An einem Montag im September ist die Skinhead-Front Dortmund-Dorstfeld vor dem Landgericht der Stadt versammelt. Sie kommen aus einer Verhandlung, es geht um eine Sache aus dem Dezember 2010. Neonazis, den Aufnahmen der Sicherheitskamera nach sieben Männer und zwei Frauen, haben an einem Samstagabend die Hirsch-Q überfallen, eine linke Szenekneipe in Dortmund.
Die Angeklagten sind gut gelaunt. Sie glauben, dass ihnen nichts nachgewiesen werden kann, geben sich betont freundlich. "Pass auf, Charlotte, du stehst im Weg", ruft einer. Eine junge Frau, etwas pummelig, rot gefärbte Haare, geht zur Seite. Ihr Smartphone lässt sie dabei nicht aus den Augen. Der junge Mann nickt den Passanten, einem Ehepaar mit identischen Windjacken, freundlich zu. "Entschuldigung, jetzt ist frei." Das Pärchen schaut nicht gerade glücklich. Zögernd gehen sie vorbei. Der freundliche junge Mann trägt Glatze, Runen-Tätowierungen und ein T-Shirt. Darauf steht: "Brauner Stahlhelm. Helden für Deutschland."
Ein anderer hat eine Tätowierung auf dem linken Unterarm: "Bruder Schweige". Der rechte Arm steckt in einem Gips. Charlotte K., das pummelige Mädchen mit dem Smartphone, wirkt unauffällig. Den Schriftzug "Viking" auf ihrer Jacke erkennt man erst auf den zweiten Blick. Sie rempelt einen der Kleineren an, streicht ihm lachend über die Glatze. Er schaut zu ihr hoch, hebt eine Halbliterflasche Bier in die Luft. Die Stimmung ist ausgelassen.
Oben im Gericht hat bis vor ein paar Minuten ein Zeuge ausgesagt, ein Tontechniker, der an dem Tag des Überfalls seinen 39. Geburtstag feierte. Der Abend endete für ihn mit einem angebrochenen Nasenbein, je einem Messerstich in Schulter und Hüfte, Stiefelabdrücken im Gesicht. Er leidet an Schlafstörungen, meidet größere Gruppen, hat die Stadt gewechselt. Charlotte K. saß ihm in der Verhandlung direkt gegenüber, unbewegt. Nur als er von Ängsten sprach, die ihn bis heute heimsuchen, konnte sie sich das Grinsen nicht verkneifen. Die Männer um sie herum haben es erst gar nicht versucht.
Zwei neue Frauenbilder der Szene
Der Wortführer der Gruppe Sven K. hat vor einigen Jahren den Punker "Schmuddel" in einem Dortmunder U-Bahnhof erstochen. Er wurde nach Jugendstrafrecht verurteilt, ist wieder auf freiem Fuß und in der Skinhead-Front aktiv. Lange vor Beginn der Sitzung steht Sven K. auf dem Flur des Gerichts, begrüßt die Männer mit Handschlag. Die Frauen, zwei mit Chucks, schwarzen Haaren, Earplugs und Tattoos, zwei andere, Mädchen noch, mit goldbraun gefärbten Haaren und Kunstlederjacken, umarmt er. Als er Charlotte K. begrüßt, ist etwas anders: Als er ihr an den Hintern fasst, grabscht sie zurück.
Opferberaterin Luzar kennt Charlotte K. noch aus einem anderen Fall: "Da wurde eine schwarze Deutsche vor dem McDonald's brutal zusammengeschlagen. Von jungen Frauen, denen man ihre Gesinnung nicht ansieht." Dass Frauen genauso viel Alkohol trinken, genauso zuschlagen wie Männer: Auch das ist eine Entwicklung der vergangenen Jahre.
Die NPD-Politikerin Schüßler und Charlotte K. stehen für zwei neue Frauenbilder in der rechten Szene: die eine professionell und selbstbewusst, die andere auffällig, laut. Beide im Auftreten viel normaler als die schwarzgekleideten Skinheadfrauen, die man von Demonstrationen kennt oder die blonden Muttis mit Zöpfen und Schürze aus früheren NPD-Werbespots.
Sigrid Schüßler hat jahrelang als Schauspielerin gearbeitet, posiert jetzt für die Kamera in ihrem Garten, im Treppenhaus, vor dem Klavier im Wohnzimmer. Ihre Töchter schauen bewundernd zu: "Schöne Mama", sagt die ältere, ein sechsjähriges Mädchen mit Down-Syndrom. Obwohl Schüßler sagt, dass sie in der Nachbarschaft nicht missioniert, hängen auch dort die Plakate mit ihrem Gesicht. "Unwiderstehlich anders. NPD" steht darauf.