Friedensnobelpreis:Diese Auszeichnung war überfällig

Friedensnobelpreisträger Denis Mukwege und Nadia Murad

Zeichnungen der beiden Preisträger bei der Bekanntgabe in Oslo

(Foto: REUTERS)

Denis Mukwege und Nadia Murad werden für ihren Kampf gegen sexuelle Gewalt im Krieg geehrt. Es ist ein Preis für jene, die Frieden am dringendsten brauchen.

Kommentar von Isabel Pfaff

Es gibt Friedensnobelpreisträger, die man ein bisschen umständlich erklären muss. Liberias Präsidentin im Jahr 2011 zählte dazu, das tunesische Dialog-Quartett 2015 - und ja, auch die Europäische Union war eine sperrige, nicht unumstrittene Preisträgerin. Und dann gibt es solche, die keine Begründung brauchen. Dem Nobelpreiskomitee ist es in diesem Jahr gelungen, zwei solche Menschen auszuwählen.

Die jesidische Aktivistin Nadia Murad und der kongolesische Gynäkologe Denis Mukwege kämpfen auf sehr unterschiedliche Weise und in sehr verschiedenen Weltgegenden für den Frieden. Doch ihr Fokus ist derselbe: Menschen, die sexuelle Gewalt im Krieg erleiden. Die Opfer dieser Gewalt sind stille Opfer - fast immer Frauen oder Kinder, fast immer völlig unbeteiligt an der Gewalt, die ihren Alltag ergriffen hat. Sie gehören zu den Gruppen, die Frieden am dringendsten nötig haben. Und auf die zu selten das Schlaglicht der Weltöffentlichkeit fällt.

Die Auszeichnung für Murad und Mukwege holt dies in gewisser Weise nach. Denis Mukwege, der im Ostkongo Vergewaltigungsopfer operiert und Tausende Frauen damit gerettet und ihnen wieder ein Leben in Würde ermöglicht hat, steht schon seit Jahren auf der Kandidatenliste. Das verwundert nicht. Das Problem sexueller Gewalt im Krieg ist nicht neu, auch Mukweges mutige Arbeit ist inzwischen auf der ganzen Welt bekannt. Trotzdem musste der Krieg im Osten der Demokratischen Republik Kongo mit seiner unvorstellbaren Gewalt an Frauen erst in sein 25. Jahr gehen, bis das Komitee Kriegsverbrechen dieser Art ins Zentrum stellt.

Dass Mukwege den Preis nicht allein erhält, lässt jedoch erkennen, dass man in Oslo das Thema global verstanden wissen will: nicht regional spezifisch, als vermeintliches Problem entgrenzter afrikanischer Bürgerkriege, sondern als ein grausames Kriegsinstrument, das auf die Auslöschung der Opfer zielt und weltweit Konjunktur hat. Nadia Murad, eine junge Jesidin aus dem Irak, kann über diese Kriegswaffe aus der Opferperspektive erzählen. Und sie tut es, wo sie kann, so oft es geht - inzwischen als UN-Sonderbotschafterin.

Dass sie die Auszeichnung zusammen mit Mukwege erhält, hebt die Arbeit der beiden auf eine grundsätzliche Ebene. Der Kampf gegen sexuelle Gewalt im Krieg braucht und verdient dies. Und nicht nur das: Die Aktivistin und der Arzt gehen mit ihrer Arbeit hohe persönliche Risiken ein. Nadia Murad bricht mit ihrem Sprechen über Vergewaltigung ein Tabu ihrer Gemeinschaft, sie riskiert Ausgrenzung und Ablehnung. Denis Mukwege lenkt mit seiner Arbeit die Aufmerksamkeit auf Warlords und Politiker, die in der Regel recht ungestört im Ostkongo Rohstoffe plündern und Krieg schüren können. Der Arzt erhält Morddrohungen, einen Anschlag im Jahr 2012 hat er knapp überlebt. Der Friedensnobelpreis kann für solche Menschen auch Schutz sein. Nicht zuletzt deshalb ist die Entscheidung des Osloer Komitees in diesem Jahr ein Volltreffer.

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