Friedensdiplomatie in Gaza:Steinmeier prescht vor

Außenminister Frank-Walter Steinmeier hat einen Fünf-Stufen-Plan für den Gaza-Streifen vorgestellt. Die Europäer wollen Barack Obama nicht die Initiative für ein Friedenskonzept überlassen.

Daniel Brössler

In den Bemühungen gegen ein Wiederaufflammen der Gewalt in Gaza zieht Deutschland noch vor Amtsantritt der neuen US-Regierung die diplomatische Initiative an sich. In einem der SZ vorliegenden Arbeitsplan wirbt Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier für ein koordiniertes Vorgehen der EU. "Es gibt jetzt eine Zäsur", hieß es aus dem Auswärtigen Amt. Diese müsse auch von der EU genutzt werden. Steinmeier habe das Papier mit dem EU-Außenbeauftragten Javier Solana und dem tschechischen Außenminister Karel Schwarzenberg abgestimmt, hieß es aus dem Auswärtigen Amt. Tschechien hat derzeit die EU-Ratspräsidentschaft inne, ist aber offenbar mit einer aktiven Rolle Deutschlands einverstanden.

Friedensdiplomatie in Gaza: Außenminister Steinmeier während seines Besuchs in Ramallah.

Außenminister Steinmeier während seines Besuchs in Ramallah.

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Die Bemühungen zielen erkennbar auch darauf ab, der neuen US-Regierung nicht die alleinige Initiative zu überlassen. Steinmeier, der während des Gaza-Krieges zwei Mal in die Region gereist war, verfolgt mit dem Arbeitsplan unter anderem das Ziel, der palästinensischen Autonomiebehörde wieder zu mehr Geltung im von der Hamas beherrschten Gaza-Streifen zu verhelfen. An den Vorbereitungen einer internationalen Konferenz für den Wiederaufbau solle sich die EU "in enger Abstimmung" mit der Autonomiebehörde beteiligen, heißt es in dem in Stichworten gehaltenen Papier. Frankreich rief sogar zu einer Konferenz auf, die die Gründung eines palästinensischen Staates vorbereiten solle.

Der deutsche Vorschlag sieht einen fünfstufigen Plan vor, beginnend mit humanitärer Hilfe, etwa der Finanzierung von Medikamenten, Lebensmitteln, Notunterkünften und Treibstoff. Im zweiten Schritt sollen Aktivitäten gegen den Waffenschmuggel unterstützt werden, was einer Hauptforderung Israels entspricht. Im Vorgehen gegen den Waffenschmuggel sieht das Auswärtige Amt Deutschland in einer "Vorreiterrolle", weil Deutschland mit Ägypten bereits zu einer Vereinbarung gekommen sei. Eine Delegation aus vier Experten des Innenministeriums und einem Vertreter des Auswärtigen Amtes soll in Kürze nach Ägypten aufbrechen und dort sondieren, wie das Land beim Kampf gegen den Schmuggel von Waffen durch das verzweigte Tunnelnetz an der Grenze zu Gaza unterstützt werden kann.

Im Arbeitspapier der Berliner Diplomaten ist von "Training und Förderung" ägyptischer Sicherheitskräfte die Rede. Dies ist heikel, weil Ägypten Wert auf die Wahrung seiner Souveränität legt, während Israel auf eine Mission hofft, die auch überwachend tätig ist. Die Öffnung von Grenzübergängen, der Wiederaufbau in Gaza und im letzten Schritt eine Wiederaufnahme des Friedensprozesses werden in dem Steinmeier-Papier als weitere Bereiche genant, in denen sich die EU koordiniert engagieren soll.

Die Initiative Steinmeiers folgt auf einen eintägigen Kurzbesuch von Kanzlerin Angela Merkel in der Region. In der Nahost-Politik gibt es zwischen Kanzlerin und Kanzlerkandidat keine Differenzen, aber offenbar einen Wettbewerb um mediale Aufmerksamkeit. Steinmeier stellte sein Konzept auch im SPD-Präsidium vor und erhielt dort nach Angaben von Teilnehmern volle Unterstützung. Steinmeiers Beitrag für eine Lösung der Konflikte im Nahen Osten werde anerkannt. Der gemeinsame Auftritt von Bundeskanzlerin Merkel mit dem französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy und anderen europäischen Regierungschefs am Sonntagabend in Ägypten sei dagegen "etwas belächelt worden".

König Abdullah von Saudi-Arabien forderte Israel unterdessen auf, das von ihm bereits vor mehreren Jahren vorgeschlagene arabische Friedensangebot anzunehmen. "Der arabische Vorschlag liegt nicht mehr lange auf dem Tisch", drohte er während eines Gipfeltreffens der Arabischen Liga in Kuwait. Das Angebot, das 2002 in Beirut von allen Staaten der Liga akzeptiert worden war, bietet Israel die Aufnahme normaler Beziehungen zu den arabischen Staaten an, falls sich der jüdische Staat aus allen Gebieten zurückziehen sollte, die er im Sechs-Tage-Krieg 1967 besetzt hat. Die Angriffe der israelischen Armee im Gaza-Streifen in den vergangenen Wochen bezeichnete der König als "gnadenlos".

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