Freihandelsabkommen:Letzte Frist für Ceta

Ob die Vereinbarung doch noch wie geplant unterzeichnet werden kann, entscheiden an diesem Montag die EU, Belgiens Regierung und Kanadas Premier. Aber weiterhin hängt alles davon ab, ob die Wallonen überzeugt werden können.

Von Thomas Kirchner, Brüssel

Im Streit über das Freihandelsabkommen mit Kanada (Ceta) soll bis diesen Montagabend eine Entscheidung fallen. Im Laufe des Tages seien Gespräche geplant zwischen EU-Ratspräsident Donald Tusk, EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker, Belgiens Regierungschef Charles Michel und Kanadas Premier Justin Trudeau, sagten EU-Diplomaten am Sonntag in Brüssel. Am Ende werde Tusk den Belgier fragen, ob sich die Wallonie weiterhin gegen Ceta sperre, woraufhin Trudeau entscheide, ob er wie geplant am Donnerstag zur Unterzeichnung des Abkommens nach Brüssel fliegt. Ohne das Ja der Wallonen kann Belgien Ceta nicht zustimmen.

Kanadas Handelsministerin Chrystia Freeland hatte am Freitag die Gespräche mit dem wallonischen Ministerpräsidenten Paul Magnette abgebrochen. Dessen Parlament stieß sich zuletzt noch an der Frage, wie rechtsverbindlich einige Punkte der Zusatzerklärung zu Ceta sind. Man habe sich angenähert, sagte Magnette, seine Region brauche aber mehr Zeit. Am Samstag sprach EU-Parlamentspräsident Martin Schulz mit Freeland und erklärte, die offenen Punkte bei der wallonischen Regierung seien lösbar. Er sei sehr optimistisch.

Magnette ließ am Sonntag erklären, die Walloni lehne jedes "Ultimatum" ab.

Über die Frage, wer Schuld trage an dem Debakel, kam es zum Schlagabtausch zwischen EU-Kommissar Günther Oettinger (CDU) und Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD). Oettinger machte in einem Interview die EU-Mitgliedstaaten, "die das Thema an sich ziehen wollen", für die Ceta-Probleme verantwortlich. Zudem kritisierte er Gabriel, der in Montreal mit Freeland gesprochen hatte. "Dass Minister einzelner Mitgliedstaaten zu Verhandlungen nach Kanada reisen, ist absurd."

Gabriel reagierte mit scharfer Kritik an der EU-Kommission und Oettinger. Dieser gehöre "offenbar zu denen, die das technokratische Durchpauken von Handelsverträgen für richtig halten", sagte er der Süddeutschen Zeitung. Anders als Juncker und Schulz, "die sich den Fragen und auch der Kritik der Bevölkerung stellen, will Oettinger sie ignorieren". Oettingers Idee, Abkommen wie Ceta "mal eben durch die EU-Gremien zu pauken", zeige das wahre Problem: "Die Brüsseler Technokraten haben ein Abkommen verhandelt, ohne die Menschen in den Ländern und Regionen zu fragen. Die Überzeugungsarbeit überlassen diese EU-Technokraten lieber den nationalen und regionalen Politikern."

Kurz nach dem Brexit-Votum hatte Juncker verkündet, Ceta als reines EU-Abkommen anzusehen, das nicht von den nationalen Parlamenten ratifiziert werden müsse. Nach Druck vor allem aus Berlin - Gabriel hatte den Plan "unglaublich töricht" genannt - lenkte der Kommissionspräsident ein, obwohl Beobachter auf absehbare nationale Blockaden hinwiesen. In Kommissionskreisen hieß es am Wochenende, Juncker habe damals keine Wahl gehabt: "Er wäre von den Staaten bei nächster Gelegenheit überstimmt worden." Nur Italien habe zur Kommission gehalten, dafür aber "böse Anrufe" aus Berlin geerntet.

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