Fridays for Future:"Das ist unfair und macht mich wütend"

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Der Klimawandel betrifft bisher viele Länder stärker als Europa. Die Auswirkungen bestimmen dort das tägliche Leben. Zum "globalen Klimastreik" am Freitag erzählen Aktivistinnen, was sie fordern.

Von Nadja Schlüter, Brüssel

Auf der ganzen Welt haben am Freitag Hunderttausende Jugendliche und Kinder für eine radikale Umkehr in der Klimapolitik demonstriert. In mehr als 110 Staaten waren Proteste zum zweiten globalen Klimastreik angekündigt worden. Allein in Deutschland waren in mehr als 200 Städten Zehntausende auf der Straße. "Wir machen die Europawahl zur Klimawahl!", lautete das Motto. Jetzt.de hat mit Aktivistinnen aus Costa Rica, Ghana, Uganda und Indien über die Auswirkungen des Klimawandels in ihren Ländern, die Verantwortung der Industriestaaten und den Klimastreik gesprochen. Auszüge aus den Protokollen:

Ellen Lindsay Awuku, 26, Ghana

"Wenn ich nach Deutschland schaue, sehe ich, dass dort eine große Klimabewegung entstanden ist, und das inspiriert uns. Macht weiter damit! Im März haben wir in Ghana den ersten Protest organisiert. Wir bekommen den Klimawandel hier bereits zu spüren. Eigentlich haben wir hier regelmäßige Trocken- und Regenzeiten, aber mittlerweile regnet es auch, wenn keiner damit rechnet, oder es regnet eben gar nicht. Viele Folgen des Klimawandels sind indirekt, denn alles ist miteinander verbunden. In Ghana leben zum Beispiel viele Menschen von der Landwirtschaft und der Fischerei. Sie sind vom Wetter abhängig, können sich aber nicht mehr darauf verlassen, weil es unberechenbar geworden ist. Dadurch ist es zu einer sehr starken Migration in die Städte gekommen, wo vor allem junge Menschen nach Jobs suchen.

Hier in Accra gibt es nicht mehr genug Wohnraum für alle, viele Menschen werden in Slums gedrängt, konkurrieren um Arbeitsplätze und tragen zusätzlich die Last, dass sie ihre Familien auf dem Land mit versorgen müssen. Vor allem junge Frauen werden durch Armut in die Prostitution gezwungen. Bildung kann ein Ausweg sein und das Bildungssystem in Ghana ist gratis - aber wenn du ansonsten kein Geld in der Tasche hast, fehlt dir die Ruhe, im Klassenzimmer zu sitzen und zu lernen.

Die Zukunft gehört den jungen Menschen! Das bedeutet aber auch, dass sie eine größere Last zu tragen haben, je nachdem, wie ihnen die Erde von den älteren Generationen übergeben wird. Wir müssen gemeinsam für die Zukunft kämpfen, die wir haben wollen. Und das nicht nur mit Streiks: Auch jeder Einzelne muss weniger konsumieren und weniger Energie verbrauchen. Wir kämpfen gegen die Uhr."

Ellen Lindsay Awuku arbeitet als nationale Koordinatorin für "Young Reporters for the Environment" in Ghana.

Sofía Leser, 24, Costa Rica

"Streiken ist für Schüler in Costa Rica etwas ganz Neues. Als ich im Februar und März dort war, war für den weltweiten Streik am 15. März nichts geplant und eine Freundin und ich haben eine Demo organisiert. Wir haben uns vor dem Parlamentsgebäude in San José getroffen. Es kamen 20 Leute - 15 davon waren Austauschschüler aus Deutschland, das fand ich erstaunlich. Der Schulstreik fürs Klima ist in Costa Rica zwar noch nicht groß, aber viele junge Menschen sind aktiv im Umweltschutz. Sie sammeln Müll, pflanzen Bäume, sprechen in der Schule viel über das Thema. Auch ich war vor meinem Umzug sehr engagiert, jetzt lebe ich in Heidelberg und bin bei ,Extinction Rebellion' aktiv, bei den legalen Aktionen wie etwa den Kundgebungen.

Costa Rica ist beim Umweltschutz gar nicht schlecht. Die Regierung thematisiert den Klimawandel stark, und schon heute ist unsere Energie zu fast 100 Prozent erneuerbar. Präsident Carlos Alvarado Quesada sagt, dass das Land bis 2050 komplett auf fossile Brennstoffe verzichten wird. Das ist gut, bringt aber kaum was, denn ich habe gelesen, dass Zentralamerika für nur 0,5 Prozent der weltweiten Emissionen verantwortlich ist. Obwohl Costa Rica so viel richtig macht, wird es die Konsequenzen des Klimawandels tragen müssen. Das ist unfair und macht mich wütend.

Wir müssen uns bewusst machen, dass wir alle gemeinsam in einer Welt leben. Wenn ich in Deutschland etwas mache, hat das Folgen für Menschen in anderen Ländern. Darum können wir nicht in Grenzen denken, sondern müssen ein Weltbürgerinnenprinzip verfolgen, um die Umwelt zu retten, die wir noch haben."

Sofía Leser ist vor sechs Jahren zum Studium von Costa Rica nach Deutschland gezogen. Sie hat den ersten "Fridays for Future"-Streik in Costa Rica organisiert.

Manisha, 14, Indien

"In Indien gibt es durch den Klimawandel Extremwetter, neulich erst hat es morgens sehr stark geregnet und ich habe mich gefragt, wo all die Menschen hingehen, die hier auf der Straße leben. Andererseits ist auch die Hitze in Delhi kaum auszuhalten. Auch die Umweltverschmutzung ist sehr schlimm, wenn du draußen bist, ist es, als würdest du den ganzen Tag rauchen. Das Wasser ist ebenfalls verschmutzt. All das macht die Menschen krank, sie kriegen etwa Asthma oder Hautausschläge.

Die Regierung tut nichts dagegen. Sie interessiert sich nicht für uns und nicht für die Umwelt, nur dafür, die Wahlen zu gewinnen. Eine grüne Partei in Indien wäre ein großer Schritt! Aber es dürfte schwer werden, eine zu gründen. Wenn du sagst, dass du dich für Umweltschutz interessierst, sagen dir die Erwachsenen, dass du dich um deine Karriere kümmern sollst. Sie verstehen nicht, dass der Klimawandel auch für sie Konsequenzen haben wird."

Manisha ist Schülerin und lebt in Delhi. Sie ist im Verein PRATYeK und der angeschlossenen Kampagne "NINEISMINE" für Kinderrechte und die politische Partizipation von Kindern und Jugendlichen aktiv.

Nakabuye Hilda Flavia, 22, Uganda

"Ich war die erste Klima-Streikende in Kampala, nach und nach haben sich mir etwa zehn Leute angeschlossen. Mittlerweile waren wir an zwölf Highschools, zwei Unis und in Umweltclubs, um mit den Schülern und Studierenden dort über ,Fridays for Future' zu sprechen.

In Uganda steigen die Temperaturen, es ist oft sehr heiß und die Ernten vertrocknen. Dadurch ist unsere Ernährung nicht gesichert und Menschen verhungern. Entweder es regnet nicht oder es regnet zu viel: Kürzlich hatten wir extreme Regenfälle, Ausläufer der Zyklone an der afrikanischen Ostküste haben unser Land getroffen. Bisher hat die Regierung auf unsere Forderungen nicht reagiert. Aber wir werden nicht aufhören zu protestieren und hoffen, dass sie uns irgendwann zuhört."

Nakabuye Hilda Flavia studiert Logistik an der Internationalen Universität Kampala und ist Campaignerin für "Green Climate Campaign Africa".

© SZ vom 25.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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