Süddeutsche Zeitung

Frankreichs Präsident:Macron tappt in die Arroganzfalle

  • Frankreichs Präsident Emmanuel Macron spricht abfällig über protestierende Arbeiter und Arbeitslose.
  • Seine elitären Attituden kommen schlecht an in einem Land, das das Prinzip der Gleichheit der Bürger hochhängt.
  • Dabei wird Macron Takt und Stilgefühl brauchen, wenn er seine Reformagenda durchsetzen will.

Von Stefan Ulrich

Er hätte es wissen können. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hätte sich dazu nur an seinen Vorvorgänger Nicolas Sarkozy erinnern müssen. Sarkozy hatte einst einem aufgebrachten Bürger, der ihm den Handschlag verweigerte, zugerufen: "Hau ab, armer Idiot." Den Satz wurde er nicht mehr los. Er wurde zur Chiffre dafür, dass Sarkozy ein arrogant-aggressiver Machtmensch sei, der sich nicht unter Kontrolle habe.

Am Mittwoch leistete sich Macron einen ähnlichen Fauxpas, als er bei einem Besuch in Zentralfrankreich in derben Worten zum Ausdruck brachte, protestierende Arbeiter und Arbeitslose sollten lieber dahin gehen, wo es Jobs gebe, statt Chaos anzurichten. Das kritische Echo von ganz links bis ganz rechts ist nun ohrenbetäubend. Es gipfelt in dem Satz, Macron sei ein "président des riches", ein Präsident der Reichen. Schlimmer kann ein Vorwurf in Frankreich kaum sein.

Erschwerend kommt hinzu: Der 39 Jahre junge Präsident, frühere Investment-Banker und Eliteschüler aus einer Ärztefamilie ist schon öfter verbal auffällig geworden. Mal wetterte der forsche Reformer, er werde den "Faulen" nicht nachgeben. Mal sprach er abwertend über "analphabetische Arbeiter". Ein andermal unterschied er zwischen denen, die Erfolg haben, und jenen, "die nichts sind". Mal riet er Protestierern, die auf seine teuren Anzüge anspielten: "Die beste Methode, um sich einen Anzug leisten zu können, ist es zu arbeiten." Diese elitäre Attitude kommt sehr schlecht an in einem Land, das die "Égalité", das Prinzip der Gleichheit der Bürger, auf jedes Rathaus geschrieben hat.

Auch Hollande machte es den Franzosen nicht recht

Wobei es ein Hausherr im Rathaus der Republik, dem Élysée-Palast, nicht leicht hat. Denn allzu gleich soll er auch wieder nicht sein. Macrons sozialistischer Vorgänger François Hollande wurde von den Franzosen verspottet, weil er ein "normaler Präsident" sein wollte. Ein Nachfolger Charles de Gaulles und François Mitterrands und Herr über die französische Atomstreitmacht normal? Das fanden viele lächerlich, zumal sich Hollande immer wieder recht gewöhnlich benahm.

Von ihrem Präsidenten aber, der ja die Bedeutung der Nation verkörpern soll, erwarten die Bürger eine gewisse Haltung, die nicht mit Hochmut verwechselt werden kann. Macron, so finden seine Kritiker, muss noch lernen, zwischen beidem zu unterscheiden.

Takt und Stilgefühl, gerade gegenüber Menschen, die nicht so schön, jung, smart und erfolgreich wie der sozialliberale Präsident sind, werden wichtig sein, wenn er seine anspruchsvolle Reformagenda durchsetzen will. Wie im Wahlkampf angekündigt, macht sich Macron gerade an den Umbau seines Landes. Er hat bereits den Arbeitsmarkt liberalisiert, was ihm viele Linke als Verrat an den sozialen Errungenschaften der Republik kritisieren.

Nun will er die Vermögensteuer für bewegliches Vermögen wie Aktien oder Yachten abschaffen. Auch andere Abgaben, etwa auf Kapitalgewinne, möchte er senken, um die Wirtschaft anzukurbeln. In einem Land, das sich dem Kapitalismus nur sehr ungern öffnet, kommt da schnell der Vorwurf auf, der Präsident diene nur den Reichen. Umso mehr müsste er sich davor hüten, ihn durch abfällige Sprüche wie am Mittwoch zu bestätigen.

Dabei tourt Macron eigentlich gerade durchs Land, um eine weitere Reform - die der Berufsausbildung - zu vermitteln. Sie soll besonders Schulabbrechern und Arbeitssuchenden zugute kommen. Macron könnte damit sein soziales Profil schärfen, zumal der Unmut und die Demos in Frankreich heftiger werden. Umso mehr erstaunt, dass er zum wiederholten Mal in die Arroganz-Falle tappt. Seine Gegner halten ihm nun vor, er sei "mit dem goldenen Löffel im Mund" geboren worden und verachte in Wahrheit die Franzosen.

Nun kann man sich fragen, wieso sich ein Mann, der eigentlich ein brillanter Kommunikator und Meister medialer Inszenierungen ist, derart ungeschickt daherredet. Eine Antwort in Frankreich lautet: Vielleicht ist es ja Absicht. So glaubt Philippe Moreau-Chevrolet, ein Professor für politische Kommunikation in Paris, der Präsident wolle mit seinen kräftigen Sprüchen sein Image als Musterschüler korrigieren und sich volkstümlich geben.

Erfolg bei den Wählern der Rechten

Seine Berater rechtfertigen ihn tatsächlich damit, Macron rede eben so daher wie er denke. Zudem vermutete Moreau-Chevrolet in einem Interview mit dem Magazin L'Express, der Präsident umwerbe mit seinen Sticheleien gegen Arbeiter, Arbeitslose und linke Demonstranten die Wähler der Rechten. Falls dem so ist, so hat er damit bereits Erfolg, wie Umfragen belegen.

Bei der Stichwahl um die Präsidentschaft in diesem Frühjahr hat Macron die Kandidatin der extremen Rechten, Marine Le Pen, geschlagen. Bei der nächsten Wahl 2022 könnte Jean-Luc Mélenchon, der Anführer der extremen Linken, sein Gegner sein. Mélenchon agiert derzeit als kraftvollster Oppositionsführer. Um ihn zu schlagen braucht Macron nicht nur die sozialdemokratischen Wähler, sondern auch diejenigen der bürgerlichen Rechten.

Ob es geschickt ist, dafür das Land mit Arroganz zu spalten, wird sich der Präsident überlegen müssen. Die Königin Marie Antoinette soll einst gesagt haben, wenn die Leute kein Brot hätten, sollten sie halt Kuchen essen. Gut bekommen ist ihr der Hochmut nicht.

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SZ vom 06.10.2017/pes
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