Süddeutsche Zeitung

Fremdenfeindlichkeit:Der vertriebene Pfarrer von Zorneding

Lesezeit: 3 min

Ein katholischer Geistlicher wird bedroht und lässt sich versetzen.

Von Carolin Fries und Karin Kampwerth, Zorneding

Pfarrer Olivier Ndjimbi-Tshiende glaubt an das Evangelium als Ratgeber in allen Lebenslagen, und seien sie noch so schwer. Zum Beispiel im vergangenen Herbst, als der ganze Ärger in Zorneding, einer Gemeinde im Osten Münchens, losging. Der örtliche CSU-Vize hatte den aus dem Kongo stammenden Seelsorger damals in einer Lokalzeitung als "Neger" beschimpft. Ndjimbi-Tshiende verzichtete damals auf eine Anzeige. Stattdessen zitierte er die Heilige Schrift: Selbst Feinden müsse man "77-mal sieben Mal" verzeihen.

Seine Gegner konnte er damit aber nicht aufhalten. Dreimal bekam der 66-Jährige seitdem Postkarten und Briefe, in denen ihm gedroht wurde. "Ab nach Auschwitz mit Dir", stand darin. Zudem gab es indirekte Drohungen mit Sprüchen wie diesem: "Nach der Vorabendmesse bist Du fällig." Die Polizei rückte damals an, beobachtete die Kirche und zog wieder ab, als nichts passierte. Der Staatsschutz ermittelt wegen Beleidigung, Volksverhetzung und Bedrohung, doch von einer "expliziten Morddrohung" will die Polizei offiziell nicht sprechen. Konkrete Hinweise auf Täter gibt es nicht. Für Ndjimbi-Tshiende ist das nun auch egal. Er gibt zermürbt auf und lässt sich versetzen.

Ein deutsch-afrikanischer Priester zieht sich zurück aus Angst vor rassistischer Gewalt in Oberbayern: Die öffentliche Empörung am Tag danach ist groß, die Solidarisierung mit dem Betroffenen kommt prompt. Das Erzbischöfliche Ordinariat erklärt, es stehe "an der Seite" des Priesters, der Landrat und alle Bürgermeister des Landkreises Ebersberg schreiben in einem persönlichen Brief, sie schämten sich "für dieses unwürdige und inakzeptable Verhalten einzelner Menschen". Und die Fraktionschefin der Grünen im Landtag, Margarete Bause, fordert eine Solidarisierungsaktion von Ministerpräsident Horst Seehofer und seiner CSU mit dem Zornedinger Pfarrer. Doch für die Christsozialen ist die Sache heikel.

Die örtliche CSU-Vorsitzende schrieb einen Text über Asyl - damit fing die Sache an

Denn ganz am Anfang der Geschichte stand ausgerechnet ein heftiger Streit zwischen Pfarrer Ndjimbi-Tshiende und der örtlichen Parteivorsitzenden. Die hatte im Oktober in der Parteizeitung Zorneding Report ein rechtspopulistisches Pamphlet zur Flüchtlingspolitik veröffentlicht. Die örtliche CSU reagierte darauf nicht, wohl aber die Pfarrgemeinde und Pfarrer Ndjimbi-Tshiende. Seit 2012 ist er in Zorneding Seelsorger, er kennt seine Schäfchen und appellierte an die christliche Nächstenliebe der christlich-sozialen Parteifunktionäre. Eine symbolische Drohung schickte die Pfarrei hinterher: Der Zorneding Report dürfe sonst nicht mehr mit den örtlichen Kirchtürmen im Logo werben.

Das ließ die Stimmung eskalieren und führte zur "Neger"-Beleidigung in der Lokalpresse. Ilse Aigner, als CSU-Bezirksvorsitzende in Oberbayern letztlich auch für den Zornedinger Ortsverband zuständig, griff ein, die örtlichen Funktionäre mussten zurücktreten. Doch die Bedrohungen gegen den Pfarrer begannen dann erst.

Kein Wunder also, dass Aigner und die CSU-Spitze in München am Montag besonders bemüht waren, eine saubere Grenze zu ziehen. Die Morddrohungen seien natürlich völlig inakzeptabel. "Wir verwahren uns aber auch gegen Unterstellungen, dass die CSU mit den Drohungen in irgendeiner Verbindung steht. Einen solchen Zusammenhang herzustellen ist böswillig", ließ Aigner mitteilen. Ihr Parteichef Horst Seehofer spricht von "null Toleranz" gegenüber solchem Rassismus.

Alle CSU-internen Vorgänge aber seien damals von den Verantwortlichen aufgearbeitet worden. So sieht das auch Piet Mayr. Er ist Bürgermeister in Zorneding, gehört der CSU an und sieht seine Partei "in keiner Weise verantwortlich". Seine Gemeinde sei durch die ganze Affäre als rechtslastiges Zentrum in ein völlig falsches Licht gerückt worden. "Ich wünsche mir, dass diese Drohungen nicht aus Zorneding kommen", sagt er. Tatsächlich ist die 9000-Einwohner-Gemeinde gewiss keine Hochburg von Rechtsextremen und Nazis, sondern ein normaler Münchner Vorort mit überwiegend gut situierten Bürgern und ohne soziale Spannungen. Eine Grundschulleiterin bekam 2014 mal böse Briefe, weil sie Flüchtlingskindern Räume zur Verfügung gestellt hatte - doch offene rassistische Drohungen? Darüber sind am Montag "hier alle schockiert", heißt es im örtlichen Café, an der Tankstelle und erst recht in der Pfarrgemeinde. Denn ihr Pfarrer sei doch gut integriert gewesen. Gut, es gab auch Ärger mit dem Kirchenverwalter, Klagen über die zunehmende Verwaltungsarbeit. Aber irgendwie kam man in Zorneding doch zurecht mit diesem Seelsorger, der immerhin habilitierter Philosoph ist und Immanuel Kant genauso liebt wie klare theologische und politische Positionen.

Olivier Ndjimbi-Tshiende hat freilich in Deutschland auch die Erfahrung gemacht, dass Rassismus verdeckt und ganz alltäglich sein kann: Als Student wurde er in einem Restaurant in München nicht bedient und musste nach einer Stunde Warten das Lokal verlassen. In der Pfarrei in Buch am Erlbach bei Landshut, seiner ersten Seelsorgestation in Bayern, sagte ein Mitarbeiter: "Unter einem Neger arbeite ich nicht." Ein junges Ehepaar wollte sein Kind dort nicht von einem schwarzen Pfarrer taufen lassen. Bevor er nach Zorneding kam, hatte er es in München-Milbertshofen mit randalierenden Jugendlichen zu tun, die ein Sozialarbeiter als "christlich, national, rechts" einstufte. In Deutschland habe er sich dennoch immer zu Hause gefühlt, sagte er im Herbst. Seit Sonntagmittag nun schweigt er. Er wolle in Ruhe gelassen werden, die Situation sei belastend, teilt er über das Ordinariat mit. Das hat ihn erst einmal beurlaubt. Aber selbstverständlich werde Ndjimbi-Tshiende in einer anderen Pfarrei als Seelsorger arbeiten. Er freue sich schon darauf.

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SZ vom 08.03.2016
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