Freihandelsabkommen TPP:Spielregeln, die China verführen könnten

Barack Obama, Xi Jinping

US-Präsident Barack Obama (rechts) bei einem Staatsbesuch in China mit dem chinesischen Staatspräsidenten Xi Jinping.

(Foto: AP)

US-Präsident Obama will ein Freihandelsabkommen mit elf Pazifik-Anrainern schließen. Das könnte auch die Chinesen interessieren - und dadurch nicht nur in der Region für Frieden sorgen.

Kommentar von Stefan Kornelius

Freihandel wird ja - nicht nur in Europa - gerne reduziert auf Hühnchen oder Auto-Blinklichter. Hühnchen und Blinklichter sind wichtig, zweifellos. Aber Freihandel hat auch eine zutiefst politische Seite, was niemand besser wissen müsste als die Bürger der Europäischen Union, die in einer gewaltigen Freihandelszone leben und jeden Tag die politische Wirkkraft dieser Gemeinschaft spüren.

Unter den Pazifik-Anrainern bestehen nicht minder wichtige Bindungen von enormer strategischer Bedeutung. Die nationale Rivalität vor allem zwischen China und seinen unmittelbaren Nachbarn, aber auch und vor allem mit den USA wird in den nächsten Jahrzehnten über Frieden und Wohlstand auf der Welt entscheiden wie keine zweite geopolitische Konstellation. Deswegen ist ein Freihandelsabkommen für die Region auch eine politische Klammer, ein Disziplinierungswerk, das zu Kompromissen zwingt und zum Abgleich von Interessen, die man auch gegeneinander hätte ausspielen können.

Ein Freihandelsabkommen im Pazifik kann zur Entspannung mit China beitragen

Wenn Barack Obama nun mit Hilfe der Republikaner ein Mandat zum Abschluss des TPP-Abkommens mit elf anderen Nationen erhält, dann löst er ein Versprechen ein, das er zu Beginn seiner Amtszeit abgegeben hat: Die USA wenden sich dem Pazifik zu. Nie zuvor hat Amerika ein so großes Freihandelsabkommen geschlossen, das nebenbei seiner Agrarindustrie enorm hilft und seine Autoindustrie unter Druck setzt - wenn auch mit Schonfrist.

Obamas pazifischer Blick prüft auch immer Stärke und Einfluss der Aufsteigermacht China, das explizit nicht Teil von TPP ist. Es muss kein Naturgesetz der Weltpolitik sein, dass Großmächte stets rivalisieren und sich gar militärisch einhegen. China und die USA haben sich noch nicht auf ihren Umgang miteinander festgelegt. Ein Freihandelsabkommen kann da eher zur Entspannung beitragen. Beide Länder tun sich den weit größeren Dienst, wenn sie ein regelgebundenes Handelsgeflecht über den Pazifik hinweg legen, anstatt Flugzeugträger um Inselgruppen kreuzen lassen.

Selbst Menschenrechtsfragen und Arbeitsstandards sollen geregelt werden

Wird TPP unterschrieben, dann ist der Wettbewerb der unterschiedlichen Freihandelsmodelle in Ostasien entschieden. Es wird keinen besseren und stärkeren Verbund geben. Das bedeutet aber auch: Technische Standards und politische Regeln aus TPP haben einen Norm-Charakter. Geplant ist, dass selbst Menschenrechtsfragen, Arbeitsstandards, Daten-Transparenz und Fragen des geistigen Eigentums geregelt werden. China muss sich dann entscheiden, ob es diese Regeln akzeptiert und einen ungeheuren Marktzugang erwirbt - oder ob es die Auflagen, gerade beim Thema Währungsmanipulation, als zu erdrückend empfindet.

Freihandelsabkommen sind die zwingende Antwort auf eine unkontrollierte und maßlose Globalisierung. Allerdings lösen sie die Probleme nicht, wenn sie schlecht verhandelt sind oder gar die Maßlosigkeit in Vertragsform gießen. TPP als pazifische Schwester von TTIP hat auch Schwächen und viele Gegner. Aber die Verhandlungsgeschichte zeigt, dass viele Schmerzen geheilt werden konnten und die politisch überwölbende Bedeutung der Abmachung immer auch ein Antrieb für den Kompromiss sein kann.

Europas TTIP ist davon noch weit entfernt. Die schweren handwerklichen Fehler zu Beginn der transatlantischen Gespräche haben Zeit und politisches Kapital gefressen. Zwar dreht sich gerade das Klima, aber in Washington bleibt nur noch wenig Zeit und politischer Wille, um vor den Wahlen zu einem Abschluss zu kommen. Der letzte Wettlauf um den Freihandel hat nun begonnen.

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