Friedensverhandlungen:Merkel und Hollande reisen nach Kiew und Moskau

France's President Francois Hollande talks with German Chancellor Angela Merkel during a meeting on the sidelines of a Europe-Asia summit in Milan

Angela Merkel und François Hollande starten eine neue Initiative zur Entschärfung des Ukraine-Konflikts (Archivbild).

(Foto: REUTERS)
  • Deutschland und Frankreich starten einen neuen Vermittlungsversuch im Ukraine-Konflikt. Kanzlerin Merkel und Frankreichs Präsident Hollande fliegen am Donnerstag nach Kiew, um Gespräche mit dem ukrainischen Präsidenten Poroschenko zu führen. Auch US-Außenminister Kerry nimmt teil.
  • Am Freitag reisen sie weiter nach Moskau, um mit Russlands Präsident Putin zu verhandeln.
  • Außenminister Steinmeier besucht indes die Russland-kritischen Staaten Polen und Lettland.
  • Uneins sind sich die Staaten darüber, ob die Ukraine mit Waffenlieferungen unterstützt werden soll. Poroschenko dringt darauf, die USA und Deutschland sind strikt dagegen. Das Russland-kritische Lettland, das derzeit die EU-Ratspräsidentschaft innehat, ist der Ansicht, dass jedes EU-Mitglied selbst über etwaige Waffenlieferungen entscheiden müsse.

Von Stefan Braun

Merkel und Hollande fliegen nach Kiew

Unter dem Eindruck einer immer dramatischeren Situation in der Ostukraine und einer in der EU wie in den USA lauter werdenden Debatte über Waffenlieferungen an die Ukraine hat die Bundesregierung eine neue Initiative zur Entschärfung des Konflikts gestartet. Bundeskanzlerin Angela Merkel wird dafür gemeinsam mit Frankreichs Präsident François Hollande am Donnerstag nach Kiew fliegen. Dort wollen sie mit Präsident Petro Poroschenko über mögliche Wege aus der Krise sprechen. Am Freitag soll es weiter nach Moskau gehen. Dort soll es Gespräche mit Russlands Präsident Waldimir Putin geben.

"Ich habe mit Angela Merkel beschlossen, noch an diesem Nachmittag nach Kiew aufzubrechen, um dort einen neuen Vorschlag zur Lösung des Konflikts zu machen, auf Grundlage der territorialen Integrität der Ukraine", das sagte Hollande auf seiner großen halbjährlichen Pressekonferenz in Paris.

US-Außenminister John Kerry ist bereits in der ukrainischen Hauptstadt eingetroffen. Er werde ebenfalls an den Gesprächen mit Poroschenko teilnehmen, kündigte Hollande an.

Überschattet wird die Diplomatie-Offensive von neuer Gewalt in der Ostukraine. Die ukrainischen Behörden und die prorussischen Rebellen teilten laut Nachrichtenagentur AFP mit, in der Region seien binnen 24 Stunden mindestens 19 Menschen, unter ihnen 14 Zivilisten, getötet worden. Die Separatisten erklärten, durch den Beschuss ihrer Hochburg Donezk seien acht Bewohner getötet und 33 weitere verletzt worden. Die ukrainische Armee teilte mit, dass fünf Soldaten im Kampf gefallen und 29 weitere verletzt worden seien. Ein ukrainischer Behördenvertreter sprach überdies von sechs Zivilisten, die in mehreren Städten an der Frontlinie getötet worden seien; zwölf weitere wurden demnach verletzt.

Seit Monaten schon nehmen die Kämpfe in der Region zu. Soldaten und auch immer mehr Zivilisten kamen bei Kämpfen und Beschüssen ums Leben. Das letzte Treffen der Ukraine-Kontaktgruppe in der weißrussischen Hauptstadt Minsk war nach wenigen Stunden ergebnislos abgebrochen worden. Die prorussischen Separatisten und die ukrainische Regierung wollten eigentlich über einen Waffenstillstand und den Abzug von Kriegsgerät verhandeln.

Die Gewalt verschärft auch die Wirtschaftskrise in dem Land. Die Zentralbank versucht nun mit einer massiven Zinserhöhung einen finanziellen Zusammenbruch des Landes abzuwenden. Die Notenbank schraubte den zentralen Zinssatz um 5,5 Prozentpunkte auf 19,5 Prozent nach oben. Damit will die Notenbank die Inflation in den Griff bekommen, die im Dezember eine Rate von fast 25 Prozent erreichte. Die Landeswährung ist im freien Fall, die Devisenvorräte schmelzen zusammen.

Steinmeier besucht Polen und Lettland

Ebenfalls am Donnerstag ist Außenminister Frank-Walter Steinmeier nach Riga und Warschau aufgebrochen, um bei den besonders Russland-kritischen Regierungen in Lettland und Polen für die neue Initiative zu werben. Steinmeier sagte in Riga, die Gewalt, die derzeit in der Ostukraine herrsche, dürfe so nicht mehr weitergehen. Man müsse leider erkennen, dass sich die Lage durch die schweren Kämpfe der vergangenen Tage verändert habe. So trete immer brutaler zu Tage, dass die Vereinbarungen von Minsk "so nicht gewollt" und durch immer neue Gewalt absichtlich torpediert würden.

Insbesondere die prorussischen Separatisten seien "erkennbar bemüht, Vorteile aus der militärischen Lage zu ziehen", sagte der deutsche Außenminister. Man dürfe trotz vieler gescheiterter Bemühungen nicht in Selbstmitleid verfallen, sondern müsse immer wieder neu nach Wegen suchen, um den Konflikt doch noch zu entschärfen.

Der lettische Außenminister Edgars Rinkēvičs betonte ebenfalls, dass es angesichts der verheerenden Lage dringend nötig sei, jetzt "alles zu unternehmen, um dem Krieg Einhalt zu gebieten". Lettland gilt als Hardliner im Umgang mit Russland und hatte beim letzten EU-Außenministerrat darauf gedrängt, konkreter über neue Sanktionen gegen Russland zu sprechen. Das Land hat derzeit die EU-Ratspäsidentschaft inne.

Über Waffenlieferungen an die Ukraine muss nach Ansicht Lettlands jeder Mitgliedstaat selbst entscheiden. "Ich glaube nicht, dass wir eine solche Frage im Rahmen der 28 Mitgliedstaaten klären können", sagte der lettische Außenminister Rinkēvičs in Riga vor einem Treffen mit Steinmeier. Aber angesichts der Eskalation der Lage in der Ostukraine könnten einzelne EU-Länder durchaus selbst aktiv werden. Die Frage stelle sich für die großen Mitgliedstaaten, die entsprechende Kapazitäten haben, ergänzte Rinkēvičs. Lettland unterstütze die Ukraine humanitär, könne aber als kleines Land weder Waffen noch Munition liefern.

Steinmeier bekräftigte dagegen, dass er Waffenlieferungen an die Ukraine ablehnt. "Unsere Auffassung - und die haben die Bundeskanzlerin und ich gemeinsam in der Öffentlichkeit vertreten - ist, dass die gegenwärtige Situation nicht dadurch verbessert und verändert werden kann, dass wir jetzt noch mehr Waffen in diese Region hineinbringen", sagte er.

Auch angesichts dieser Debatte ist Berlin offensichtlich zu dem Schluss gekommen, jetzt noch einmal auf höchster Ebene einen Vermittlungsversuch zu starten und mit Poroschenko mögliche Wege auszuloten.

Diskussion um Waffenlieferungen an die Ukraine

Zuvor hatten US-Politiker Waffenlieferungen an die Ukraine ins Gespräch gebracht. Dieser Vorstoß wurde von Vizepräsident Joe Biden allerdings verworfen. "Wir haben von Beginn an gesagt, dass es für diese Krise keine militärische Lösung gibt", sagte er in einem schriftlich geführten Interview mit der Süddeutschen Zeitung.

Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko appelliert an die Nato-Staaten, sein Land mit modernen Waffen zu versorgen. Die Eskalation des Konflikts und die wachsende Zahl ziviler Opfer müssten die Allianz dazu bewegen, noch mehr Unterstützung für die Ukraine zu leisten, sagte Poroschenko der Zeitung Die Welt. Unter anderem solle die Nato "moderne Waffen zum Schutz und der Gegenwehr gegen den Aggressor" zur Verfügung stellen, forderte Poroschenko. Die Ukraine wolle den Frieden. "Aber den Frieden muss man verteidigen, dazu brauchen wir eine starke Armee mit neuen modernen Waffen."

Biden, Merkel und Poroschenko auf der Münchner Sicherheitskonferenz

Auch auf der am Samstag stattfindenden Sicherheitskonferenz in München wird der Krieg in der Ukraine eine große Rolle spielen. Biden wird am Rande der Konferenz zu einem Dreiertreffen mit Merkel und Poroschenko zusammenkommen. Bei dem Gespräch werde es um den Konflikt zwischen Russland und der Ukraine sowie die westliche Unterstützung für Kiew gehen, hieß es am Mittwoch aus Regierungskreisen in Washington. Am Montag ist außerdem ein Treffen von Merkel mit US-Präsident Barack Obama im Weißen Haus geplant.

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