Freie-Wähler-Chef Aiwanger in Berlin:Euros fischen vor Grönland

Die Freien-Wähler wollen in den Bundestag. Weil aber die Euro-Rettung wohl den Wahlkampf bestimmen wird, haben sie sich fachliche Hilfe geholt. Eine mit ziemlich abenteuerlichen Vorstellungen, wie sich beim Auftritt von Freie-Wähler-Chef Aiwanger in Berlin zeigt.

Thorsten Denkler, Berlin

In der Kategorie "Wirrste Grafiken der Welt" würde diese sicher einen Spitzenplatz belegen. Es geht um "Normal-Fall (a)" und "NL-Thaler". Da ist von "Dilemma" und "chaotischer Zerfall des EURO" die Rede, von These und Anti-These. Abgerundet durch gestrichelte Ovale und Linien, Pfeile, die in zwei Richtungen zeigen, Euro-Zeichen, Ausrufezeichen, Fragezeichen.

Hubert Aiwanger

Der Chef der Bundesvereinigung der Freien Wähler, Hubert Aiwanger - hier auf dem Politischen Gillamoos in Abensberg - will in Berlin "Alternativen zur Alternativlosigkeit" der Euro-Rettung anbieten.

(Foto: dapd)

Die Freien Wähler sind in Berlin. Was da so unübersichtlich an der Wand leuchtet, gehört zu dem, was der Chef der Bundesvereinigung der Freien Wähler, Hubert Aiwanger, als eine der "Alternativen zur Alternativlosigkeit" der Euro-Rettung nennt.

Der Auftritt vor einer Handvoll Journalisten ist wohl so etwas wie der Wahlkampfauftakt der Freien Wähler im Bund. Aiwanger will sie 2013 in den Bundestag führen - als die "liberale, wertkonservative, bürgerliche Alternative" in der Mitte der Gesellschaft.

Er meint das wohl tatsächlich so. Umfragen hätten ergeben, dass sich 15 bis 20 Prozent der Bürger vorstellen könnten, bei den Freien Wählern ihr Kreuz zu machen. Potential wird das von Meinungsforschern genannt. Kleine Parteien pumpen sich gerne mit solchen Zahlen auf. Auch Aiwanger. "Wir sind geistig angekommen", frohlockt er und richtet sich noch ein Stückchen mehr auf. "Wir haben ein Riesenpotential! Wir haben das Potential zur Volkspartei der Zukunft!"

Er nennt noch mehr Zahlen: 300.000 Freie Wähler gebe es, Tausende von Bürgermeistern, Gemeinde-, Stadt- und Landräten. "Diese Kraft ist eine Verantwortungspartei. Diese Kraft weiß, was draußen los ist", sagt er.

Vielleicht übertreibt er auch ein bisschen. Bundesweit hat seine Vereinigung 5000 Mitglieder, die meisten davon in Bayern.

Aber gut, darum geht es hier jetzt nicht. Hier geht es um ein Rettungskonzept. Weniger für den Euro, der ist Aiwanger ziemlich wurscht. Auch nicht für Griechenland. Warum sollen die Deutschen auch für die griechischen Schulden eintreten. No-Bail-Out! - keine Haftung für die Schulden anderer. Für Aiwanger ist das so etwas wie für andere der erste Artikel im Grundgesetz. Unabänderlich.

Aiwanger hat deshalb Dirk Meyer eingeladen, Ökonom an der an sich renommierten Helmut-Schmidt-Universität in Hamburg. Meyer stellt heraus, dass er Helmut Schmidt auch persönlich dann und wann begegne. In seinen Thesen stimme der Meister unter den Weltstaatsmännern allerdings nicht unbedingt mit ihm überein. Meyer wiegt den Kopf hin und her, als könne er sich das auch nicht erklären, warum Schmidt da so stur ist.

Der dritte Weg: Parallelwährung

Was Meyer will: Weil die Eurorettung zu teuer ist und ein Rausschmiss Griechenlands aus dem Euro auch, müsse es einen dritten Weg geben. Und zwar den der Parallelwährung. Heißt: Griechenland bekommt eine Neu-Drachme, den ND, Deutschland eine Neu-D-Mark, die NDM, und zugleich bleibt in beiden Ländern der Euro als Währung bestehen.

Das sei dann eben wie in der Fischereipolitik, sagt Meyer. Da habe sich Grönland aus regionalen Gründen auch von der EU abgekoppelt. Warum soll es dann dem Euro nicht wie den grönländischen Fischen gehen? Grönländische Fische und europäische Währungspolitik hat wohl noch keiner vor Meyer so gekonnt zusammengebracht.

Griechenland könnte so mit den Vorteilen einer schwachen Währung seine Wirtschaft aufbauen. Deutschlands Finanz- und Wirtschaftskraft bliebe erhalten, weil es von den immensen Verbindlichkeiten verschont bliebe.

Doch dann - vielen Dank dafür - nennt er auch den entscheidenden Grund, warum das zwar ein schönes Gedankenexperiment ist, aber politisch wohl eher ein kaum durchsetzbares Abenteuer. Es würde nämlich dazu führen, dass den Griechen ihre Privatkredite in Euro erhalten blieben, sie aber ihren Lohn nur noch in extrem abgewerteten Drachmen ausgezahlt bekämen. Ein 10.000-Euro-Kredit hätte dann schnell den finanziellen Ruin zur Folge. Ähnliches würde wohl auch für die Staatsschulden gelten, wenn es dann nicht zu einem massiven Schuldenschnitt käme.

So richtig solidarisch will das nicht klingen. Wohl deshalb pocht Aiwanger darauf, durch und durch Europäer zu sein. Das macht er allerdings so oft, dass sich doch wieder Zweifel an dieser Aussage einschleichen.

Meyers Konzept der Parallelwährung passt übrigens gut in das weltwirtschaftliche Weltbild eines anderen großen Weltenerklärers und überdies Freie-Wähler-Sympathisanten: Hans-Olaf Henkel.

In einem früheren Leben mal Chef des BDI und von IBM-Deutschland schreibt der Rentner jetzt Bücher. Unter anderem eines mit dem Titel "Rettet unser Geld! Deutschland wird ausverkauft. Wie der Euro-Betrug unseren Wohlstand gefährdet." Darin propagiert Henkel die Idee eines Nord- und eines Süd-Euro. Auf dass der reiche Norden besser geschützt sei vor dem mangelwirtschaftenden armen Süden Europas.

Meyer fand die Idee so toll, dass er sich sofort mit wissenschaftlicher Hingabe darauf gestürzt hat. Mit seinem Parallelwährungs-Konzept hat er somit die Grundlage für Henkels Nord-Süd-Phantasie geschaffen.

Und ist das jetzt auch die offizielle Programmatik der Freien-Wähler? Wird es Parallelwährungen und Nord-Süd-Euros geben, sollten sie nach 2013 im Bund mitregieren, wie Aiwanger sich das ja grundsätzlich durchaus vorstellen kann?

Nee, das dann doch nicht. Ihm gehe es um "Alternativen zu Alternativlosigkeit", ein Wortspiel, das nach der gefühlt dreihundertsten Wiederholung etwas an Spritzigkeit verliert. Wie das dann genau laufen soll, könne getrost dem "freien Spiel der Kräfte" überlassen werden. Dafür hat er ein paar Tipps aus dem Medizinschrank parat: "Man muss die Medizin wechseln, bevor der Patient stirbt!" Und: "Vielleicht ist Alternativmedizin besser als Schulmedizin."

Er wolle sich jedenfalls nicht daran hindern lassen, über Alternativen nachzudenken. "Die wollen wir denken, weil wir Demokraten sind. Wer Denkverbote ausspricht, ist kein Demokrat".

Das klingt jetzt ein wenig populistisch. Aber das weist Aiwanger natürlich weit von sich. So etwas würde nur der politische Gegner verbreiten, um den Freien Wählern zu schaden.

Ist klar, warum: Die Freien Wähler seien eine "wachsende Kraft", sagt Aiwanger. Bei der Europawahl 2009 gab es immerhin 1,7 Prozent. Kann man gelten lassen. Die FDP hat bei Landtagswahlen jüngst schon schlechter abgeschnitten.

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