Süddeutsche Zeitung

Freihandelsabkommen:Weder richtig für noch richtig gegen TTIP

Lesezeit: 2 min

Von Thorsten Denkler, Berlin

Kein Wort in fast zwei Stunden Rede, kein Wort zu TTIP, dem umstrittenen Freihandelsabkommen zwischen den Vereinigten Staaten und der EU. SPD-Chef Sigmar Gabriel hat das Thema einfach mal ignoriert. Eine Botschaft vielleicht durften die TTIP-Kritiker unter den Delegierten auf dem Bundesparteitag in Berlin auf sich gemünzt sehen. "Einfach nur zu allem Nein zu sagen, das reicht eben nicht", sagt Gabriel, als er über die Herausforderungen der Weltwirtschaft spricht. Gabriel will das Freihandelsabkommen. Das ist kein Geheimnis. Aber er will auch die Partei mitnehmen. Irgendwie.

November 2014, Willy-Brandt-Haus. Der Parteikonvent tagt unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Auf der Tagesordnung: TTIP. Nach einer hitzigen Debatte beschließen die Konvent-Delegierten ein Papier der Düsternis. Da heißt es im ersten Absatz: "Viele Menschen verbinden mit den TTIP-Verhandlungen erhebliche Sorgen." Sie hätten die Befürchtung, dass durch TTIP "bewährte Rechte und Standards in Europa" unterlaufen werden könnten. "Diese Sorgen nehmen wir sehr ernst."

Ein Jahr später soll an diesem Samstag auch der Parteitag über TTIP entscheiden. Gabriel will die SPD raus aus der TTIP-Schmollecke holen. Der Sound des Antrages IA8, "Globalisierung gestalten - fairen Handel ermöglichen", ist wesentlich wohlwollender als im Beschluss 2014. Jetzt bieten TTIP und auch das zweite Abkommen mit Kanada (Ceta) "die Chance, die wirtschaftliche Globalisierung politisch zu gestalten". Gerade der Vertrag zwischen den USA und der EU eröffnet die Möglichkeit, globale Standards für nachhaltige Entwicklung zu setzen. Selbst zu den 2014 noch als unnötig abgelehnten Schutzregeln für Investoren öffnet der Antrag eine Tür: Die wären jetzt in Ordnung, wenn sie "nach rechtsstaatlichen Prinzipien ausgestaltet" werden.

Der Antrag wurde wegen der Partei-Linken im Vorstand umgeschrieben

Das ist für eine nicht unerhebliche Zahl von SPD-Anhängern dann doch ein bisschen zu viel. Weil die Partei-Linke im Vorstand sich querstellte, wurde der Antrag umgeschrieben. Die "roten Linien" wie einige die Kriterien nennen, die der Konvent 2014 als Bedingungen für ein Ja benannt hat, werden jetzt noch einmal bekräftigt. Also: Die Sozial, arbeitsrechtlichen, ökologischen und kulturellen Standards in der EU dürften nicht gesenkt werden. Private Schiedsgerichte werden abgelehnt. Eine öffentlich-rechtliche Streitschlichtung hingegen nicht.

Die höchste Hürde ist allerdings diese: Bevor es zu einer endgültigen Entscheidung im Bundestag über TTIP oder Ceta kommt, soll ein Parteitag oder ein Parteikonvent den ausverhandelten Abkommen zustimmen. Oder sie ablehnen. Gabriels Versuch, die Partei etwas stärker als bisher für TTIP zu öffnen scheint an diesem Samstag ins Leere zu laufen.

Die Partei-Linke ist jetzt größtenteils recht zufrieden mit den Kompromissen. Und der positive Sound in dem Antrag? "Nur Prosa", beruhigen sich einige . Die Jusos hätte gerne an einer Stelle noch eine kleine Ergänzung. Jetzt, da die Kriterien von 2014 auch im Antrag von 2015 festgenagelt werden, könnten sie doch auch gleich auf das Ceta-Abkommen angewendet werden.

Das Ergebnis würde dann wohl jetzt schon feststehen. Das Abkommen müsste zumindest nachverhandelt werden. Um die Debatte an diesem Samstag nicht zu sehr hochkochen zu lassen, hat sich die Parteitagsregie zwei Dinge einfallen lassen. Der TTIP-Beschluss ist kurzfristig auf den frühen Samstagmorgen gelegt worden, da werden sich viele Delegierte möglicherweise noch vom Parteitagsfest des Vorabends erholen. Und: Sie lässt den Parteilinken und Vize Ralf Stegner das Papier vorstellen. Wenn der schon den Kompromiss verteidigt, dann kann doch der Inhalt nicht verkehrt sein. Der Verlierer wird wohl trotz allem Gabriel sein. Er ist für die Freihandelsabkommen und hätte die SPD gerne an seiner Seite. Nach dem Samstag aber wird die SPD weder klar pro noch klar contra TTIP sein. Sondern irgendwo dazwischen.

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Quelle:
SZ vom 12.12.2015
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