Süddeutsche Zeitung

Friedensplan für Ukraine:Kreml lobt "konstruktives" Gespräch mit Merkel und Hollande

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Von Stefan Braun, Stefan Kornelius und Julian Hans, Moskau, München/Moskau

Bundeskanzlerin Angela Merkel geht ungern große politische Risiken ein. Schon lange nicht mehr in der Innenpolitik, sehr begrenzt auch nur in den äußeren Geschäften, die seit der Finanzkrise 2008 ihren Ruf als Staatsfrau begründet haben. Die Kanzlerin verliert nicht gern, das würde ihren Nimbus beschädigen und ihre Macht schwächen.

Nun aber hat sich Merkel zu einer Mission entschlossen, die hochriskant ist. Gemeinsam mit dem französischen Präsidenten François Hollande will sie einen wirklich belastbaren Waffenstillstand für den Krieg im Osten der Ukraine herbeiverhandeln.

Doch viele Druckmittel stehen nicht zur Verfügung. Im Gegenteil. Merkel wagte den für sie außergewöhnlichen Schritt, dass sie am Freitagabend bei dem Mann vorstellig wurde, der alleine über die Macht verfügt, den Krieg zu beenden: Wladimir Putin. Weder Merkel noch Hollande hatten Putin in letzter Zeit in Moskau die Aufwartung gemacht. In 15 Jahren hatte es Merkel stets vermieden, in Putins Abhängigkeit zu geraten.

Merkel wird sich des Risikos bewusst gewesen sein, weshalb sie alle Anstrengungen unternahm, Erwartungen zu dämpfen. Außerdem betonte sie ihre Eigenständigkeit. Sie sei keine Vermittlerin, sie komme mit Interessen.

Merkel: Sind nicht die letzten Gespräche

Aus Verhandlungskreisen hieß es, dass keine öffentliche Bewertung zu erwarten sei, ehe Putin und der ukrainische Präsident Petro Poroschenko nicht Details eines möglichen Waffenstillstandes geklärt hätten. Zudem sagte Merkel, dass dies "nicht die letzten Gespräche" sein würden, sollte es diesmal kein Ergebnis geben. Auch in Moskau war die gestiegene Erwartung mit Händen zu greifen.

Am Donnerstag kam in Putins Residenz der Nationale Sicherheitsrat zusammen, darunter der engste Führungskreis um den Präsidenten. Der außenpolitische Berater Putins, Jurij Uschakow sagte, Moskau sei zu "konstruktiver Zusammenarbeit" bereit.

Am Freitagabend begannen die Gespräche, doch schon vorher war klar, dass Merkel und Hollande wie schon am Vorabend in Kiew ohne öffentliche Erklärungen Moskau wieder verlassen würden. Nach anderthalb Stunden unterbrachen sie das Treffen, um für die Kameras zu posieren. Schweigend und mit ernsten Minen nahmen sie im Zeremoniensaal des Kreml an einem runden Tisch Platz. Drei Minuten für Fotos. Dann wurden die Gespräche fortgesetzt.

Arbeit an Papier zur Umsetzung des Minsker Abkommens

Nach fünf Stunden hieß es, diese seien konstruktiv verlaufen. Ein Präsidialamtssprecher teilte mit, es werde nun an einem gemeinsamen Papier zur Umsetzung des Minsker Abkommens gearbeitet. Dazu solle es an diesem Sonntag ein Telefonat von Merkel, Hollande und Putin mit dem ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko geben. Aus Verhandlungskreisen hatte es zuvor geheißen, selbst wenn sich Grundzüge eines Waffenstillstandes abzeichneten, seien die Gespräche nur eine Vorbereitung für eine kommende Begegnung zwischen Putin und Poroschenko. Der Ukrainer muss dem Eindruck entgegentreten, dass ihm eine Lösung aufgedrängt werde.

Umstritten sind zwei Verhandlungspunkte: die genaue Festlegung des Territoriums, das die Separatisten kontrollieren sollen; und der Fortbestand des Minsker Protokolls vom September, das alle Konfliktparteien unterzeichnet hatten. Merkel sprach davon, das Abkommen "mit Leben zu erfüllen". In Verhandlungskreisen hieß es, das Abkommen "sei die Basis" für einen Waffenstillstand. Die Formulierungen lassen Spielraum für eine Erweiterung der Minsker Verabredung. Geklärt werden muss die Trennlinie zwischen Separatisten und ukrainischen Truppen.

Auseinandersetzung über die Gebietsverteilung

Über die Gebietsverteilung hatte es in den vergangenen Tagen nach zuverlässigen Angaben intensive Auseinandersetzungen zwischen Russland und der Ukraine gegeben. Merkel und Hollande vermieden jeden Eindruck, sich in Fragen des Grenzverlaufs einmischen zu wollen. Als Bundeskanzlerin werde sie sich nicht "über den Kopf eines anderen Landes" mit "irgendwelchen territorialen Fragen" beschäftigen. Merkel und Hollande wollten verhindern, dass Kiew ihnen Einmischung in dieses sensible Thema vorwirft.

Kritik an Merkels Mission kam aus den Vereinigten Staaten. Der Senator und Vorsitzende des Streitkräfteausschusses, John McCain, sagte: "Wenn man sich die Haltung der deutschen Regierung anschaut, könnte man meinen, sie hat keine Ahnung oder es ist ihr egal, dass Menschen in der Ukraine abgeschlachtet werden." Senator McCain fordert Waffenlieferungen an die Ukraine.

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SZ vom 07.02.2015
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