Einsatz für Transaktionssteuer:Sarkozys fadenscheiniges Manöver

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Frankreichs Präsident steht unter Druck: Nur noch knapp vier Monate bis zur Präsidentschaftswahl und in Umfragen liegt der sozialistische Herausforderer vorn. Zeit für mutiges Vorpreschen, mag sich Sarkozy gedacht haben. Doch sein Vorstoß zur Finanztransaktionssteuer ist vor allem eines: ein Wahlkampfgag.

Michael Kläsgen

Spätestens jetzt ist klar, dass Nicolas Sarkozy in den Wahlkampf eingetreten ist. Er will eine Finanztransaktionssteuer in seinem Land auch dann einführen, wenn Deutschland und die anderen EU-Länder nicht mitmachen. Ein wenig ist Angela Merkel nun zwar auf den französischen Präsidenten eingegangen. Aber im Prinzip wiederholte die Kanzlerin auf dem deutsch-französischen Gipfel nur, was sie immer sagt: Am liebsten wäre es ihr, alle 27 EU-Staaten inklusive Großbritannien zögen mit. Zur Not aber könne sie sich auch dazu durchringen, die Steuer nur im Euro-Raum einzuführen. Es war der Versuch, die Absage möglichst freundlich zu formulieren.

In den Umfragen liegt Sarkozy seit Wochen hinter seinem sozialistischen Konkurrenten François Hollande - um die Präsidentschaftswahl doch noch zu gewinnen, macht er große Versprechen. Deren Einlösung nach einer Wiederwahl ist fraglich. (Foto: AFP)

Der Hasardeur aus dem Élysée-Palast tut hingegen so, als schwinge er sich mangels Alliierter dazu auf, den Alleingang zu wagen. Dies ist das bislang deutlichste Zeichen dafür, dass der von Umfragen Gepeinigte knapp vier Monate vor der Präsidentschaftswahl dazu bereit ist, nur noch bedingt ernsthafte Politik zu betreiben.

Es braucht keine hellseherischen Fähigkeiten, um zu erkennen, dass der Vorstoß vor allem Stimmen aus dem gegnerischen Lager anlocken soll. Das ist zwar legitim, in diesem Fall aber entpuppt sich das Manöver als allzu durchsichtig. Beeindrucken will Sarkozy offenkundig die linke Klientel, der die Steuer weithin am Herzen liegt.

Natürlich klingt die Ankündigung, allein vorzupreschen, mutig und entschlossen. Bei näherer Betrachtung erweist sie sich jedoch als fadenscheinig. Denn Sarkozy will sein Versprechen erst Monate nach der Wahl einlösen. Wann das Gesetzgebungsverfahren beginnt, ist unklar - die Steuer soll jedenfalls erst 2013 in Kraft treten.

Bis dahin kann viel geschehen. Die spontane Empörung auf dem Finanzplatz Paris, von Konzernen, Banken und Vermögensverwaltern lässt erahnen, wie viele gute Argumente sie Sarkozy bis dahin noch liefern werden, um ihn von seinem Vorhaben abzubringen. Sarkozy verspricht also etwas, was er wohl so nie einführen wird. Sein Überraschungscoup wirkt denn auch eher wie eine Verzweiflungstat, die zeigt, wie sehr der Präsident in die Defensive geraten ist.

Eine unausgewogene, wankelmütige und opportunistische Steuerpolitik

In den Umfragen liegt Sarkozy seit Wochen hinter dem sozialistischen Herausforderer, gleichwohl kann er die Wahl noch gewinnen. Aber er kann nicht aus einer Position der Stärke agieren.

Fast alles auf dem Gebiet der Wirtschaft spricht gegen den Präsidenten: Die Arbeitslosigkeit steigt, das Wachstum sinkt und die Investoren verlieren das Vertrauen in Frankreich. Die führende Ratingagentur Standard & Poor's sprach ein vernichtendes Urteil. Das Land werde von den Anlegern längst nicht mehr als Staat mit der höchsten Bonität AAA bewertet. Die Geldgeber stuften Frankreich vielmehr als BBB-Kandidat ein, als Land mit einer mittelmäßigen Kreditwürdigkeit.

Frankreich hat es unter Sarkozy nicht geschafft, den Anlegern plausibel darzulegen, wie sich das Land aus der Schuldenkrise befreien will. Die Regierung hat sich über die gesamte Legislaturperiode hinweg etwas vorgemacht. Sie hat ein höheres Wachstum prognostiziert, als es schließlich der Wirklichkeit entsprach. Und sie rechnete mit mehr Steuereinnahmen, als dann flossen.

Sarkozy sprach zwar unentwegt davon, dass er den Franzosen endlich "die Wahrheit" sagen werde. Der Realität wollte aber auch er nicht ins Auge sehen. Das Ergebnis ist eine unausgegorene, wankelmütige und opportunistische Steuerpolitik.

Sarkozy verteilte Geschenke an Gastwirte und Luxushotels, befürwortete aber eine "Reichensteuer". Andere Steuern, die er zu Amtsbeginn einführte, schaffte er wieder ab. Der französische Rechnungshof kritisierte das Abgabensystem als teils undurchschaubar und ungerecht. Sarkozy trug zum Wirrwarr das Seine bei. Eine politische Linie, eine Handschrift, ein klares Konzept ist nicht erkennbar. Die angekündigte Finanztransaktionssteuer fügt sich in den bunten Flickenteppich nahtlos ein.

© SZ vom 10.01.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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