Französische Regierungspolitiker:Urlaub auf Kosten des Diktators

Die französische Außenministerin lässt sich vom tunesischen Ben-Ali-Clan einladen, der Premier macht Urlaub auf Kosten des ägyptischen Präsidenten Mubarak. Präsident Sarkozy schreibt seinen Ministern deshalb Ferien in Frankreich vor.

Lilith Volkert

Die Unruhen in Tunesien und Ägypten bereiten nicht nur nordafrikanischen Autokraten große Sorgen, sie bringen auch französische Regierungspolitiker ins Schleudern. Ihr Problem: Bis vor wenigen Wochen waren sie den inzwischen abgesetzten oder zumindest heftig bekämpften Politikern noch eng verbunden - und nahmen gerne das eine oder andere Geschenk von ihnen an.

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François Fillon zu Besuch beim ägyptischen Präsidenten Hosni Mubarak im Dezember 2008. Zwei Jahre später zahlte Mubarak den Weihnachtsurlaub des französischen Premierministers.

(Foto: AFP)

Am Dienstag hat der französische Premierminister François Fillon eingeräumt, dass er Ende 2010 auf Kosten des ägyptischen Präsidenten Mubarak Urlaub gemacht hat. Fillon hatte offenbar erfahren, dass die viel gelesene Satirezeitschrift Le Canard enchâiné mit dieser Tatsache auf dem Titel an diesem Mittwoch an den Kiosken liegt. Eine Nilkreuzfahrt für Fillon und seine Familie, der Flug mit einer ägyptischen Regierungsmaschine zu den Tempelanlagen in Abu Simbel und die exklusive Unterkunft auf der Nilinsel Elephantine - für all das kam Präsident Mubarak auf, den Fillon am 30. Dezember im Ferienort Assuan traf.

Noch am Dienstagvormittag hatte Fillon - zum Erstaunen seiner Umgebung - Außenministerin Michèle Alliot-Marie beherzt in Schutz genommen. Anfang Februar war bekanntgeworden, dass die Ministerin für ihren Weihnachtsurlaub den Privatjet eines tunesischen Geschäftsmannes benutzt hatte, der zum Clan des gestürzten Präsidenten Ben Ali gehört.

Seitdem fordert die Opposition den Rücktritt von Alliot-Marie - vor allem, weil die Proteste, die zum Sturz des Diktators führten, zur Zeit ihrer Reise schon in vollem Gange waren. Wohl auch deshalb betonte Fillon am Dienstag, dass die Unruhen in Ägypten während seines Urlaubs noch nicht abzusehen gewesen seien. Präsident Mubarak, der seit fast 30 Jahren an der Macht ist und seit Wochen den Rücktrittsforderungen seines Volkes trotzt, galt bist vor kurzem als enger Freund Frankreichs.

Die Parteichefin der oppositionellen Sozialisten, Martine Aubry, äußerte sich "bestürzt" über den von Mubarak finanzierten Familienurlaub des Regierungschefs. Dies zeige, wie sehr die Regierung den "Sinn für die öffentliche Meinung" verloren habe. Der sozialistische Fraktionschef Jean-Marc Ayrault sprach von einer "Krise" auf der höchsten Ebene des Staates. Die Grünen-Abgeordnete Noël Mamère forderte Fillon zum Rücktritt auf.

Der ehemalige Justizminister und Sozialist Robert Badinter zeigte sich allerdings unbeeindruckt und erinnerte an die vielen französischen Politiker, die der frühere König von Marokko, Hassan II., jahrelang empfangen und luxuriös umsorgt hat. Auch die linksliberale Tageszeitung Libération geht davon aus, dass die Liste der von umstrittenen Machthabern eingeladenen Spitzenpolitiker noch nicht vollständig ist.

Präsident Nicolas Sarkozy hat inzwischen ein Machtwort gesprochen. Auslandseinladungen müssten in Zukunft vom Premierminister in Absprache mit dem diplomatischen Stab des Präsidenten genehmigt werden, Minister sollten generell das Urlaubsziel Frankreich vorziehen.

Damit fasst er sich aber auch an die eigene Nase: Am Dienstag war bekanntgeworden, dass Sarkozy am vergangenen Wochenende für einen geheimen Kurzbesuch zu seinem jüngsten Sohn nach New York geflogen war. Die Nachricht wurde verhältnismäßig gelassen aufgenommen: Immerhin kommt dafür der französische Steuerzahler auf - und kein nordafrikanischer Diktator.

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