Fremdenfeindlichkeit:Friedman beklagt zögerliche Reaktionen

Vor dem Hintergrund der jüngsten ausländerfeindlichen Gewalttaten erhebt der Publizist Michel Friedman Vorwürfe gegen Politiker im Osten Deutschlands: Sie seien vorwiegend nicht bereit, im Kampf gegen den Rechtsradikalismus eine Vorreiterrolle zu übernehmen, sondern ignorierten das Problem vielmehr.

Vor dem Hintergrund der jüngsten fremdenfeindlichen Zwischenfälle hat der Publizist Michel Friedman eine zu zögerliche Reaktion der Zivilgesellschaft im Osten Deutschlands beklagt. "Die politischen Multiplikatoren vor Ort, Bürgermeister, Landräte, sind leider vorwiegend nicht bereit, das Problem zu benennen und auch einzuordnen und damit die Speerspitze der Aufklärung zu werden", sagte Friedman in einem Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur in Schwerin.

Den Rechtsradikalismus nur im Osten zu verorten, sei aber falsch. "Wir haben nach allen Untersuchungen, was Vorurteile, rassistische Gesichtspunkte und antisemitische Stereotypen angeht, eine große Übereinstimmung zwischen Ost und West", stellte Friedman fest.

Unterschiedlich seien jedoch das Ausmaß der Gewalt und die Reaktionen der Bevölkerung. "Die Zivilgesellschaft reagiert im Osten weitaus zurückhaltender und später als wir es im Westen kennen", sagte der frühere Vize-Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland.

Zudem sei "in vielen Ortschaften, in denen die Perspektivlosigkeit Alltag geworden ist", die Jugendarbeit den Rechtsradikalen überlassen worden. Diese gründeten dort Jugendclubs und Pfadfindergruppen. Die betreuten Jugendlichen würden dann mit rechtsradikalen Ideologien vollgestopft.

"Dies ist ein Versäumnis von uns allen", sagte Friedman mit Blick auf die demokratischen Parteien. Die Methode, Bürgerservice dort zu leisten, wo der Staat sich zurückgezogen hat, habe die NPD sich von der früheren PDS abgeguckt.

"Demokratiefreie Zonen"

Der Generalsekretär des Zentralrats der Juden in Deutschland, Stephan Kramer, hatte am Donnerstag in der N24-Sendung "Studio Friedman" den Bürgermeister von Mügeln zum Rücktritt aufgefordert. Der FDP-Bürgermeister Gotthard Deuse sei "das Spiegelbild der Gesellschaft, aus der heraus er gewählt wurde", sagte Kramer.

Nach der Hetzjagd auf acht Inder in der sächsischen Kleinstadt hatte Deuse über eine Vorverurteilung der Einwohner von Mügeln geklagt. Über die fremdenfeindlichen Rufe in der Tatnacht sagte er: "Solche Parolen können jedem mal über die Lippen kommen."

Zugleich vertrat der Generalsekretär des Zentralrats die Auffassung, dass es in Ostdeutschland "demokratiefreie Zonen" gebe. Der Rechtsstaat könne sich dort nicht mehr bewegen, sagte Kramer. Auf die Frage, ob er nachts in einer kleinen ostdeutschen Stadt spazieren gehen würde, antwortete er: "Ich würde es nicht tun, denn ich bin nicht lebensmüde."

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