Bis vor Kurzem waren sich die Verantwortlichen der "Fridays for Future"-Bewegung noch einig, keine konkreten Forderungen formulieren zu wollen. Nun haben sie sich doch dazu entschlossen und fordern bei einer Pressekonferenz am Montag "die Einhaltung der Ziele des Pariser Abkommens und des 1,5-Grad-Ziels".
Ausgesucht haben sie sich für die Pressekonferenz nicht irgendeinen Ort: den Sauriersaal im Berliner Museum für Naturkunde. Dinosaurier, das ist bekannt, sind vor Millionen Jahren einer Klimaumwälzung zum Opfer gefallen. Um ihre Forderungen zu untermauern, stehen die vier Jugendlichen, die sie vortragen, deshalb vor dem Skelett eines Brachiosaurus: Deutschland soll den Treibhausgasausstoß bis 2035 auf null senken, bis dahin soll die Bundesregierung zu hundert Prozent auf erneuerbare Energieversorgung umgestellt haben, und der Kohleausstieg soll schon bis 2030 vollzogen sein.
Linus Steinmetz, der die Forderungen gemeinsam mit drei anderen Mitstreitern vorstellt, macht klar: "Unsere Forderungen richten sich an die Politik, nicht an die Konsumenten." Bewusst enthalte das Papier deshalb auch nur Ziele, keine Maßnahmen. Sich diese zu überlegen, sei Aufgabe der Politiker.
"Wenn wir uns Klimaschutz durch den Verlust unseres Wohlstands erkaufen, werden die Schwellen- und Entwicklungsländer uns nicht folgen", hält Lukas Köhler den Forderungen entgegen. Köhler ist klimapolitischer Sprecher der FDP-Fraktion und sagt, er unterstütze das Engagement der Jugend zwar, halte aber radikale Forderungen für "extrem schädlich".
Die Bewegung kann derzeit bis zu 25000 Menschen in einer Stadt mobilisieren
Erarbeitet wurden die Forderungen von den 101 Mitgliedern der Arbeitsgruppe (AG) "Grundsatz" in den vergangenen drei Monaten. Zwei Telefonkonferenzen pro Woche, die jeweils zwischen vier und sechs Stunden gedauert hätten, lägen hinter ihnen, erzählt Robin Prinz. Der 20 Jahre alte Wirtschaftsinformatikstudent aus Stuttgart gehört zum Kernteam. Die Pressekonferenz in Berlin hat er mit neun anderen auf die Beine gestellt, zusammen mit Lucie Weber, 22, koordiniert er nun Interviews mit den vier Mitstreitern, die stellvertretend für den Rest das Papier vorgestellt haben. Das deutsche Gesicht der Bewegung, Luisa Neubauer, ist dieses Mal nicht unter ihnen.
Das, sagt Weber, sei eine bewusste Entscheidung gewesen. Neubauer sei eine "fantastische Rhetorikerin". Aber zum einen müsse sie auch mal entlastet werden, zum anderen gehe es um die Sache und nicht um einzelne Personen. Deshalb, so die Biologiestudentin aus München, würden jene die Forderungen vorstellen, die sich in der AG auch intensiv mit dem Thema beschäftigt hätten. "Wir wollen die Debatte auf den Inhalt lenken."
Neben der AG "Grundsatz" gibt es noch zehn weitere solcher Gruppen zu Themen wie Struktur und Social Media, aber auch zu Diversity und Sicherheit. Wer mitarbeiten wolle, der könne sich einfach an die Delegierten der jeweiligen Ortsvereine wenden, sagt Weber. Diese Delegierten würden basisdemokratisch gewählt. Bei der Gründung einer neuen Ortsgruppe sei es aber anfangs zumeist der Gründer, sagt Prinz. Die Delegierten wählen sich jeden Sonntag in eine Telefonkonferenz ein, um Themen zu besprechen.
Natürlich seien nicht immer alle bei diesen Konferenzen dabei. Denn alle, das wären über 400 Delegierte. So viele Ortsgruppen gibt es nämlich mittlerweile. Eine deutschlandweite Gruppe sowie Gruppen für die einzelnen Bundesländer sind da noch gar nicht mitgezählt. Alle haben mindestens eine Whatsapp- oder Telegram-Gruppe. In manchen Städten, so wie etwa in München, gebe es sogar elf solcher Chatgruppen, sagt Weber. Der Grund: In einer Gruppe können bei Whatsapp nicht mehr als 256 Mitglieder gleichzeitig sein.
"Fridays for Future" ist als Schülerbewegung gestartet, mittlerweile sind aber auch viele Studenten aktiv. "Students for Future" wolle man trotzdem nicht gründen, sagt Weber. Es sei vielmehr wichtig, noch mehr Menschen zu erreichen - ungeachtet ihres Bildungsgrades oder Alters. In der Zusammenarbeit merke man häufig sowieso gar nicht, ob man sich mit einem 14-Jährigen oder einer 26-Jährigen unterhalte, so Weber.
Aktuell kann die Bewegung bis zu 25 000 Menschen in einer Stadt mobilisieren. So viele waren es zuletzt in Berlin vor zwei Wochen, als sich Greta Thunberg der freitäglichen Demonstration anschloss. Weber ist klar, dass es so viele nicht dauerhaft sein werden. Trotzdem ist sie zuversichtlich, dass die Bewegung nicht bis Ende des Jahres eingeschlafen sein wird - nicht in Deutschland, nicht in Europa und auch nicht weltweit. "Wir werden dafür sorgen, dass die Europawahl eine Klimawahl wird", sagt Weber. Neben der Wahl im Mai bereite man sich zudem auf die UN-Klimakonferenz in Chile im Dezember vor. "Jetzt ist unsere Chance", sagt Weber.