Wenn sich am Dienstag im saudi-arabischen Dschidda Ukrainer und Amerikaner zu Gesprächen treffen, steht vor allem Kiew unter Druck. Die Aufgabe, so US-Verhandlungsführer Steve Witkoff: einen „Rahmen für ein Friedensabkommen und eine erste Waffenpause“ im russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine zu schaffen. Dass dies gelingt, ist allerdings unwahrscheinlich.
Präsident Wolodimir Selenskij flog am Montag mit der Delegation schon nach Saudi-Arabien. Selenskij freilich holte angeblich nur in der Hauptstadt Riad ein verschobenes Gespräch mit Kronprinz Mohammed bin Salman nach. Danach werde seine Delegation am Dienstag in Dschidda die Gespräche mit den Amerikanern führen, teilte Selenskij auf seinen sozialen Medienkanälen mit.
Wichtig für Kiew sind Sicherheitsgarantien der USA für den Fall eines Waffenstillstands
Die US-Delegation wird offenbar von Steve Witkoff, Präsident Trumps Nahost-Gesandtem und engem Vertrauten geführt; auch Außenminister Marc Rubio und Mike Waltz, der Sicherheitsberater des US-Präsidenten, sind dabei. Auf ukrainischer Seite führt Selenskijs Stabschef Andrij Jermak die Delegation an, zu der auch Verteidigungsminister Rustem Umjerow und Außenminister Andrij Sybiha gehören – auch diese gelten als Vertraute Jermaks, der bei der Trump-Administration wegen seines ruppigen Stils wenig gelitten sein soll.
US-Präsident Trump erwartet, dass ein Rahmenabkommen unterschrieben wird, mit dem die Ukraine weitgehende Verpflichtungen einginge, mit ihren Rohstoffen und anderen Einnahmen milliardenschwere US-Hilfe zurückzuzahlen. Dies dürfte auch geschehen, so der Tenor in Kiew aus den vergangenen Tagen.
Wichtiger freilich sind aus Sicht Kiews US-Sicherheitsgarantien für den Fall eines Waffenstillstandes oder Friedensvertrages mit Russland, bei Stationierung westlicher Friedenstruppen, oder die Aufrechterhaltung einer 800 000 Mann starken ukrainischen Armee. Ein formeller Verzicht Kiews auf von Russland eroberte Gebiete – ein Fünftel der Ukraine – gilt als unannehmbar.
Wladimir Putin denkt überhaupt nicht daran, nachzugeben
Bei allen diesen Punkten freilich hat Moskaus Machthaber Wladimir Putin klargemacht, dass er überhaupt nicht ans Nachgeben denkt: „Wir haben nicht vor, das zu tun. Wir müssen für uns eine solche Variante eines Friedens wählen, die uns passt und in langer historischer Perspektive Ruhe für unser Land sichert. Wir geben das unsere nicht ab“, so Putin am 6. März.
Sein Außenminister Sergej Lawrow bekräftigte gleichzeitig, EU-Friedenstruppen der EU seien unannehmbar, weil sie „für Russland das Gleiche bedeuten wie die Anwesenheit der Nato“. Dem lettischen Geheimdienst SAB zufolge werde Russland vorgebliche Friedensgespräche nur als Atempause zu Erholung und neuer Aufrüstung nutzen. Denn viele russische Einheiten sind personell und materiell ausgelaugt, so sagt es etwa ein Bericht des Kriegsforschungsinstitutes ISW.
Russland dürfte Forderungen wiederholen, wie es sie schon 2022 in Istanbul stellte: ukrainische Neutralität, eine Schrumpfarmee von nicht einmal 85 000 Soldaten und eine Anerkennung besetzter ukrainischer Gebiete als russisches Territorium. Zumindest im US-Wahlkampf sagte der heutige US-Chefunterhändler Witkoff, er sehe die Istanbuler Forderungen als Grundlage jeder Einigung.
Am 5. März befahl US-Präsident Trump, der zuvor bereits Waffenlieferungen an die Ukraine gestoppt hatte, auch, der Ukraine keine US-Satellitenbilder oder Spionageerkenntnisse mehr zu überlassen: Diese warnten Kiew vor startenden russischen Flugzeugen und Raketen und lieferten Daten für Angriffe auf russische Stellungen wie weitreichenden US-Artillerie- und Raketensystemen wie Himars.
Trump äußerte Verständnis für russische Luftangriffe
Moskau verschärfte umgehend und mit Erfolg Angriffe auf etwa 10 000 ukrainische Soldaten in der russischen Grenzregion Kursk: Die Ukrainer sind dort mehreren Berichten zufolge möglicherweise vom Einschließen bedroht. Außerdem verstärkte Russland seine nächtlichen Angriffe mit Raketen und Drohnen auf ukrainische Infrastruktur wie Stromwerke.
US-Präsident Trump zufolge soll die US-Sperre von Satellitenaufnahmen und Geheimdienstinformationen an Kiew am Montag aufgehoben worden sein. Zudem tun europäische Alliierte wie Deutschland, die Niederlande oder die EU einiges, um Kiew auch aus anderer Quelle – etwa dem kommerziellen Satellitenbildbetreiber Maxar – mit Aufnahmen zu versorgen.
Von einer Wiederaufnahme von US-Waffenlieferungen aber ist bisher nichts bekannt. Und während Frankreich Kiew kürzlich sechs moderne Mirage-Kampfflugzeuge lieferte und der Verteidigungsminister auch Lieferungen von Granaten oder gepanzerten Fahrzeugen ankündigte, sind zentrale US-Systeme praktisch unersetzbar: vor allem das Raketenabwehrsystem Patriot, in der Ukraine neben dem französisch-italienischen SAMP/T-System als einziges in der Lage, auch ballistische Raketen und mit mehrfacher Schallgeschwindigkeit fliegende russische Raketen abzuschießen.
Und vor Beginn der Gespräche in Dschidda äußerte US-Präsident Trump etwa Verständnis für die verstärkten Raketenangriffe Russlands – die als Kriegsverbrechen gelten – mit dem Kommentar: „Ich denke, er (Putin) tut, was jeder tun würde“. Ohnehin werde die Ukraine womöglich „nicht überleben“, sagte Trump. „Offen gestanden finde ich schwieriger, mit der Ukraine umzugehen“, sagte Trump auch im Weißen Haus. Dem Fernsehsender CNN zufolge wollen sich Trump-Gesandte noch in dieser Woche mit russischen Vertretern treffen – Moskau dementiert dies bisher.