Süddeutsche Zeitung

Fremdenfeindlichkeit:Tolerant - und für die Obergrenze

Eine Studie zeigt, dass eine Mehrheit der Deutschen nichts gegen Flüchtlinge hat. Trotzdem sympathisieren einige mit abwertenden Äußerungen.

Von Jan Bielicki

Trotz der Flüchtlingskrise hat sich die große Mehrzahl der Deutschen einer Studie zufolge bisher nicht in fremdenfeindliche Einstellungen treiben lassen. Die Zustimmung zu Aussagen, die sich gegen Fremde und Menschen anderer Hautfarbe, gegen Muslime, Juden, Sinti und Roma richten, hat in den vergangenen Jahren sogar tendenziell abgenommen. Das geht aus einer am Montag von der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung veröffentlichten Untersuchung hervor. Allerdings äußerte sich fast jeder fünfte Befragte zustimmend zu fremden- oder muslimfeindlichen Aussagen. Jeder Zweite stimmte Sätzen zu, in denen eine abwertende Haltung zu Asylbewerbern zum Ausdruck kommt.

Eine deutliche Mehrheit der gut 2000 Befragten sah den Zuzug der Asylsuchende freilich eher gelassen. 55 Prozent von ihnen fanden es sogar gut, dass Deutschland so viele Flüchtlinge aufgenommen hat, nur 20 Prozent lehnten diese Aussage ab. Und nur eine Minderheit von fünf Prozent fühlte sich von den Flüchtlingen in ihrer persönlichen Lebensweise bedroht. Etwa 53 Prozent stimmten aber zugleich der von der CSU erhobenen Forderung nach einer Obergrenze bei der Aufnahme von Flüchtlingen zu, 34 Prozent lehnten das ab. Dabei neigten vor allem Befragte mittleren Alters mit niedrigem Einkommen und niedriger Schulbildung zu einem ablehnenden Blick auf die Zuwanderer. Für die Sicht auf Flüchtlinge erwies sich laut den Autoren der Studie eher die politische Haltung als wichtig, mehr als Einkommen oder Bildung: Wer politisch rechts der Mitte steht, bewertet deren Aufnahme negativ.

In der sogenannten Mitte-Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung untersuchen Wissenschaftler alle zwei Jahre, wie weit rechtsextreme und menschenfeindliche Meinungen in der Bevölkerung verbreitet sind. Ein weiteres Ergebnis der diesjährigen Untersuchung: Den klassisch rechtsextremen Denkmustern wie Ausländerfeindlichkeit, Antisemitismus oder dem Wunsch nach einer Diktatur folgte nur eine kleine - und klein bleibende - Minderheit. Verschwörungstheorien und Opfermythen, wie sie Neurechte und Rechtspopulisten fördern, waren jedoch weit verbreitet: Fast 43 Prozent der Befragten meinten, dass die Regierung der Bevölkerung die Wahrheit verschweige. 40 Prozent sahen das Land durch den Islam unterwandert. Und 32 Prozent stimmten der Aussage zu, man müsse sich wehren "gegen die aktuelle Politik".

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Quelle:
SZ vom 22.11.2016
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