Friedrich Merz präsentiert sein Buch:Herrn Merz' Gespür für Trends

Absurder geht es kaum: Während das Kabinett beschließt, den Finanzsektor mit 500 Milliarden Euro zu stützen, stellt Friedrich Merz sein Buch vor. Es heißt: "Mehr Kapitalismus wagen".

Renate Meinhof

Wenn man ihn sieht, wie er da steht im gläsernen Saal, den die Sonne des späten Nachmittags flutet, dann kommt man immer auf dasselbe Bild. Friedrich Merz wirkt wie ein Herrenkonfektionsverkäufer, der sich zum Ziel gesetzt hat, als Beispiel nur, Männern ausschließlich breite kurze Schlipse zu verkaufen, obwohl dünne lange modern sind.

Friedrich Merz präsentiert sein Buch: Ihm ist die Mode wurscht: Herrenkonfektionsverkäufer Merz:

Ihm ist die Mode wurscht: Herrenkonfektionsverkäufer Merz:

(Foto: Foto: ddp)

Er tut dies nicht, weil er seine breiten kurzen Schlipse loswerden will, sondern weil ihre Vorzüge ihn so überzeugen, dass ihm die Mode wurscht ist. Friedrich Merz hat ein Buch geschrieben. Wenn man den Titel liest, hat man den Eindruck, es solle einem ein breiter kurzer Schlips verkauft werden. "Mehr Kapitalismus wagen", heißt das Buch.

Absurder geht es kaum. Eine Stunde, bevor Friedrich Merz in der Landesvertretung von Nordrhein-Westfalen sein Werk vorstellt, präsentiert Angela Merkel im Kanzleramt das größte Banken-Rettungspaket der Geschichte. Alle Welt diskutiert, wie der entfesselte Kapitalismus gezähmt und reguliert werden kann, und Merz, Merkels alter Rivale, erklärt, wie er sich den Kapitalismus der Zukunft vorstellt. Nein, sagt er, es gebe "keinen besseren Tag als den heutigen", sein Buch vorzustellen. Von jetzt an werde ja neu über die Grundlagen der marktwirtschaftlichen Ordnung diskutiert werden.

Angela Merkel habe in der Krise richtig gehandelt, und die Maßnahmen nach dem Motto: "Nicht kleckern, sondern klotzen" seien richtig und angemessen.

"Die Kanzlerin hat das Geschehen doch fest in der Hand",ruft Merz mit ausladender Geste. Zehn Kameras nehmen ihn in den Blick. Vielleicht, weil er an diesem Tag wie ein Relikt wirkt, das man für die Nachwelt festhalten will. Merz, in der CDU die Ikone für mehr marktwirtschaftliches Denken. Merkel, die mit dem Rettungspaket das Vertrauen unter den Banken wiederherstellen will. Sie, die ostdeutsche Pastorentochter, die zumindest in der Schule lernen musste, dass der Sozialismus das überlegene Gesellschaftssystem ist.

Merz sagt, dass er es bedrohlich finde, wenn so viele Menschen in Deutschland glaubten, der Sozialismus sei prinzipiell etwas Gutes. Seitdem es die DDR nicht mehr gebe, "fehlt uns die praktische Anschauung" - und die klare Abgrenzung.

Friedrich Merz wird im kommenden Jahr nicht mehr für den Bundestag antreten. Offiziell also verabschiedet er sich. Er hat sich für einen anderen Weg entschieden. Doch vielleicht ist das nur die halbe Wahrheit. Wer Merz erlebt, merkt bald, dass er noch immer mitfiebert. Dass er die Zeitungen studiert und sehr genau verfolgt, wie sich die CDU, seine CDU noch immer, weiter entwickelt.

Er wirkt wie einer, der mit Leidenschaft dabei ist. Mit seinem Buch diesmal, aber ganz sicher auch anders. Dazu allerdings muss mehr passieren. Solange Angela Merkel in der Partei die Fäden in der Hand hält, wird er nicht zurückkehren in die große Politik. Aber er wird auf seine Weise wirken. Wie ein Herrenkonfektionsverkäufer eben, dem die Mode egal ist.

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