CDU/CSU-Fraktion:Wer wird der mächtigste Christdemokrat?

CDU/CSU-Fraktion: Der Vorsitzende der Unionsfraktion, Ralph Brinkhaus, will seinen Job nicht an Friedrich Merz abtreten.

Der Vorsitzende der Unionsfraktion, Ralph Brinkhaus, will seinen Job nicht an Friedrich Merz abtreten.

(Foto: Florian Gaertner/imago images)

CDU-Chef wird Friedrich Merz, das steht nun fest. Aber greift er auch nach dem Fraktionsvorsitz? Ralph Brinkhaus will jedenfalls nicht weichen.

Von Robert Roßmann, Berlin

Jetzt ist zwar klar, wer neuer CDU-Chef wird - wer der mächtigste Christdemokrat wird, ist damit aber noch lange nicht geklärt. Denn es gibt neben der Partei ja noch ein zweites Kraftzentrum: die Unionsfraktion. An deren Spitze steht Ralph Brinkhaus - und der will nicht weichen. Der Ostwestfale ist erst 53 Jahre alt, er sieht sich noch lange nicht am Ende seines politischen Weges. Helmut Kohl und Angela Merkel waren vor ihrer Wahl ins Kanzleramt ebenfalls Fraktionschefs. Und am vergangenen Mittwoch, nach der ersten Regierungserklärung von Olaf Scholz, hat Brinkhaus bewiesen, dass er zumindest rhetorisch mit dem neuen Bundeskanzler mithalten kann.

Nach dem trockenen Vortrag von Scholz durfte Brinkhaus als Oppositionschef ans Pult. Und mit einer kraftvollen Rede, wie immer frei vorgetragen, weckte er so manchen im Plenum wieder auf. Es war ein Auftritt, den man durchaus auch als Signal ins eigene Lager verstehen durfte. Im April steht die Neuwahl des Fraktionsvorsitzenden auf der Agenda - und Brinkhaus wird alles dafür tun, wiedergewählt zu werden.

Merz hält sich eine Kandidatur demonstrativ offen

Norbert Röttgen und Helge Braun hatten bereits vor Wochen klargemacht, dass sie nicht gegen Brinkhaus antreten wollen. Friedrich Merz, der künftige CDU-Chef, hält sich eine Kandidatur dagegen demonstrativ offen. Und das hat ja auch eine gewisse Berechtigung. In der Opposition fällt wenig Licht auf die CDU. Ist es da nicht sinnvoll, die Ämter zu bündeln, um besser wahrgenommen zu werden? Angela Merkel hat 2002 - auch damals war die Union in der Opposition - als Parteichefin Friedrich Merz aus dem Fraktionsvorsitz gedrängt. 20 Jahre später könnte Merz ihr das nachmachen, diesmal wäre Brinkhaus das Opfer.

Es wird allerdings dauern, bis man weiß, ob es tatsächlich so weit kommen wird. Wenn die Umfragewerte für die CDU in den kommenden Wochen steigen, wird Merz sich bestärkt fühlen, auch den Fraktionsvorsitz zu übernehmen. Wenn sie fallen, dürfte es für ihn schwieriger werden. Außerdem muss Merz auf die Ministerpräsidenten Rücksicht nehmen. Im März wird im Saarland gewählt. Im Mai in Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein. Und Tobias Hans, Hendrik Wüst und Daniel Günther werden wenig Interesse daran haben, dass eine Personaldebatte im Bund ihre Wahlkämpfe in den Ländern überlagert. Das spricht für Brinkhaus.

Zuvor muss sich der Fraktionschef aber darum kümmern, seine Abgeordneten oppositionstauglich zu machen. Nach 16 Regierungsjahren mussten viele von ihnen jetzt erst einmal Grundlagen lernen, etwa das Stellen parlamentarischer Anfragen. Bisher konnten sie sich auf Hilfe aus den Ministerien verlassen. Wie unbeholfen und konsterniert die Unionsfraktion noch immer über ihren Machtverlust ist, konnte man in der vergangenen Woche beispielhaft in der Debatte über die Sitzordnung erleben. Die Ampel-Koalition nutzte ihre Mehrheit, um einen Platztausch von FDP- und Unionsfraktion zu beschließen. CDU und CSU müssen jetzt neben der AfD sitzen. Und die Unionsfraktion hatte keinerlei Einfluss auf die Entscheidung, 16 Jahre lang hat es derlei nicht gegeben. Ein "Gipfel der Respektlosigkeit" sei das Vorgehen der Ampel, schimpften Redner der CDU und echauffierten sich über die Arroganz der neuen Mehrheit gegenüber der Opposition.

Dabei scheint die Union vergessen zu haben, wie sie sich bis zur Bundestagswahl verhalten hat. Sogar bei ureigensten Parlamentsaufgaben wie dem Wahlrecht, der Parteienfinanzierung oder den Regelungen zu den Nebentätigkeiten von Abgeordneten ist die CDU nicht dadurch aufgefallen, die damalige Opposition eingebunden zu haben.

Wie schwer sich die Unionsfraktion noch tut, hat sich in der vergangenen Woche auch bei der Neuaufstellung ihrer Spitze hinter Brinkhaus gezeigt. Brinkhaus war bereits nach der Bundestagswahl für ein halbes Jahr im Amt bestätigt worden, aber es mussten jetzt noch all die stellvertretenden Fraktionschefs, parlamentarischen Geschäftsführer und Justiziare gewählt werden. Für Brinkhaus war diese Aufgabe ein Debüt, nach der Bundestagswahl 2017 hieß der Vorsitzende ja noch Volker Kauder. Und besonders gut gelungen ist Brinkhaus dieses Debüt nicht.

Der Arbeitnehmerflügel nennt die Postenvergabe in der Fraktion eine "große Torheit"

Analysen haben ergeben, dass die Union bei der Bundestagswahl besonders viele weibliche und junge Wähler verloren hat. Und dass die Partei beim zentralen Thema soziale Gerechtigkeit nicht überzeugen konnte. Doch der Frauenanteil in der jetzt neu gewählten Fraktionsspitze liegt lediglich bei 25 Prozent. Der Arbeitnehmerflügel fühlt sich dermaßen schlecht vertreten, dass er die Art der Postenverteilung als "große Torheit" verurteilt hat und der Fraktionsführung vorwirft, aus den Fehlern der Union im Wahlkampf "nichts gelernt" zu haben.

Auch die Jungen in der neuen Führung muss man suchen. Nur einer der unter 35-jährigen Abgeordneten hat es in die 20-köpfige Fraktionsspitze geschafft. Es handelt sich um Sepp Müller aus Wittenberg. Und selbst er sitzt nicht in der neuen Führung, weil Brinkhaus sich für ihn besonders eingesetzt hat, sondern weil er sich in einer Kampfkandidatur gegen den eigentlich vorgesehenen Thüringer CDU-Chef Christian Hirte durchsetzen konnte.

In Thüringen hatte die CDU im Februar 2020 zusammen mit der AfD den FDP-Politiker Thomas Kemmerich zum Ministerpräsidenten gewählt - und damit den Rückzug der damaligen CDU-Bundesvorsitzenden Annegret Kramp-Karrenbauer ausgelöst. Hirte hatte Kemmerich damals zum Entsetzen Kramp-Karrenbauers "als Kandidat der Mitte" bezeichnet. Außerdem war in Thüringen der umstrittene Ex-Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen als CDU-Direktkandidat für die Bundestagswahl aufgestellt worden. Trotzdem hatte sich das Establishment der Bundestagsfraktion jetzt für Hirte ausgesprochen. So fortschrittlich aufgestellt, wie Brinkhaus seine Fraktion gerne darstellt, ist sie also noch nicht. Auch das ist eine Chance für Merz.

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