Süddeutsche Zeitung

Frauen im Kongo:Von der Welt allein gelassen

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Im Kongo werden Tausende Frauen vergewaltigt, doch die UN-Blauhelme greifen nicht ein. Die Täter kommen fast immer ungestraft davon.

Arne Perras, Kampala

In Kriegen der Welt sind Vergewaltigungen eine verheerende Waffe. In den Bergen und Wäldern des Ostkongo, wo Milizen und Armee seit Jahren Zivilisten tyrannisieren und ausplündern, ist die sexuelle Gewalt besonders weit verbreitet und nur schwer einzudämmen.

Die politischen Konflikte im Herzen Afrikas schwelen ungelöst weiter, während die Bevölkerung kaum Schutz vor den Exzessen der Rebellen und der korrupten Armee findet. Frauen und Kinder leiden am meisten, wie auch die jüngsten Vorfälle in der Provinz Nordkivu bestätigen. Dort kam es nach Erkenntnissen von Hilfsorganisationen und der Vereinten Nationen zu erneuten Massenvergewaltigungen, denen über Tage hinweg mehr als 150 Frauen, Mädchen und Jungen zum Opfer gefallen sind.

Niemand sühnt diese schweren Verbrechen, die Täter kommen fast immer ungestraft davon. Für den jüngsten Fall werden Mai-Mai-Kämpfer und die Miliz FDLR verantwortlich gemacht. Sie besetzten den Ort Luvungi vom 30. Juli bis 3. August, von sexueller Gewalt wollen die UN aber erst am 12. August erfahren haben, obgleich UN-Soldaten nur wenige Kilometer vom Tatort entfernt stationiert sind. Ein Sprecher entschuldigte die Verzögerung damit, dass die Gegend bewaldet und schwer zu überblicken sei. Die Bewohner hätten Angst vor Rache, wenn sie von den Verbrechen erzählen.

Die Mai-Mai verstehen sich als eine Art lokaler Bürgerwehr. Sie haben wenig Disziplin und sind für ihre Grausamkeit bekannt. Die FDLR ist eine radikale Hutu-Miliz, die sich nach dem Genozid in Ruanda im Ostkongo festgesetzt hat. Sie finanziert sich durch den illegalen Verkauf von Bodenschätzen und ist, wie alle Milizen der Region, berüchtigt für ihre Überfälle auf Zivilisten. Die Kontrolle über bestimmte Gebiete sichern sie sich durch massive Gewalt und Einschüchterung der Dorfbewohner und durch ein dichtes ökonomisches Netzwerk, das ihr das Einkommen, den Nachschub und regionale Macht festigt. Mit Gold, Zinn oder Coltan machen Rebellen und Armee im Kongo lukrative Geschäfte, Zivilisten profitieren davon nur selten.

UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon hat nun einen seiner Vertrauten entsandt, um die Verbrechen zu untersuchen. Der Inder Atul Khare, Vize-Chef der Peacekeeping-Abteilung, soll die Attacken aufklären. Das Ausmaß der sexuellen Gewalt in den beiden umkämpften Kivu-Provinzen ist schwer zu beziffern, weil viele Verbrechen gar nicht registriert werden. Die UN spricht für 2009 allein schon von mindestens 8000 Fällen. Seit Ausbruch des Kongokrieges 1996 dürften es weit über 100.000 Opfer sein.

Nach Untersuchungen aus Südkivu wurden dort nahezu zwei Drittel der Opfer jeweils von mehreren bewaffneten Männern verletzt. Auch bei den Attacken in Luvungi sollen bis zu sechs Milizionäre über einzelne Frau oder Kinder hergefallen sein. Die Opfer werden seelisch gebrochen und erniedrigt, viele Menschen sind nach solchen Attacken so schwer verletzt, dass sie nicht lange überleben oder ein Leben lang leiden.

Der jüngste Vorfall wirft nicht nur ein Schlaglicht auf einen seit Jahren ungelösten Konflikt, der kaum noch globale Aufmerksamkeit erregt. Er nährt auch Zweifel an den Fähigkeiten der Blauhelme. Immer wieder wurden sie kritisiert, dass sie ihr Mandat, Zivilisten zu schützen, nicht erfüllen könnten. Die Truppen sind kaum motiviert und für den Einsatz oft schlecht gerüstet und vorbereitet. Sie schützen vor allem sich selbst, aber nur selten andere.

Außerdem haben sie wiederholt Offensiven der kongolesischen Armee unterstützt, die selbst für Mord, Vergewaltigungen und Plünderungen verantwortlich gemacht wird. Auch dies kratzt am Ruf der Blauhelme, die nach dem Willen der kongolesischen Regierung im nächsten Jahr abziehen sollten.

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Quelle:
SZ vom 26.08.2010
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