktionschef (und damit ja auch die umfassende Machtausdehnung des CDU-Vorsitzenden) als "die nächste Etappe der Comeback-Tour der Union". Wobei offenblieb, ob er auch hier im Auftrag Söders sprach. Thorsten Frei (CDU), der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, packte einen ähnlichen Gedanken in den Satz: "Das ist der Abschluss der personellen Neuaufstellung der Union insgesamt." Die Wahl von Merz soll laut Frei "die Basis für die Einigkeit" bilden, die es in den vergangenen Jahren nicht gegeben habe bei CDU und CSU. Einig sein - das scheint jetzt in der Union zu heißen: dem Willen von Merz zu folgen.
Vorgänger Ralph Brinkhaus verschwindet selbstlos und schnell
Kurz vor der Fraktionssitzung, die seine Degradierung zum einfachen Abgeordneten bedeutete, hatte Ralph Brinkhaus sein letztes öffentliches Statement als Fraktionsvorsitzender abgegeben. Er versuchte, es schnellstmöglich hinter sich zu bringen. "Ich habe das gerne gemacht, ich habe das geatmet und gelebt", sagte Brinkhaus. Er gehe ganz mit sich im Reinen. Wohin genau? "Wird man sehen." Dann war er auch schon wieder weg.
Es ist kein Geheimnis, dass Brinkhaus gerne an der Spitze der Fraktion weitergemacht hätte. Er hatte dann aber gerade noch rechtzeitig eingesehen, dass er der um sich greifenden Merz-Stimmung nichts mehr entgegensetzen konnte, und kündigte Ende Januar seinen Rückzug an. Brinkhaus kann sich nun mit den vielfältigen Respektbekundungen trösten, der Union einen weiteren internen Machtkampf erspart zu haben. Dass er nun den Weg für Merz frei mache, findet Alexander Dobrindt zum Beispiel "große Klasse". In der Fraktionssitzung soll es für den so selbstlos scheidenden Brinkhaus laut Teilnehmern "Standing Ovations" gegeben haben.
Markus Söder konnte die Wahl des von ihm so nachdrücklich vorgeschlagenen Unionsfraktionsvorsitzenden Merz leider nicht mit seiner Anwesenheit beehren. "Terminschwierigkeiten", wie zu hören war.