Süddeutsche Zeitung

Friedensnobelpreis 2019:Von Thunberg bis Trump

219 Menschen sind für den Friedensnobelpreis nominiert: eine Auswahl der Kandidaten.

Von Lukas Wittland

Geht man nach den Quoten der Wettanbieter, ist die Sache eigentlich schon lange klar. Greta Thunberg führt dort relativ eindeutig und schon lange das Feld der Favoriten an. In diesem Jahr bekam sie bereits den Right Livelihood Award, der auch als Alternativer Nobelpreis bekannt ist. Aus ihrem alleinigen Schulstreik vor dem schwedischen Parlament ist die weltweite "Fridays for Future"-Bewegung geworden. Experten streiten sich allerdings darüber, ob es sich beim Klima auch um ein Friedensthema handelt. Henrik Urdal, Direktor des Friedensforschungsinstituts in Oslo, sieht es nicht als erwiesen an, dass der Klimawandel tatsächlich auch ein Grund für bewaffnete Konflikt sein könnte. Außerdem sagt er, dass ein Nobelpreis für Thunberg in ihrem jungen Alter eher eine Bürde als eine Auszeichnung sei. Thunberg wäre mit 16 Jahren die jüngste Friedensnobelpreisträgerin der Geschichte. Aktuell ist das die Pakistanerin Malala Yousafzai, die den Preis 2014 im Alter von 17 Jahren erhielt.

Hoch gehandelt wird auch der äthiopische Ministerpräsident Abiy Ahmed. Die Verleihung im vergangenen Jahr kam für ihn noch zu früh. Als er im Juli 2018 erfolgreich die Aussöhnung zwischen seinem Land und dem Nachbarn Eritrea eingeleitet hat, war die Nominierungsfrist schon abgelaufen. Kurz nach seinem Amtsantritt beendete er den 20 Jahre andauernden Konflikt, in dem Tausende Menschen umgekommen waren. Im September erhielt er dafür den hessischen Friedenspreis. Außerdem bekämpfte er die Korruption in Äthiopien und ernannte eine Oppositionelle zur Vorsitzenden der Wahlkommission. Experten rechnen ihm deshalb sehr gute Chancen aus, den Preis zu erhalten.

Es war vor allem der Umgang mit den Opfern nach dem Anschlag in Christchurch, der der neuseeländischen Premierministerin Jacinda Ardern weltweite Anerkennung einbrachte. Einen Tag nach dem rechtsextremen Attentat auf eine muslimische Gemeinde, bei dem 51 Menschen starben und weitere 50 zum Teil schwer verletzt wurden, trug sie ein schwarzes Kopftuch, als sie die Opfer besuchte. Damit bekundete sie klar ihre Solidarität mit der muslimischen Minderheit im Land. In einer Zeit, in der vielen Ländern Angst vor dem Islam geschürt wird, könnte sie daher eine naheliegende Wahl sein.

Auch Raoni Metuktire taucht in den Listen der Buchmacher weit oben auf. Der 89-Jährige ist Häuptling des Kayapo-Volkes, das im Amazonasgebiet lebt. Mit ihm ist ausgerechnet ein Krieger für den Friedensnobelpreis nominiert. Seit 70 Jahren kämpft er für die Erhaltung des Lebensraums indigener Völker und damit auch ebenso lang für den Schutz des Regenwaldes. Diesem hat Metukire, der seit seiner Jugend die charakteristische Tellerlippe seines Stammes trägt, sein Leben verschrieben. Wegen der verheerenden Brände im Amazonasgebiet ist das Thema topaktuell und könnte das Komitee bewegen, Metuktire mit dem renommierten Preis auszuzeichnen.

Reporter ohne Grenzen ist als Organisation für den Friedensnobelpreis nominiert. Unter anderem, weil sie sich für die Freilassung der beiden Reuters-Reporter Wa Lone und Kyaw Soe Oo (im Bild) einsetzten. Die beiden berichteten über Verbrechen gegen den Volksstamm der Rohingya in Myanmar, und wurden für ihre Berichterstattung im Dezember 2017 verhaftet. Im Mai 2019 kamen sie im Rahmen einer Amnestie wieder frei. Wa Lone und Kyaw Soe Oo sind auch als Einzelpersonen nominiert, bei den Buchmachern hat die Organisation aber bessere Chancen.

Auch Donald Trump hat es auf die Liste der Kandidaten geschafft. Das folgt aber keinen objektiven Kriterien: Unter anderem ist jedes Mitglied einer demokratischen Regierung oder eines demokratischen Parlaments vorschlagsberechtigt. Trump ist eine von 219 Einzelpersonen, die neben 85 Organisationen nominiert ist. Insgesamt hat die Jury also die Wahl aus 304 Kandidaten - die vierthöchste Anzahl, die es jemals gab. Trump selbst hält sich übrigens aufgrund seiner Bemühungen in Nordkorea für geeignet. Beim trumpschen Hang zum Größenwahn nicht unbedingt überraschend, pries er doch zuletzt noch seine große und unübertroffene Weisheit. Gerüchten nach soll Trump Japans Ministerpräsidenten Shinzo Abe selbst um die Nominierung gebeten haben. Das wäre aber nicht notwendig gewesen, denn auch eine Gruppe US-Abgeordneter hat Trump nominiert. Er selbst rechne sich aber keine großen Chancen aus, sagte er. Das sehen auch die Buchmacher so.

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