Friedenskonferenz zu Syrien:Macht-Mikado am Genfer See

Was kann die Syrien-Konferenz in Montreux und Genf erreichen? Die Aufmerksamkeit für das Treffen ist groß, die Hoffnung auf Besserung klein. Zu verstrickt sind die Interessen, zu sehr ist Syrien ein Spielball fremder Mächte. Was Sie über die Friedenskonferenz wissen müssen - eine Übersicht.

Von Michael König

Die Schweizer Luftsicherung warnt: Flugpassagiere dürften sich auf Verspätungen einstellen. Der offizielle Grund sind mehr als tausend Flüge, die "prioritär abgewickelt werden", weil sie Staatenlenker, Diplomaten und Unterhändler in die Schweiz transportieren. In Davos beginnt am Dienstagabend das Weltwirtschaftsforum, in Montreux kurz darauf die Syrien-Friedenkonferenz.

Spötter behaupten, der in beiden Städten abgesonderte "Schall und Rauch" der Politiker sei das eigentliche Problem für den Flugverkehr. Das gilt vor allem für die Konferenz zur Syrien-Frage, die unter dem Titel "Genf II" firmiert und nur deshalb im benachbarten Montreux beginnt, weil im namensgebenden Ort alle Hotels belegt sind - wegen einer Messe für teure Uhren.

Zeit scheint im syrischen Bürgerkrieg mit bislang mehr als 130.000 Toten für die Weltpolitik schon lange keine Rolle mehr zu spielen. Seit der ersten Syrien-Konferenz in Genf, damals noch geleitet von Kofi Annan, sind anderthalb Jahre vergangen. Der damals veröffentlichte Sechs-Punkte-Plan (hier als PDF) sah die Bildung einer Übergangsregierung und Wahlen vor. Dazu ist es bekanntlich nie gekommen. Der autokratische Präsident Baschar al-Assad ist noch immer im Amt. Gewalt und Krieg gehen unvermindert weiter, Berichte über die Gräueltaten aller Konfliktparteien erschüttern die Welt.

Der syrische Präsident Baschar al-Assad

Noch immer an der Macht: Syriens Präsident Baschar al-Assad

(Foto: AFP)

Entsprechend groß ist die Aufmerksamkeit für das neuerliche Treffen in Montreux und Genf. Zugleich sind die Erwartungen gering. Aber der Reihe nach.

Wer kommt in Montreux und Genf zusammen?

Der algerische UN-Sondervermittler Lakhdar Brahimi wird 30 Delegationen im mondänen Hotel Montreux Palace empfangen. Darunter Amerikaner und Russen, die mächtigsten außersyrischen Akteure in diesem Konflikt, die in diskreten Vorgesprächen ihre roten Linien dargelegt haben. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon wird eine Eröffnungsrede halten - ehe er zum Weltwirtschaftsforum nach Davos weiterzieht.

Das Treffen am Genfer See ist ein weiterer Versuch, Syrien dem Frieden näher zu bringen. Seit langem herrscht im Bürgerkrieg eine militärische Pattsituation, die Tote, Verletzte und Flüchtlinge, aber keine Veränderung der Lage bringt.

Die Hoffnungen ruhen auf der Tatsache, dass das syrische Regime erstmals mit Teilen der politischen Opposition an einem Tisch sitzen wird. Machthaber Baschar al-Assad wird Gesandte schicken und auch die wichtigste Exil-Oppositionsgruppe, die Syrische Nationale Koalition (SNC), hat sich kurzfristig für eine Teilnahme entschieden - wohl auch auf Drängen der Amerikaner und Briten, die sie unterstützen. Viele andere Oppositionsgruppen lehnen die Gespräche am Genfer See ab.

Wer fehlt und warum?

Ein Grundproblem des Konflikts: Syrien ist längst ein Spielfeld ausländischer Mächte. Eine davon ist Iran. Das theokratisch regierte Land unterstützt den syrischen Präsidenten, trainiert Berichten zufolge dessen Truppen und schickt Einheiten der Hisbollah-Miliz aus dem Libanon über die Grenze. In Montreux/Genf darf Iran aber nicht mitreden. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon hatte Unterhändler aus Teheran erst ein-, dann jedoch wieder ausgeladen, weil die Opposition mit ihrem Fernbleiben drohte.

Ein anderes Grundproblem des Konflikts: "Die" Opposition gibt es eigentlich nicht, stattdessen kämpfen diverse Gruppen auf eigene Rechnung gegen das Regime. Beziehungsweise auf Rechnung ihrer Geldgeber. Saudi-Arabien und Katar finanzieren beispielsweise Anti-Assad-Gruppen. Unklarer ist die Finanzierung vieler Dschihadisten, die sich als Teil oder Ableger al-Qaidas betrachten. Organisationen wie der brutal agierende "Islamische Staat im Irak und der Levante" (ISIS) oder Jabhat al-Nusra haben an Macht gewonnen, während gemäßigte Rebellengruppen wie die Freie Syrische Armee (FSA) wenig Einfluss besitzen.

Gemeinsam ist vielen Gruppen, dass sie die Konferenz in der Schweiz ablehnen. "Wir können es Genf II nicht erlauben, die Nation für dumm zu verkaufen", wird ein Al-Nusra-Kommandeur bei Al Jazeera zitiert. Die Gespräche seien ein "Verrat an der Revolution", so lange nicht über den Rücktritt Assads gesprochen werde, ließ die FSA verkünden.

Darin steckt ein drittes Grundproblem: Die Frage einer Entmachtung Assads ist so diffizil, dass die USA sie bewusst ausgeklammert haben. Sonst hätte Russland die Konferenz wohl gar nicht zustande kommen lassen.

Wer verfolgt welche Interessen?

Darüber ließe sich ein Buch schreiben. In aller Kürze: Zu Beginn des Konflikts rebellierten Syrer gegen Assad und der Westen unterstützte sie dabei. Er ließ auch zu, dass Saudi-Arabien und Katar, die sunnitischen Spieler in diesem Konflikt, die Aufständischen mit Waffen und Geld unterstützten. Assad wehrte sich erfolgreich, auch weil er Russland stets an seiner Seite wusste. Die Russen sehen in ihm einen Verbündeten, zudem wollen sie keine demokratische Revolution und auch kein Machtvakuum vor ihrer Haustür. Der schiitische Iran unterstützt ebenfalls Assad, dessen Clan zu den schiitisch geprägten Alawiten gehört.

Die sunnitischen Kräfte der Region sind offenkundig bereit, einen Zerfall des Landes nach dem Sturz Assads bis hin zu einer Vormachtstellung der Islamisten zu akzeptieren. Eine weitere Theorie: Assad selbst fördert die aufstrebenden extremistischen Kräfte, weil er in ihren Gräueltaten die Möglichkeit sieht, die Opposition generell zu diskreditieren. Als wäre das nicht kompliziert genug, kommen die USA ins Spiel.

Komfortable Position für Assad

Washington will keinen weiteren Krieg und eröffnete Assad deshalb die Möglichkeit, seine chemischen Waffen abzugeben. Das tat Assad, wohl auch unter dem Druck Russlands, und nahm Präsident Obama damit endgültig die Lust, militärisch einzugreifen. Waffenlieferungen in den Händen von Islamisten zu sehen, widerstrebt Washington genauso wie die Perspektive, Gewalt und Aufstieg der Dschihadisten in Syrien dauerhaft zuzusehen - genau deshalb setzen die US-Regierung und die Europäische Union Hoffnungen auf die Friedenkonferenz setzt.

Was ist mit Assad?

Der syrische Präsident hat vor der Konferenz die vielleicht komfortabelste Position aller Teilnehmer inne. Er hat rechtzeitig vor dem Treffen Friedenssignale ausgesendet, etwa indem sein Außenminister überraschend einen Waffenstillstand im umkämpften Aleppo oder auch einen Gefangenenaustausch anbot.

Medienberichten zufolge erhöhte Russland im Gegenzug die Militärhilfe für Syrien, sodass Assad auch militärisch die Oberhand behalten dürfte. Dazu passt, dass Assad kurz vor Beginn der Konferenz über eine Wiederwahl sinnierte und damit ein Zeichen der Stärke ausschickte.

Welches Ergebnis ist wahrscheinlich?

Kaum ein Experte rechnet mit konkreten Ergebnissen. Setzt Assad seine bisherige Linie fort, sind vielleicht vereinzelte Zusagen für Waffenstillstände oder Hilfskonvois machbar. Allerdings wird das Regime im Gegenzug die Garantie für ihren Machterhalt fordern. Das kann die Opposition nicht akzeptieren, andernfalls würde sie ihren Kredit bei den Kämpfern auf dem Schlachtfeld einbüßen. Macht-Mikado am Genfer See: Wer sich zu viel bewegt, verliert.

Letztlich dürfte schon das Vermeiden eines frühzeitigen Scheiterns in Montreux und Genf als Erfolg gewertet werden. Das Magazin Der Spiegel zitierte jüngst einen deutschen Diplomaten mit den vielsagenden Worten: "Man muss erst mal anfangen zu verhandeln, etwas Besseres fällt keinem ein."

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