Auch über Ostern ließen die Schülerinnen und Schüler nicht locker, viele trafen sich am Karfreitag zum Protest. Nach den Ferien soll es erst recht weiter gehen. Aber wie reagieren die Parteien auf die Bewegung "Fridays for Future"? Das Spektrum reicht von Umarmung bis Ablehnung. Einige Parteien scheinen noch auf der Suche nach einer Meinung zu sein.
CDU
Es ist erstaunlich, wie lange die CDU manchmal braucht, bis sie den richtigen Ton trifft. Das hat sich in der Debatte um die Upload-Filter gezeigt. Und es zeigt sich auch im Umgang mit Greta Thunberg und der Fridays-for-Future-Bewegung. Klug wäre es gewesen, die Jugendlichen ernst zu nehmen, sich über ihr Engagement zu freuen, sachlich über ihre Forderungen zu debattieren - und wo nötig zu streiten. Aber CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak entschied sich erst mal für Spott. Er twitterte am 9. Februar: "Greta Thunberg findet deutschen Kohlekompromiss 'absurd' - Oh, man ... kein Wort von Arbeitsplätzen, Versorgungssicherheit, Bezahlbarkeit. Nur pure Ideologie. Arme Greta!" Ziemiak erntete einen Shitstorm - und die Union hatte ein Problem.
CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer war zwar von Anfang an differenzierter als ihr Generalsekretär. Sie beklagte, dass die Jugendlichen während der Schulzeit demonstrieren, begrüßte aber den Einsatz für den Klimaschutz. Doch auch sie verzichtete nicht auf Polemik. Auf dem Deutschlandtag der Jungen Union (JU) sagte sie unter dem Jubel der Parteijugend, dass sie ihren eigenen Kindern keine Entschuldigung geschrieben hätte, wenn sie an den Demonstrationen teilgenommen hätten. Sie hätte auch keinen Nachhilfeunterricht bezahlt, um versäumten Stoff aufzuholen. Wer alt genug zum Demonstrieren sei, der sei "auch alt genug, um sich auf den Hosenboden zu setzen, um den Stoff nachzuholen".
Inzwischen hat die CDU gemerkt, dass ihr so ein Umgang mit Fridays for Future mehr schadet als hilft. Das Präsidiumsmitglied Mike Mohring hat die JU aufgefordert, auf die Jugendbewegung zuzugehen. Und Paul Ziemiak hat angekündigt, Jugendliche, die sich für den Klimaschutz einsetzen, in die CDU-Zentrale einladen zu wollen. Aber selbst bei dieser Ankündigung meinte der Generalsekretär, nicht auf eine Spitze verzichten zu können. Es könne sein, dass der Termin "außerhalb der Schulzeit" sei, sagte Ziemiak. Er hoffe, es gebe dann "trotzdem noch genügend Gesprächsbereitschaft". Robert Roßmann
CSU
Schule schwänzen, das wird in der CSU nicht besonders gern gesehen, schließlich steht die Partei für Recht und Ordnung. Weil sie nach einer mäßig erfolgreichen Landtagswahl und einem erfolgreichen Volksbegehren für den Artenschutz aber neuerdings auch für Umwelt- und Klimaschutz stehen will, hält sie sich mit Kritik an den Demos zumindest aus der ersten Reihe zurück. Bayerns Ministerpräsident und CSU-Chef Markus Söder etwa sagte jüngst, er finde, man könne auch am Nachmittag demonstrieren. Entgegen kommt der CSU, dass sowohl der Bildungs- wie auch der Umweltminister in Bayern vom Koalitionspartner Freie Wähler gestellt werden. Ersterer muss sich damit beschäftigen, ob der Schulstreik geahndet werden soll (er stellt es den Schulleitern frei), zweiterer lud ausgewählte Jugendliche zu zwei Klimakonferenzen. Die galten als mäßig erfolgreich, die Teilnehmer waren nicht sehr zufrieden. Und die CSU fein raus. Katja Auer
SPD
In der SPD läuft die Annäherung an Fridays for Future hinter den Kulissen seit längerer Zeit, auf behutsame Art. Am 14. Februar hat die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer eine Delegation der jungen Protestierer in die Staatskanzlei eingeladen, ohne großen Presseauftritt. Es sollte nicht nach Anbiederung aussehen. In einem Brief an die Mainzer Gruppe schrieb sie: "Genauso, wie Eure Proteste für die nötige Aufmerksamkeit sorgen und damit dem Thema mehr Bedeutung geben, könnt Ihr Euch durch konkrete Ideen aktiv in den Klimaschutz einbringen." Das Klimaschutzkonzept des Landes wird in diesem Jahr überarbeitet. Die Landeschefin will, dass sich die jungen Leute an diesem Prozess beteiligen.
"Wir erleben gerade den Beginn einer globalen Umweltbewegung", sagt Malu Dreyer. Dass es Kinder und Jugendliche sind, beeindrucke sie: "Es zeigt, dass sie - entgegen landläufiger Vorurteile - sehr politisch sind." Sie warnt: "Wir würden als verantwortungsvolle Politiker einen großen Fehler machen, wenn wir sie beklatschen, aber nicht ernst nehmen."
Deshalb sagt auch SPD-Chefin Andrea Nahles an die Adresse der Fridays-for-Future-Bewegung: "Lasst uns über eure Vorschläge reden." Sie betrachtet die Bewegung als Verbündeten: "Starkes Engagement auf der Straße hilft, die Klima-Blockierer zum Handeln zu bewegen." Die Schülerinnen und Schüler würden "ein Schlaglicht auf ein ganz zentrales Zukunftsthema" werfen. Auf politischer Ebene erhöhe das "den Druck im Kessel". Nahles hat das Jahr 2019 zum Jahr der Klimaschutzgesetze ausgerufen. Den CO₂-Verbrauch zu bepreisen, darüber etwa will sie mit den jungen Leuten ins Gespräch kommen. "Ein Angebot", nennt sie das. Ihnen einfach nach dem Mund reden will sie jedoch nicht: "Wir suchen nach einer Variante, die sozial gerecht ist. Das ist für uns ein wichtiger Maßstab." Mike Szymanski
AfD
Die AfD bezweifelt, dass der Mensch den jüngsten Klimawandel maßgeblich beeinflusst hat oder gar steuern könnte. Fraktionschef Alexander Gauland spricht von "Klimahysterie". Im Bundestag nannte der Abgeordnete Marc Jongen in einer Debatte über die Fridays for Future Greta Thunberg ein "krankes Kind", das in einer von Erwachsenen "professionell inszenierten Kampagne" missbraucht werde. Die Energiewende bezeichnete er als "wahnhafte, infantile Politik". Die AfD will, dass die Missachtung der Schulpflicht in jedem Fall geahndet wird. Jens Schneider
Grüne
Fridays for Future, das ist für die Grünen fast wie eine Frischzellenkur. Die Partei, einst als Ein-Generationen-Projekt bespöttelt, profitiert von den Klimaprotesten. "Ich bewundere die Dynamik und den Schwung, den die Fridays-for-Future-Bewegung erzeugt hat", sagt Grünen-Chefin Annalena Baerbock. "Und zugleich", schiebt sie hinterher, "gibt es natürlich unterschiedliche Rollen." Nähe ja, aber keine Anbiederung, das ist die Losung.
"Wir als grüne Jugend arbeiten eng mit Fridays for Future zusammen, da wir gemeinsame Ziele teilen", sagt die Sprecherin der Grünen Jugend, Ricarda Lang. "Mal ein Lastenrad abstellen oder die Mikrofonanlage ausleihen - klar dürfen die das." Finanzielle Unterstützung hingegen sei tabu, Paternalismus ebenso. "Alle Parteien, auch die Grünen, müssen aufpassen, nicht in einen Lobmodus zu verfallen", sagt Lang. "Die jungen Leute gehen ja nicht auf die Straße, um sich einen Klopfer auf die Schulter abzuholen, sie wollen Veränderung sehen." Bei Fridays for Future hält sich die Bewunderung für die grüne Klimapolitik ohnehin in Grenzen. Ein Ausstieg aus der Braunkohle bis 2038, der Kompromiss der Kohlekommission, gilt als zu unambitioniert. Sie nehme das als "Ansporn", sagt Parteichefin Baerbock. Constanze von Bullion
FDP
Eines wird der FDP niemand nachsagen können: dass sie sich angebiedert hätte an die demonstrierenden Schüler. Eher wirkte es, als wolle FDP-Chef Christian Lindner die jungen Demonstranten unbedingt gegen sich aufbringen, als er sagte, von Kindern und Jugendlichen könne man "nicht erwarten, dass sie bereits alle globalen Zusammenhänge, das technisch Sinnvolle und das ökonomisch Machbare sehen". Das sei "eine Sache für Profis". Zwar folgte die Klarstellung, mit Profis seien nicht Politiker gemeint, sondern Wissenschaftler, aber der Eindruck blieb. Die FDP sucht nicht die Annäherung an die jungen Demonstranten, sondern die Abgrenzung.
Darüber sind nicht alle in der Partei glücklich. Bei einem Kongress der Jungen Liberalen lobte deren Vorsitzende Ria Schröder die Freitagsproteste ausdrücklich. Sie steckten "voller Energie" und auch das Anliegen sei richtig. Gegen die Proteste an sich habe man auch gar nichts, betont der Parlamentarische Geschäftsführer der FDP, Marco Buschmann. "Aber bei der Frage, wie wir es machen, brauchen wir technischen Sachverstand." Das passt dazu, dass die FDP sich in Abgrenzung von den Grünen profilieren will. Die Lösung liege im technischen Fortschritt, nicht in Einschränkungen, lautet die Botschaft, die auch beim Parteitag, der am kommenden Freitag beginnt, verkündet werden soll.
Bei den jungen Demonstranten will sich Christian Lindner aber partout nicht beliebt machen. Bei einer von Kölner Stadt-Anzeiger und Rheinischer Post organisierten Diskussion mit Schülern verglich er die Freitagsproteste mit der Kampagne "Refugees welcome" (Flüchtlinge willkommen) von 2015. Die damals "emotional geführte Debatte" solle man doch bitte nicht in der Klimapolitik wiederholen. Daniel Brössler
Linke
"Das ist für mich ein historischer Moment", sagt Lorenz Gösta Beutin, der klimapolitische Sprecher der Linken im Bundestag. Eine große politische Bewegung von Schülern habe es bisher in der Geschichte der Bundesrepublik nicht gegeben. Und die Linke macht sich die Forderungen der Schüler zu eigen. Beutin will sie "in den Bundestag hineintragen". Eine Gruppe von Schülern war zu Gast bei der Linken-Fraktion und hat dort ihre Forderungen vorgestellt. Wenn Beutin zu den Sitzungswochen des Parlaments in Berlin ist, schaut er bei der Demo der Schüler am Freitag vorbei. "Die Schülerinnen und Schüler haben ihre Hausaufgaben gemacht", sagt er über die Bewegung, "sie kennen die wissenschaftlich fundierte Sachlage". Für Beutin sind die Forderungen der Schüler "keine Wünsch-dir-was-Liste" für eine bessere Welt, er nennt sie "einen notwendigen Weckruf an die tatenlose Bundesregierung". Jens Schneider