Es könnte eine Stunde des Triumphs für den Verteidigungsminister sein: Französische Elitesoldaten in Mali befreien Timbuktu aus der Hand islamistischer Rebellen. Doch Jean-Yves Le Drian ist kein Mann des Überschwangs. Er weiß, dass noch schwere Stunden kommen werden in diesem Feldzug. So bleibt er, wie er immer war: realistisch, zurückhaltend und auf ruhige Weise selbstbewusst. Dies sind wertvolle Eigenschaften für den Verteidigungsminister einer Demokratie im Krieg.
Frankreichs Armee ist in guten Händen. Natürlich amtiert Präsident François Hollande kraft Verfassung selbst als Oberbefehlshaber der Streitkräfte. Anders als sein Vorgänger Nicolas Sarkozy überlässt er seinem Verteidigungsminister jedoch viele Entscheidungen. Er berät sich nahezu täglich mit Le Drian im Élysée-Palast und folgt gern dessen Empfehlungen.
"Das Ziel ist die vollständige Rückeroberung Malis"
Die beiden alten Weggefährten sind sich in der Strategie einig: Sie wollen den Vormarsch der Islamisten im Maghreb stoppen. "Das Ziel ist die vollständige Rückeroberung Malis. Wir lassen keine Widerstandsnester übrig", sagt Le Drian. Dabei gehe es in Mali auch um die Sicherheit Europas. Zugleich mahnt der Minister die Franzosen, sich auf einen langen Kampf einzustellen. Die Sahelzone dürfe keine Hochburg von Terroristen werden.
Le Drian liebt das Scheinwerferlicht nicht. Der 65 Jahre alte Sohn eines Hafenarbeiters besucht lieber die Truppe als Pressekonferenzen. Doch er stellt sich der Pflicht, den Krieg in Mali der Öffentlichkeit zu erklären. Als altgedienter Verteidigungsexperte weiß er, wovon er spricht. Er gehört zu den wenigen Schwergewichten in Hollandes eher unerfahrener Regierung; und er hat das Vertrauen des Präsidenten. Die beiden sind seit Jahrzehnten Freunde.
Le Drian gilt als europafreundlicher Reform-Sozialdemokrat
Le Drian stammt aus der bretonischen Marine-Stadt Lorient. Nach dem Wehrdienst studierte er Geschichte. Er stieß über die christliche Arbeiterjugend zur Sozialistischen Partei, wurde Bürgermeister von Lorient, Abgeordneter, kurzzeitig Marine-Staatssekretär und später Regionspräsident der Bretagne. In der Nationalversammlung saß er lange im Verteidigungsausschuss. 2007 schlug Le Drian ein Angebot des konservativen Präsidenten Sarkozy aus, Verteidigungsminister zu werden. Er sei schließlich Sozialist. Im Wahlkampf 2012 beriet er Hollande in Sachen Rüstung und Militär. Er knüpfte Kontakte zu den Nato-Partnern und kannte die Dossiers, als er im Mai doch noch Minister wurde.
Wie sein Chef Hollande gilt auch Le Drian als europafreundlicher Reform-Sozialdemokrat. Er möchte der europäischen Verteidigungspolitik neuen Schwung verleihen. Den Afghanistan-Rückzug der französischen Truppen organisierte er reibungslos. Den Aufmarsch in Mali scheint er ebenfalls gut vorbereitet zu haben. In einem aber irrte Le Drian: Vergangenen Oktober versicherte der Minister, keine französischen Bodentruppen in Mali einzusetzen. Nun kämpfen seine Soldaten am Fluss Niger und im Wüstensand.