Fremdenfeindlichkeit:Gewalt gegen Flüchtlinge alarmiert BKA

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Ein Brand machte diese geplante Flüchtlingsunterkunft unbewohnbar. (Foto: Dettenmeyer/dpa)
  • Das Bundeskriminalamt warnt vor schweren Gewalttaten aus dem rechten Spektrum. Als Ziel nennt das Amt beispielsweise Politiker oder Betreiber von Flüchtlingsunterkünften.
  • Auch Personen, die vom Äußeren her für Asylbewerber gehalten würden, könnten verstärkt Opfer werden.
  • Die Lagebewertung des Amtes entstand nur wenige Tage vor dem Anschlag auf die Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker.

Von Lena Kampf und Georg Mascolo, Berlin

Das Bundeskriminalamt warnt angesichts des starken Zustroms von Flüchtlingen vor weiteren schweren Gewalttaten. Nach Informationen von Süddeutscher Zeitung, NDR und WDR befürchtet die Behörde, dass auch Betreiber von Unterkünften und Politiker ins "Zielspektrum entsprechend fremdenfeindlich motivierter Täterkreise" geraten könnten. Das ergibt sich aus einer vertraulichen Lagebewertung, die wenige Tage vor dem Anschlag auf die inzwischen gewählte Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker entstand.

Es sei davon auszugehen, dass die rechte Szene ihre "Agitation" gegen die Asylpolitik weiter verschärfe, schreibt das BKA. Das ansonsten "sehr heterogene rechtsextremistische Spektrum" finde hier einen "ideologischen Konsens". Das BKA rechnet auch mit neuen Formen, etwa der Blockade von Bahnstrecken und Autobahnen, um die Ankunft weiterer Flüchtlinge zu verhindern. Auch Personen, die vom Äußeren her für Asylbewerber gehalten würden, könnten verstärkt Opfer werden.

Inzwischen steigen laut der BKA-Analyse die Angriffe auf Asylunterkünfte weiter stark an. In den ersten drei Quartalen dieses Jahres waren es 461 Taten, bei denen die Behörde einen rechten Hintergrund annimmt. Damit hat sich die Zahl der Delikte gegenüber dem gesamten Vorjahr mehr als verdoppelt. Das BKA hat auch den Hintergrund der bisher ermittelten Tatverdächtigen beleuchtet: 228 sind namentlich bekannt, 14 von ihnen begingen gleich zwei oder drei solcher Straftaten. 167 stammen aus der Nachbarschaft. Weitere 38 lebten gerade einmal 20 Kilometer vom Tatort entfernt.

Zwischen 20 und 25 Jahren alt und selten unter Alkoholeinfluss

Die Täter seien zumeist zwischen 20 und 25 Jahren alt und stünden nur selten unter Alkoholeinfluss. 42 Prozent von ihnen handelten alleine, in 49 Prozent der Fälle sei es eine Gruppe von zwei bis fünf Tätern gewesen. Mehr als die Hälfte von ihnen gilt als "polizeilich bekannt", ein Drittel der Tatverdächtigen fiel bereits dem Staatsschutz auf - etwa wegen Volksverhetzung.

In Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Verfassungsschutz hat das BKA feststellen können, dass sich 34 Prozent der Tatverdächtigen einer rechtsextremistischen Szene zuordnen lassen. Darunter zählen die Behörden rechte Subkulturen, Autonome Nationalisten und freie Kameradschaften. Bei 18 Prozent der Tatverdächtigen gibt es Erkenntnisse über einen Bezug zu einer rechtsextremistischen Organisation, zum Beispiel durch eine Mitgliedschaft. Hinweise, dass rechtsradikale Parteien die Straftaten anordnen oder lenken, ließen sich bisher nicht belegen.

Die Mehrzahl der Angriffe richtet sich vor allem gegen bereits bewohnte oder im Bau befindliche Unterkünfte. Neben Brandstiftung griffen die Täter zu Waffen wie Zwillen mit Stahlkugeln und Holzknüppeln sowie Buttersäure. Die meisten Angriffe hat das BKA im August 2015 verzeichnet. Nordrhein-Westfalen führt mit 121 Delikten die Statistik an, Sachsen folgt mit 57 Straftaten. Mit Sorge vermerkt das BKA, dass es angesichts der steigenden Flüchtlingszahlen noch sehr viel mehr solcher Einrichtungen und damit "Tatgelegenheiten" geben werde.

© SZ vom 22.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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