Kampf um Gleichberechtigung nach 1945:Die Domestizierung begann umgehend

Gerade noch waren die Frauen die Mehrheit im Staate gewesen, gerade noch hatten sie Bauernhöfe bewirtschaftet, Handwerksbetriebe geleitet und Fabriken aufrechterhalten. Und nun sollten sie alle wieder brav zur Seite treten. Platz machen für die Männer. Kaum kamen die nach Hause, schon wollten sie wieder Chef sein. Eine Ärztin schrieb damals an die Frauenzeitschrift Constanze, die Männer könnten nach der Niederlage "nicht verlangen, dass wir uns wieder ihrer Führung anvertrauen".

Andere Frauen beschwerten sich, es gebe ständig Streit zu Hause: "Er ist mit allem unzufrieden. Haben die Männer denn noch nicht genug bekommen vom Kommandieren?" Und eine Referentin im Bonner Innenministerium fragte öffentlich, ob sich die Männer nicht auch mal an der Teppichstange beweisen könnten. Das Ministerium erregte sich so über die Beamtin, dass sie fast ihren Job verloren hätte.

Die Zahl der Scheidungen stieg

Manche Frauen wehrten sich noch ein wenig, doch ihre Domestizierung begann umgehend. Und die Männer konnten sich darauf verlassen, dass das Recht auf ihrer Seite war. Frauen durften damals nicht ohne Zustimmung ihres Mannes arbeiten, der Ehemann konnte auch gegen den Willen der Frau ihre Arbeitsstelle kündigen, die Ehefrau war zur Führung des Haushalts verpflichtet und wenn es um die Kinder ging, hatte der Mann immer das "Letztentscheidungsrecht". Auch wenn er die Kinder jahrelang nicht gesehen hatte.

So wenig hatten die Frauen in einer Ehe zu sagen, dass die Zeitschrift Constanze ihren Leserinnen 1947 riet: "Fällt die materielle Sicherung durch die Ehe weg, und das ist heutzutage in den meisten Fällen der Fall, so sehen erfahrene und realistische Frauen keine Veranlassung, ihre Freiheit und Selbständigkeit gegen die Risiken einer Ehe einzutauschen." Das einzige, was den Frauen blieb, war zu gehen: Die Zahl der Scheidungen stieg, 1946 sogar auf das Doppelte der Vorkriegszeit.

Der Kampf um mehr Rechte war mühselig. 1949 kam der schlichte Satz "Männer und Frauen sind gleichberechtigt" ins Grundgesetz. Und auch das erst nach hartem Kampf. Eigentlich war der Satz schon abgelehnt worden im Gremium aus 66 Vätern und nur vier Müttern des Grundgesetzes, die an der neuen Verfassung arbeiteten. Erst die SPD-Juristin Elisabeth Selbert setzte ihn durch: Indem sie über alle Radiokanäle die Frauen dazu aufrief, sich mit Briefen an den Parlamentarischen Rat zu wenden und für die Gleichberechtigung zu kämpfen. Unter der Sturmflut von Briefen brach die Gegenwehr zusammen.

Aber was hieß das schon? Im Grundgesetz stand die Gleichberechtigung drin, aber das Bürgerliche Gesetzbuch stammte noch aus der Jahrhundertwende und sah die Frau höchstens als Gehilfin des Mannes, nicht aber als eigenständige Persönlichkeit. Diese Paragrafen wirkten bis in die 1970er-Jahre fort.

Nur im Osten erhielten die Frauen schon 1946 das Recht auf gleichen Lohn für gleiche Arbeit - wenn auch die Chefs meistens Männer waren. 1953 dann wurde in der DDR das "Gesetz über die Rechte der Frauen" erlassen, das die flächendeckende Kinderbetreuung einführte und der Frau den Zugang auch zu Männerberufen eröffnete. So wurden die DDR-Frauen Traktoristinnen, Kranführerin, Kombinatsleiterinnen. Ihre Kinder wurden in Ganztagskindergärten versorgt - alles Dinge, die dem Westen zutiefst unfraulich und sozialistisch erschienen. Kinder und Karriere, das ist im Westen erst in den vergangenen zehn Jahren zum Allgemeingut geworden.

Im Westen wurde erst 1975, mit der Eherechtsreform der sozialliberalen Koalition, das letzte frauenfeindliche Gerümpel aus dem Familienrecht gestrichen. Erst dann wurde der Satz aufgenommen: "Beide Ehegatten sind berechtigt, erwerbstätig zu sein." Zuvor durfte sie nur einen Beruf ausüben, "soweit dies mit ihren Pflichten in Ehe und Familie vereinbar ist". Der Mann musste nur ein Stäubchen auf dem Wohnzimmerschrank finden und schon war's vorbei mit Freiheit und Selbständigkeit. Das war sieben Jahre nach der Studentenrevolte der Achtundsechziger, sechs Jahre nach der Mondlandung. Und 30 Jahre, nachdem die Trümmerfrauen das Land mitaufgebaut hatten.

Es war wieder eine einzige Frau, die den Gesetzgeber dazu brachte, die Gleichberechtigung im Grundgesetz auch umzusetzen: die Verfassungsrichterin Erna Scheffler, die zwölf Jahre lang die einzige Richterin am Bundesverfassungsgericht bleiben sollte. Eine blendende Juristin, die 1914 in der Kaiserzeit noch nicht mal ihr Staatsexamen ablegen durfte, weil Frauen dazu nicht zugelassen waren, und die später von den Nazis Berufsverbot erhielt. Eine Frau, die sich auf vielen Ebenen durchkämpfen musste, die geschieden war und alleinerziehende Mutter. Sie war 53 Jahre alt bei Kriegsende und fast 60, als sie 1951 in Karlsruhe begann. Unter ihrem Druck schaffte das Bundesverfassungsgericht einen Paragrafen nach dem anderen ab, der Frauen diskriminierte.

1957 fiel die Steuervorschrift, wonach berufstätige Ehepaare steuerlich höher belastet werden sollten. Das Bundesverfassungsgericht erklärte, dass es nicht Ziel der Steuergesetzgebung sein könne, die Ehefrau von der Berufstätigkeit abzuhalten. Wenig später hebelte das Verfassungsgericht auch die Höfeordnung aus, wonach die Söhne bei der Vererbung von Bauernhören bevorzugt wurden. 1959 war es dann vorbei mit dem Letztentscheidungsrecht des Ehemanns, wenn es Streit mit der Ehefrau gab, wie der Nachwuchs zu erziehen war. Aber auch darüber, ob die kranke Großmutter ins Haus genommen wurde oder die Tochter aufs Gymnasium gehen durfte. Sogar, ob eine Waschmaschine angeschafft wurde, hatte bis dahin allein der Mann zu entscheiden.

1961 gab es dann zum ersten Mal eine Bundesministerin: Elisabeth Schwarzhaupt, die Konrad Adenauer stets abfällig "Fräulein Schwarzhaupt" nannte. Dabei war die Frau bei Amtsantritt schon 60, langjährige Richterin und Oberkirchenrätin. Aber nicht verheiratet, und das blieb lange ein Makel.

Dann beginnt das Wirtschaftswunder

Und 1992, in seinem berühmten "Trümmerfrauenurteil", stellte das Bundesverfassungsgericht fest, dass Zeiten der Kindererziehung bei der Bemessung der Rente berücksichtigt werden müssen. Immerhin ein kleiner Erfolg für jene Frauen, die 1945 die Zweidrittelmehrheit in Deutschland hatten, aber doch gar keine Macht.

Macht hat man nur, wenn man sie durchsetzen will. Und die Frauen gaben sie dann weg, für die Liebe oder "für ein kleines bisschen Glück", wie Lilian Harvey schon die ganzen Jahre zuvor gesungen hatte. Sie waren ja in ihrer Mehrheit keine Revolutionärinnen. Viele von ihnen waren traumatisiert durch den Krieg, durch die massenhaften Vergewaltigungen, geschwächt durch den jahrelangen Hunger.

Und für viele war Adolf Hitler auch das Idol gewesen, der Mann, für den sie noch im April zum Führergeburtstag Samtdecken auf die Fensterbänke gelegt und dort eine Art Hausaltar aufgebaut hatten. Und selbst wer keine überzeugte Nationalsozialistin war, ist doch im Geiste des Nationalsozialismus erzogen worden. Das wirkte lange nach. Noch in den 1960er-Jahren schrieben junge Mädchen sich Sätze wie diesen in die Poesiealben: "Sei treu und brav, sei rein und edel, mit einem Wort: ein deutsches Mädel." Oder sie hielten sich gegenseitig dazu an, nur ja nicht aufzumucken: "Sei wie das Veilchen im Moose, so sittsam, bescheiden und rein. Nicht wie die stolze Rose, die immer bewundert will sein."

Wer mit solchen Tugendsprüchen aufwächst, fügt sich dann auch brav, wenn der Mann wieder sein "kleines Frauchen" an sich drückt. Männer waren nach dem Krieg ja ein rares "Gut", so dass viele Frauen froh waren, überhaupt einen abzubekommen. Und als der Mann dann wieder ein bisschen Geld heimbrachte, die Kinder kamen und das erste neue Sommerkleid im Schrank hing, da war die Stunde der Frauen vergessen. Das Wirtschaftswunder hatte begonnen.

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