Es ist der erste große Klimastreik seit einem halben Jahr, das Superwahljahr hat begonnen und die Stimmung könnte besser sein. "Wir müssen darüber reden, dass die Politik komplett versagt", fordert eine Schülerin. Sie ist 16, steht auf einer kleinen Bühne vor dem Staatstheater von Stuttgart und muss jetzt mal ihren Frust loswerden. Seit mehr als zwei Jahren engagiere sie sich bei "Fridays for Future", längst habe sie gemerkt, dass das kein entspanntes Hobby ist. Nun wäre doch mal die Politik gefragt: "Wir möchten eine normale Kindheit und Jugend verbringen - ohne Aktivismus und ohne ständige Angst ums Überleben."
Es war gerade die Wucht ihres massenhaften Auftretens, mit der Jugendliche das Thema Klimaschutz vor zwei Jahren ganz oben auf die politische Tagesordnung gesetzt haben. Dann hat die Corona-Krise die Prioritäten in der Politik verschoben hat. Nun will die Klimaschutzbewegung "Fridays for Future" wieder mehr Präsenz auf der Straße zeigen. Weltweit haben Jugendliche und junge Erwachsene am Freitag für das Ziel demonstriert, den globalen Temperaturanstieg auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen.
"Fridays for Future":"Die Klimakrise macht auch in der Corona-Pandemie keine Pause"
Die Aktivistin Carla Reemtsma und ihre Mitstreiter von "Fridays for Future" rufen zum siebten globalen Klimastreik auf. Trotz sinkender Emissionen mache Corona im Kampf gegen die Klimakrise gar nichts besser, mahnt sie.
In Deutschland, wo in diesem Jahr mehrere Landtage und der Bundestag gewählt werden, waren Aktionen in mehr als 200 Städten geplant. Es gab Kundgebungen, die zum Teil online übertragen wurden, Fahrradumzüge, Plakataktionen, Straßengemälde. In Berlin haben Aktivisten die Oberbaumbrücke mit dem Schriftzug "Another world is possible" versehen.
"Wir zeigen unsere Schlagkraft heute auf vielfältige und kreative Weise", sagt Cosima Rade. Die 18-Jährige hat den Klimastreik in Stuttgart mit organisiert. Das Team hat Kinder gebeten, Wünsche aufzuschreiben und in Flaschen zu verpacken. Während der Demo werden die zu Buchstaben gruppiert: "No more empty promises" (Keine leeren Versprechungen mehr), das Motto des globalen Klimastreiks.
Eine "Klimagerechtigkeitskoalition" soll her
"Wir sind da - auch wenn's nicht immer physisch ist", ruft Nisha Toussaint-Teachout von der Bühne. Sie ist 21, Studentin und ebenfalls Mitglied des Organisationsteam. Etwa 300 Leute haben sich trotz Corona und des nieselkalten Wetters versammelt. Zwei 15-Jährige sind mit der S-Bahn aus einem Vorort angereist, ein Mädchen mit Greta-Zöpfen ist auch da. Vier Studierende, die zusammen in einer WG leben, sind ein bisschen enttäuscht, dass Unbeteiligte nichts von der Demo mitbekommen, weil der Platz vor dem Staatstheater so abgelegen ist.
Was außerdem fehlt, ist die Energie, die sonst auf Freitagsdemos durch die Menge geht. Nisha Toussaint-Teachout empfindet das ähnlich. "Was wir gut können, sind Massenproteste." Genau das sei aber momentan nicht möglich. Aber, so versichert sie: "Die Energie ist immer noch da." In Stuttgart habe "Fridays for Future" großen Zulauf. "Wir haben uns seit September mehr als verdoppelt."
In Baden-Württemberg hatten "Fridays for Future"-Aktivisten kritisiert, dass der Klimaschutz aus ihrer Sicht im Wahlkampf kaum eine Rolle gespielt hat. Der Streik soll nun noch einmal Druck auf die Landespolitiker ausüben. "Wir fordern eine Klimagerechtigkeitskoalition", sagt Rade. "Wir fordern, dass jetzt in den Sondierungsgesprächen und dann in den Koalitionsverhandlungen ein krisenfester Plan für eine 1,5-Grad-konforme Politik festgelegt wird, und dass das Klima und die Klimagerechtigkeit absolute Priorität haben."