Freihandel:Gabriel zieht rote Linie für TTIP-Abkommen

Gabriel zu Wirtschaftswachstum

Gabriel stellt Bedingungen für seine Zustimmung zum Freihandelsabkommen TTIP.

(Foto: dpa)
  • Im Interview mit der SZ kündigt Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel an, in bestimmten Punkten des TTIP-Abkommens nicht nachgeben zu wollen.
  • Im schlimmsten Fall will er das Freihandelsabkommen blockieren, sollten zum Beispiel Sozialstandards abgesenkt werden.
  • Mit seiner Festlegung richtet sich Gabriel an die Skeptiker in seiner eigenen Partei.

Von Michael Bauchmüller und Nico Fried

Die Debatte um ein Freihandelsabkommen zwischen den USA und Europa (TTIP) verursacht in Deutschland seit Monaten Aufregung. Jetzt hat Bundeswirtschaftsminister und SPD-Chef Sigmar Gabriel zugesagt, sich strikt an die von der SPD gemeinsam mit den Gewerkschaften formulierten Bedingungen zu halten. "Was die SPD nicht will, wird auch nicht kommen", sagte Gabriel der Süddeutschen Zeitung.

"Wir werden keinen Zwang zur weiteren Liberalisierung oder Privatisierung akzeptieren. Wir werden keine Sozialstandards absenken und auch keine Umwelt- und Verbraucherschutzstandards. Die Parlamente werden nicht ausgehebelt. Und wir werden, da bin ich absolut sicher, auch keine Privatisierung der Schiedsgerichtsbarkeit erleben", sagte Gabriel.

Gabriel arbeitet seit Wochen an Reformvorschlägen

Die Schiedsgerichte sind besonders umstritten, auch in der SPD. In einem Positionspapier lehnte die "Parlamentarische Linke" der Partei sie jüngst rundweg ab - auch im bereits ausgehandelten Abkommen der EU mit Kanada (Ceta). Die Kritiker befürchten, dass die Wirtschaft demokratisch legitimierte Gesetzgebung und rechtsstaatliche Systeme aushebelt: Auf dem Umweg über die internationalen Schiedsgerichte könnten Unternehmen Schadenersatz wegen unliebsamer Gesetze durchsetzen. Das wiederum gebe Konzernen noch mehr Einfluss gegenüber der Politik. Die Richter an diesen Gerichten sind oft Juristen aus großen Anwaltskanzleien.

Grafik TTIP

SZ-Grafik; Quelle: DPA/GTAI

Gabriel, der als Wirtschaftsminister durchaus Interesse an den Freihandelsabkommen hat, arbeitet seit Wochen an Reformvorschlägen. Vor Kurzem präsentierte er gemeinsam mit anderen Sozialdemokraten aus EU-Staaten einen Vorschlag für öffentlich-rechtliche Handelsgerichtshöfe. Sie sollen aus Berufsrichtern bestehen und eine Berufungsmöglichkeit vorsehen. Im Falle von unberechtigten Klagen sollen die Unternehmen die Kosten tragen, die den Gerichtshof angerufen haben. Sozialdemokratische Handelsminister aus sechs EU-Staaten, darunter auch Deutschland, wollen einen solchen Mechanismus am liebsten sogar im Abkommen mit Kanada verankern. "Die allgemeine Skepsis kann nicht unbeantwortet bleiben", konstatierten sie unlängst.

Allerdings ist fraglich, ob die EU-Kommission zu Nachverhandlungen bei Ceta bereit wäre. Derzeit läuft eine rechtliche Prüfung des Abkommens. Sie lässt allenfalls Änderungen im Detail zu. Bei TTIP dagegen liegen die Dinge anders. Die Verhandlungen laufen noch, die achte Runde war Anfang Februar ohne große Durchbrüche zu Ende gegangen. Bis zum Frühjahr will EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström eigene Vorschläge für Investorenschutz und Schiedsgerichte vorlegen - also für jenes Kapitel, das auch in der SPD auf großen Widerstand stößt.

Verständnis für Skepsis gegenüber TTIP

Gabriels Festlegung richtet sich vor allem an diese Skeptiker unter den Sozialdemokraten. Vor wenigen Wochen hatte der Wirtschaftsminister mit einer Rede im Bundestag noch Verunsicherung in den eigenen Reihen ausgelöst. Gabriel hatte dabei den Eindruck erweckt, er sei der Meinung, dass Deutschland dem Ceta-Abkommen auch bei Vorbehalten zustimmen müsse, weil es sich nicht alleine gegen die restlichen Staaten der Europäischen Union stellen könne. Kritiker fürchten, so ein Verhalten werde sich dann bei TTIP wiederholen.

Nun zeigt Gabriel Verständnis für die verbreitete Skepsis gegenüber TTIP: Die Europäische Union habe "durch ihre Geheimverhandlungen in der Vergangenheit jeden Anlass dazu gegeben". Dies habe sich aber mit der neuen Handelskommissarin Malmström zum Positiven verändert.

Er machte zugleich deutlich, dass die Freihandelsabkommen aus seiner Sicht wichtig seien, damit sich Europa nicht verminderten Standards anpassen müsse, die in anderen Abkommen festgelegt würden. "Ich bin sicher, dass die Standards, die Europa mit den USA und hoffentlich auch irgendwann mit Russland verabredet, bessere sein werden als die Standards, die China und Asien mit den USA verabreden werden", sagte Gabriel.

Mit Blick auf die innenpolitische Lage in Deutschland stellte der SPD-Chef seine Partei als treibende Kraft der großen Koalition dar: "Wir führen dieses Land", sagte er. "Alle entscheidenden Projekte dieser Regierung stammen von uns." Deutschland habe eine stabile und handlungsfähige Regierung. "Und das liegt an der SPD", sagte Gabriel. Auch die hohen Zustimmungswerte der Bundeskanzlerin erklärten sich letztlich aus dem Wirken des Koalitionspartners: "Angela Merkel ist eine populäre Kanzlerin, weil sie sich an einen von der SPD stark dominierten Koalitionsvertrag hält", so Gabriel. "Soll ich sie jeden Tag dafür angreifen, dass sie sozialdemokratische Politik macht?" Wenn man sich nur an Umfragewerten ausrichte, "wird Politik opportunistisch und verkommt zur reinen Taktik", so Gabriel.

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