Friedrich Merz gehört zu der kleinen Gruppe von Politikern, die präzise und klar reden. Wer ihm zuhört, weiß sofort, woran er ist. In einem Metier, in dem das viele anders halten, ist diese Eigenschaft zunächst einmal erfrischend. Im Umkehrschluss bedeutet das aber auch, dass man besonders ernst nehmen muss, was Merz sagt: Es ist nicht einfach so dahingeplappert.
Auf die Frage, ob er Vorbehalte gegen einen schwulen Bundeskanzler hätte, antwortete Merz jetzt zwar "Nein", die sexuelle Orientierung sei Privatsache. Doch dann schob er die Einschränkung hinterher: "Solange sich das im Rahmen der Gesetze bewegt und solange es nicht Kinder betrifft."
Offenbar lebt Merz, immerhin Kandidat für den CDU-Vorsitz, immer noch mit üblen Ressentiments. Bei der Frage nach einem heterosexuellen Kanzler würde er sicher nicht auf die Idee kommen, ungefragt einen Pädophilie-Vorbehalt in den Raum zu stellen. Merz verfestigt damit ein Bild, das man spätestens seit seiner Äußerung über den schwulen Klaus Wowereit von ihm hat. ("Solange der Wowereit sich mir nicht nähert, ist mir das egal.")
Offenbar zu wenig Empathie für Menschen in Kurzarbeit
Genauso ungehörig ist die pauschale Klage von Merz, in der Corona-Krise würden sich gerade relativ viele Menschen daran gewöhnen, ein Leben ohne Arbeit zu führen. Merz, sein Reichtum sei ihm gegönnt, lebt offenbar in einer Blase, in der es zu wenig Empathie für die Millionen Menschen gibt, die gerade gegen ihren Willen in Kurzarbeit sind, und die Angst haben, ihren Job ganz zu verlieren. Und er scheint sich in einem Umfeld zu bewegen, in dem man gesellschaftspolitisch im vergangenen Jahrhundert stecken geblieben ist.
Damit mag man im CDU-Wirtschaftsrat punkten, dessen Vizepräsident Merz ist. In der Welt außerhalb dieses Rates stößt man jedoch auf erheblichen Widerstand. Und das ist auch gut so.