Friedensnobelpreis: Liu Xiaobo:Kraftvolles Symbol des Widerstands

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Selbst von seiner Gefängniszelle in der Nordostprovinz Liaoning aus ist er ein kraftvolles Symbol des Widerstands, das einige Landsleute inspirieren wird. Der Preisträger Liu Xiaobo bietet sich als natürlicher Kristallisationskern für die Befürworter politischer Reformen an. Seine Gedanken könnten zu einer einigenden Plattform werden, dank ihrer Botschaft der Mäßigung und Gewaltlosigkeit.

Chinas führende Genossen erwägen derzeit zweifellos, ob sie Liu Xiaobo ins Exil abschieben sollten, so wie sie es am Schluss mit seinem Vorgänger Wei getan hatten. Im Exil verpufft die Kraft solcher Vaterfiguren der Opposition schnell; ihre Stimme geht unter in der Kakophonie der durchaus gesunden, demokratischen Meinungsvielfalt der freien Welt. Vorerst verrät Peking mit seiner Nervosität nur, dass es die aktuell von Liu ausgehende Gefahr erkannt hat.

Wenn dieser bereits weggesperrte Mann nun über Nacht wieder zu einem brennenden Problem für das Politbüro in Peking geworden ist, dann liegt das auch am historischen Kontext der Preisvergabe. China befindet sich bereits an einem Wendepunkt. Die politische Grabesruhe, die nach dem Massaker auf dem Platz des Himmlischen Friedens im Juni 1989 lange Jahre geherrscht hatte, ist längst verschwunden. Gerade weil sie mehr persönliche Freiheit und wirtschaftliche Erfolge erleben dürfen als in der Mao-Ära, hat für viele junge Chinesen nun auch eine geistige Emanzipation begonnen.

Die mehr als 10.000 Unterzeichner von Lius Charta 08 im Internet zeugen davon genauso wie die sich häufenden Streiks von Wanderarbeitern, all die bei Bürgerprotesten in Brand gesteckten Polizeistationen oder die wachsende Bürgerrechtsbewegung mutiger Anwälte, die Opfer von Korruption, religiöser oder ethnischer Diskriminierung gegen das System zu verteidigen wagen. Für all diese Chinesen kommt dieser Friedensnobelpreis genau zur richtigen Zeit. Für Liu in seiner Zelle sowieso.

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