Freihandel:Bundestag darf bei Ceta mitreden - ein bisschen

Protest gegen das Handelsabkommen Ceta

Wie soll Europas Zukunft aussehen? Mit großer Maskerade und vielen Plakaten protestieren Demonstranten gegen das Freihandelsabkommen Ceta.

(Foto: Paul Zinken/dpa)

Das europäisch-kanadische Freihandelsabkommen löst Streit aus zwischen der EU-Kommission und Vizekanzler Gabriel. Der erklärt die Mitsprache des Parlaments für unerlässlich. Hat er recht?

Von Alexander Mühlauer, Brüssel, und Robert Roßmann, Berlin

Eigentlich hat EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker bereits genügend Sorgen, der Brexit-Volksentscheid hat die Europäische Union in eine tiefe Krise gestürzt. Doch mit seiner Ankündigung, das Ceta-Abkommen ohne Beteiligung der nationalen Parlamente durchsetzen zu wollen, hat Juncker jetzt noch einen weiteren Konflikt eröffnet. Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD) hat Junckers Vorstoß ungewöhnlich hart als "unglaublich töricht" verurteilt. Um was geht es in dem Streit?

Was ist Ceta?

Das "Comprehensive Economic and Trade Agreement", kurz Ceta, ist das geplante Freihandelsabkommen zwischen der EU und Kanada. Der Vertrag ist ausgehandelt, der Text für jedermann öffentlich zugänglich. Im Oktober soll das Abkommen beim EU-Kanada-Gipfel unterzeichnet werden. Doch nun gibt es Streit über die Frage, ob der Bundestag und die anderen nationalen Parlamente dem Vertrag zustimmen müssen. Ausschlaggebend ist dafür eine juristische Frage: Handelt es sich bei Ceta um ein gemischtes oder ein ungemischtes Abkommen?

Was sind gemischte und ungemischte Abkommen?

Ein ungemischtes Abkommen ist ein reines EU-Abkommen ("EU only"), das nicht der Zustimmung nationaler Parlamente bedarf. Sobald durch einen Handelsvertrag aber nationale Kompetenzen der Mitgliedstaaten betroffen sind, muss dieser als gemischtes Abkommen gewertet werden. Dieses muss dann nicht nur vom Europäischen Parlament und dem Europäischen Rat, sondern auch von den nationalen Parlamenten aller EU-Staaten gebilligt werden.

Wie ist Ceta einzustufen?

Der juristische Dienst der EU-Kommission ist der Meinung, dass Ceta ein reines EU-Abkommen ist. Darauf hat sich Juncker jetzt berufen. Diese Einschätzung ist jedoch rechtlich umstritten. Es geht zum Beispiel um die Frage, ob die vorgesehenen Regeln zum Investitionsschutz nicht doch eine Beteiligung der Mitgliedstaaten erfordern. Dies betrifft sogenannte Portfolio-Investments, also Investitionen, die der Geldanlage dienen, ohne dabei unternehmerische Zwecke zu verfolgen. Rechtliche Grauzonen gibt aber auch beim Seeverkehrsrecht. Weil es in diesen Fragen in der Vergangenheit immer wieder Streit zwischen der EU-Kommission und den EU-Staaten gab, hat die Kommission das Freihandelsabkommen mit Singapur dem Europäischen Gerichtshof zur Prüfung vorgelegt. Die Entscheidung wird gegen Ende des Jahres erwartet und könnte zum Präzedenzfall für alle anderen Handelsabkommen werden.

Wann fällt die Entscheidung?

Die EU-Kommission will nach bisheriger Planung bereits am kommenden Dienstag offiziell erklären, wie sie Ceta rechtlich einstuft. Die Linie von Jean-Claude Juncker ist zwar bekannt: Aus seiner Sicht ist es ein EU-only-Abkommen. Allerdings hieß es am Donnerstag in EU-Kreisen, wegen der heftigen Kritik an der Position Junckers aus Deutschland und anderen EU-Staaten könnte die Kommission ihre Entscheidung am Dienstag auf unbestimmte Zeit vertagen.

Welche Rolle haben Bundestag und Bundesrat?

Falls sich Gabriel mit seiner Rechtsauffassung durchsetzt, und Ceta doch noch zu einem gemischtes Abkommen erklärt wird, hätten die beiden Parlamentskammern enormen Einfluss. Nach Einschätzung des Bundesjustizministeriums müsste das Ceta-Abkommen dann zusammen mit dem Entwurf eines entsprechenden Vertragsgesetzes sowohl dem Bundestag als auch dem Bundesrat vorgelegt werden. Grundlage dafür sind deren Mitwirkungsrechte am Abschluss völkerrechtlicher Verträge nach Artikel 59 Absatz 2 Satz 1 Grundgesetz. Sowohl der Bundestag als auch die Länderkammer müssten dem Vertragsgesetz zustimmen, damit Deutschland das Ceta-Abkommen ratifizieren kann. Das Bundesjustizministerium begründet die Pflicht, auch die Zustimmung des Bundesrats einholen zu müssen, damit, dass Ceta "auch Regelungen des Verwaltungsverfahrens (Administrative Proceedings, insbesondere im Hinblick auf Transparenzpflichten)" enthalte, welche Landesbehörden betreffen würden.

Können die Grünen Ceta blockieren?

Falls Ceta zum gemischten Abkommen erklärt wird, und deshalb auch vom Bundesrat gebilligt werden muss, könnten die Grünen die Ratifizierung des Abkommens durch Deutschland verhindern. Die ausschließlich von SPD, CDU und CSU regierten Bundesländer verfügen im Bundesrat über keine Mehrheit. Sie benötigen die Unterstützung von mindestens drei Bundesländern, an deren Regierung die Grünen beteiligt sind. Allerdings kann es sehr lange dauern, bis es zur Abstimmung im Bundesrat über das Ceta-Vertragsgesetz kommen wird. Es ist unklar, ob die grünen Landespolitiker dann immer noch über Veto-Macht im Bundesrat verfügen.

Was geschieht, wenn Ceta ein EU-only-Abkommen wird?

Bundestag und Bundesrat müssen dann lediglich über Ceta unterrichtet werden. Sie haben aber die Möglichkeit, eine Stellungnahme zu dem Abkommen abzugeben. "Wenn wesentliche Belange der Stellungnahme des Bundestages im Europäischen Rat nicht durchsetzbar sind, muss die Bundesregierung einen Parlamentsvorbehalt im Rat einlegen und sich um Einvernehmen mit dem Bundestag bemühen", erklärt das Justizministerium. Dabei handele es sich "jedoch nicht um ein Vetorecht des Bundestags". Das Recht der Bundesregierung, in Kenntnis der Stellungnahme des Bundestages "aus wichtigen außen- oder integrationspolitischen Gründen abweichende Entscheidungen zu treffen", bleibe unberührt.

Was wird jetzt passieren?

Sowohl die Kanzlerin als auch Gabriel haben erklärt, dass sie den Bundestag in jedem Fall an der Ceta-Entscheidung beteiligen wollen. Dies soll aber offenbar nur in einer "weichen" Form geschehen. Der Bundestag könnte gebeten werden, eine Stellungnahme zu Ceta abzugeben. Diese dürfte wegen der Mehrheit von Union und SPD positiv ausfallen. Die Bundesregierung könnte dann mit Verweis auf die Stellungnahme des Bundestags in Brüssel dem Ceta-Abkommen auch dann zustimmen, wenn es ein EU-Only-Abkommen wird. Die Grünen vermuten hinter diesem Prozedere deshalb einen "Trick" der Regierung. Das liegt auch daran, dass die Grünen in diesem Fall eine Ratifizierung von Ceta nicht über den Bundesrat verhindern könnten.

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