Grüne Franziska Brantner:Pragmatisch, machtbewusst - und „zu nah dran an Robert“?

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Seite elf Jahren im Bundestag, seit drei Jahren Parlamentarische Staatssekretärin: Franziska Brantner, 45. (Foto: Michael Kappeler/dpa)

Franziska Brantner will neue Grünen-Chefin werden. Und die allermeisten finden: Die kann das. Wäre da nicht der eine große Vorbehalt.

Von Vivien Timmler

Ihr Name war der erste, der kursierte. Noch bevor die Grünen-Vorsitzenden Ricarda Lang und Omid Nouripour zurückgetreten waren, hieß es, Franziska Brantner wolle ihre Nachfolge antreten – also Chefin jener Partei werden, für die sie seit elf Jahren im Bundestag sitzt. Niemand war überrascht.

Schon seit Wochen galt es als ausgemacht, dass die 45-Jährige aus Heidelberg 2025 ein Spitzenamt in der Parteizentrale einnehmen würde. Brantner gilt als scharfe Denkerin und kluge Strategin, pragmatisch und diplomatisch – aber auch hyperehrgeizig und machtbewusst. Noch ist sie Parlamentarische Staatssekretärin im Wirtschaftsministerium vom Robert Habeck, dem Vernehmen nach wollte der sie zu seiner Wahlkampfleiterin machen. Nun soll es gleich der Parteivorsitz sein.

Am Freitag hat Brantner offiziell ihre Kandidatur bekannt gegeben. Hört man sich danach in Ampel und Opposition um, kommt eine Kritik immer wieder: Verhandlungen mit ihr seien schon anstrengend. Brantner gebe nie nach, verhandle hart bis zum Schluss. Und sie ist bisweilen fassungslos, wenn andere Politiker oder gar Minister nach ihrem Empfinden nicht hartnäckig genug sind.

Brantner gehört – genau wie Habeck – zum Realo-Flügel ihrer Partei, koordiniert ihn gar. Auch in weiten Teilen des Linken-Flügels genießt sie hohes Ansehen. Doch gibt es da den einen großen Vorbehalt: Sie sei „zu nah dran an Robert“, heißt es. Bis vor Kurzem war das noch ein Vorteil: zu den engsten Vertrauten des Vizekanzlers zu zählen und in alle Entscheidungen involviert zu sein. Jetzt nicht mehr.

Einige Parteilinke befürchten, das Duo Habeck/Brantner wolle die Grünen weiter in die Mitte rücken, als ihnen lieb ist. Volkspartei mit der Brechstange. Plan A Kanzleramt, Plan B Schwarz-Grün. Brantner sehen sie als Habecks verlängerten Arm. „Ich kandidiere als Franziska Brantner. Und wenn ich gewählt werden würde, dann bekommen alle Franziska Brantner“, hält sie dagegen. Und wird für ihre Verhältnisse geradezu pathetisch: „Wir haben zwei Flügel, und fliegen kann man bekannterweise nur mit beiden.“

Um die Bedenken zu zerstreuen, könnten gleich drei Parteilinke in Schlüsselpositionen kommen: Felix Banaszak als Co-Parteichef, Andreas Audretsch als Wahlkampfleiter, Sven Giegold, der ebenfalls zu Habecks Staatssekretären gehört, würde wohl gern Politischer Geschäftsführer werden. Von einem „Bollwerk“ ist in Kreisen des linken Flügels die Rede. Der Widerstand gegen Brantner bröckelt.

Es sind oft ihre Videos, die viral gehen

Inhaltlich ist der ohnehin nicht begründet. Brantner, eine promovierte Politikwissenschaftlerin, die an der Sciences Po in Paris und der Columbia in New York studierte und vier Jahre im EU-Parlament saß, ist hoch profiliert; nicht wenige schreiben ihr mehr Wirtschaftskompetenz zu als dem Minister. Sie erdachte für ihn eine Rohstoffstrategie, koordinierte den Stopp von Nord Stream 2, rang den Grünen ein Ja zum EU-Freihandelsabkommen mit Kanada ab. Auch bei Mittelständlern in ihrer Heimat Baden-Württemberg zeigt sie sich gern. Immer zur Hand: das Smartphone.

Kaum eine Grüne bespielt Instagram und Tiktok so aktiv – manche sagen: aggressiv – wie sie. Der offizielle Grünen-Account hat zwar zehnmal so viele Follower wie Brantner selbst, doch es sind oft ihre Videos, die viral gehen. Der Stil ist jünger, schneller, Stakkato-artiger. Bekommt sie Tipps von ihrer Tochter (die aus einer Beziehung mit Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer stammt)? Hat sie ein besseres Social-Media-Team als die Parteizentrale? Oder einfach ein feineres Gespür für Themen, die junge Menschen bewegen?

Bevormundungen oder Verbote wird man aus ihrem Mund jedenfalls nicht hören. Sie wisse genau, „dass man Veränderungen nur mit den Menschen hinbekommt, und nicht gegen sie“, sagt Brantner. Dennoch habe sie einen „klaren Kompass“. Der zeigt aktuell 90 Grad an. Denn da liegt, nur fünf Gehminuten von ihrem bisherigen Arbeitsplatz im Wirtschaftsministerium entfernt, die Grünen-Parteizentrale.

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