Angela Merkel spricht nur ein paar Minuten öffentlich auf der Konferenz "Frauen in Führungspositionen", die zum zweiten Mal im Kanzleramt stattfindet. Doch die Bundeskanzlerin erreicht eine hohe Lacherquote unter den Teilnehmern, die meisten sind Frauen in Führungspositionen. Etwa, als sie von Selbstzweifeln spricht, die den Aufstieg behindern können: "Hier stellen sich Frauen Fragen, die sich Männer auch mal stellen sollten: ob sie geeignet sind."
Oder als sie sagt, dass der Moderator - ein Mann - auch etwas sagen dürfe. Später erinnert Merkel an Elisabeth Schwarzhaupt, die 1961 Gesundheitsministerin wurde und als erste Frau überhaupt ein Ministeramt bekleidete. Die CDU-Politikerin habe dazu gesagt, sie habe ein Bein in die Tür bekommen, und die Kanzlerin ergänzt: "Die Tür geht nicht mehr zu. Doch der Fuß steckt manchmal ganz schön fest drin im Türspalt." Allerdings tue sich etwas: "Selbst ich sitze ja hier."
Vielleicht hat die entspannte Atmosphäre auch damit zu tun, dass Merkel gleich zu Beginn das Streitthema wegräumt, das seit Dienstag die Koalition entzweit. Unionspolitiker hatten gefordert, die Umsetzung der Frauenquote in Unternehmen solle verschoben werden. Die Kanzlerin hält davon nichts: "Es ist so beschlossen, und nun wird es auch so gemacht." Man werde dann feststellen, "dass das Leben nicht beschwerlicher wird".
Der parlamentarische Geschäftsführer der Union, Michael Grosse-Brömer, hatte am Dienstag gesagt, die Unionsfraktion fände es gut, wenn damit "ein wirtschaftspolitisches Entlastungsprogramm" mit der Quote verbunden sei.
"Das Gesetz kommt", sagt Merkel
Auch CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt hatte auf die Interessen der Wirtschaft verwiesen: Es müsse angesichts der Konjunkturschwäche auch die Frage gestellt werden, ob die Vereinbarungen im Koalitionsvertrag wirklich schnell umgesetzt werden müssten "oder ob wir uns noch ein bisschen Zeit lassen". Angela Merkel sagte dazu: "Noch länger zu diskutieren wäre müßig. Denn es ist beschlossen, dass das Gesetz kommt." Der Anteil von Frauen in den Vorständen großer Dax-Unternehmen sei gesunken, deshalb sei eine gesetzliche Regelung notwendig.
Derzeit ist der Anteil weiblicher Führungskräfte in der Wirtschaft sehr gering. 2013 waren dem Justizministerium zufolge nur 4,4 Prozent aller Vorstände und 15,1 Prozent der Aufsichtsratspositionen der Top-200-Unternehmen mit Frauen besetzt. Bundesjustizminister Heiko Maas und Familienministerin Manuela Schwesig (beide SPD) wollen von 2016 an eine Geschlechterquote von mindestens 30 Prozent für Aufsichtsräte von Unternehmen vorschreiben, die börsennotiert und voll mitbestimmungspflichtig sind. Betroffen wären davon etwa hundert Unternehmen.
Zugleich ist für ungefähr 3500 Firmen, die nur eines dieser zwei Merkmale erfüllen, eine Pflicht zur Selbstverpflichtung vorgesehen, den Frauenanteil in den obersten Management-Ebenen zu erhöhen. Wann der Entwurf vom Kabinett beschlossen wird, ist offen. Regierungssprecher Steffen Seibert sagte am Mittwoch in Berlin, er könne keinen genauen Zeitplan nennen.
Bei Bayerns Wirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) ist die Kritik an der geplanten Quotenregelung auf Zustimmung gestoßen. In Zeiten einer Konjunktureintrübung sei eine gesetzliche Frauenquote "das komplett falsche Signal", sagte sie der Bild-Zeitung. Auch die Gewerkschaften sehen die geplante 30-Prozent-Quote skeptisch. Die Vize-Vorsitzende des DGB, Elke Hannack, sagte in der Passauer Neuen Presse, die Quote müsse deshalb von der Geschlechterverteilung in der Belegschaft abhängig gemacht werden.
Monika Schulz-Strelow hingegen, Präsidentin der Initiative Fidar - Frauen in die Aufsichtsräte, nannte es "beschämend, dass einige Vertreter der Christdemokraten die im Grundgesetz verankerte Gleichberechtigung unter den Vorbehalt der Kassenlage stellen wollen." Frauen in dieser Form die Kompetenz abzusprechen und sie zum Wirtschaftsrisiko abzustempeln sei "sehr bedenklich, geradezu grotesk".
Schwesig beharrt auf der Quote
Manuela Schwesig, die an der Führungskräftekonferenz am Mittwoch teilnahm, beharrte hingegen auf der Notwendigkeit des geplanten Gesetzes. Wenn es im gleichen Tempo weitergehen würde wie bisher, dann wäre ein Anteil von 40 Prozent Frauen in den Chefetagen erst in über hundert Jahren erreicht. Die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern sei zwar im Grundgesetz verankert, aber die Realität sehe nicht nur in der Wirtschaft, sondern auch in staatlichen Institutionen ganz anders aus.
Unter den Teilnehmerinnen der Konferenz gab es ebenfalls wenig Verständnis für die Einlassungen aus der Union. In einer der Arbeitsgruppen sei der Tenor einhellig gewesen, fasst Annette Messemer, Bereichsvorstand der Commerzbank, zusammen: Gerade auch aus ökonomischen Motiven müsse Diversity, also die Vielfalt der Geschlechter, angestrebt werden. Dazu sei es auch nötig, dass sich Unternehmenskulturen und Rollenbilder veränderten. Dieser Wandel gehe viel zu langsam voran. Die Unternehmerin Angelique Renkhoff-Mücke, Vorstandsvorsitzende der als familienfreundlich ausgezeichneten Firma Warema Renkhoff, formulierte es so: "Das ist vergleichbar mit dem Ritt auf einer Schnecke."