Süddeutsche Zeitung

Franz Müntefering über Wahlkampfstart der SPD:"Mir standen die Haare zu Berge"

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Deutlicher Rüffel eines erfahrenen Parteikollegen: Franz Müntefering listet in einem Zeitungsinterview die Fehler der SPD zu Beginn ihres Wahlkampfs auf - und zeigt sich verständnislos.

Der frühere Parteivorsitzende Franz Müntefering hat sich entsetzt über Anfangsfehler im SPD-Wahlkampf gezeigt. "In dem Moment, in dem der Kandidat auftritt, muss die Kampagne stehen", sagte Müntefering der Wochenzeitung Die Zeit mit Blick auf Kanzlerkandidat Peer Steinbrück. Das sei bei der Kampagne 1998 so gewesen und bei allen anderen Wahlkämpfen auch.

"Für Steinbrück gab es keine Kampagne, keine Bühne, keine Mitarbeiter, da gab es nichts", sagte Müntefering, der nicht mehr für den Bundestag kandidiert. Wenn intern klar gewesen sei, dass zwei von drei möglichen Kandidaten gar nicht antreten wollten, frage er sich, wie so etwas passieren könne. "Der Start war misslungen. Mir standen die Haare zu Berge", sagte er.

Müntefering bezog sich damit auf den intern bekannten Verzicht von Parteichef Sigmar Gabriel und des Bundestagsfraktionsvorsitzenden Frank-Walter Steinmeier - dennoch wurde wochenlang der Anschein erweckt, als sei das Rennen innerhalb der sogenannten Troika offen.

Letztlich deutete Steinmeier in einem Gespräch mit Journalisten seinen Verzicht an - weshalb Gabriel eilig am nächsten Tag Termine in Bayern absagte, nach Berlin zurückflog und mit Steinmeier Steinbrück zum Kanzlerkandidaten ausrief. Als einfacher Bundestagsabgeordneter verfügte er aber über keinen Apparat - es fehlte zum Beispiel eine Kommunikationsstrategie für das Thema Nebenverdienste.

Müntefering lobte allerdings, wie Steinbrück jetzt kämpfe. Er warnte davor, den Kandidaten umschminken zu wollen. "Steinbrück muss Steinbrück sein", sagte der 73 Jahre alte Sauerländer, der die Partei von 2004 bis 2005 und von 2008 bis 2009 geführt hatte. Als Grund für die schlechten Umfrageergebnisse nannte Müntefering die Weigerung vieler Sozialdemokraten, sich vorbehaltlos hinter die elf Regierungsjahre der SPD von 1998 bis 2009 zu stellen. "Wir haben einiges getan, um das Land erheblich zu stabilisieren", sagte Müntefering. Wenn man das alles für falsch erkläre, dürfe man sich aber über das aktuelle Abschneiden nicht wundern.

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