Frankreich:Gesucht: Der Mann, der Marine Le Pen stoppt

Alain Juppé und Nicolas Sarkozy

Alain Juppé (l.) und Nicolas Sarkozy kämpfen gegeneinander um die Präsidentschaftskandidatur der Konservativen in Frankreich.

(Foto: AFP)

Nicolas Sarkozy und Alain Juppé waren bereits Frankreichs Präsident und Premier. Nun kämpfen sie um die Präsidentschaftskandidatur der Konservativen, um ihr politisches Überleben - und gegen den Front National.

Von Christian Wernicke, Paris

Den Bürgern von Bordeaux wird unter Franzosen traditionell ein Faible für die Briten nachgesagt. Das mag erklären, warum das Team von Alain Juppé, dem Bürgermeister der südwestfranzösischen Handelsstadt und aktuellen Favoriten für die Präsidentschaftskandidatur der Republikaner, sich in der Hitze des Vorwahlkampfes einem englischen Motto verschrieben hat: "Keep calm and carry on!", zitieren Juppés Strategen ausgerechnet einen Spruch, mit dem London während des Zweiten Weltkrieges die Kriegsmoral festigen wollte. "Bleib ruhig und mach weiter!" - das hilft, wann immer Nicolas Sarkozy, Juppés agiler Kontrahent, eine Attacke reitet oder eine paar Prozentpunkte in den Umfragen aufholt.

Die Entscheidung, wer Frankreich künftig führen wird, fällt offiziell zwar erst am 7. Mai 2017, dem Tag der Stichwahl für die französische Präsidentschaft. Nur, die Vorentscheidung steht bereits in 50 Tagen an, am 20. November: Dann sind alle Anhänger der französischen Konservativen und des Zentrums zum ersten Urnengang der "Primaire" aufgerufen, zur Urwahl ihres Spitzenkandidaten. Die beiden Erstplatzierten - nach allen Prognosen sind das Juppé und Sarkozy - treten dann eine Woche später zum Duell an.

Immer wieder beherrscht Sarkozy die Debatte

Für beide Männer würde eine Niederlage den politischen Tod bedeuten: Der inzwischen 71-jährige Juppé wäre zu alt für noch einen Anlauf, und für den Ex-Präsidenten Sarkozy wäre eine erneute Schlappe - nach dem Machtverlust 2012 - das endgültige Ticket für die Pensionierung.

Das erklärt, warum Sarkozy sich so ins Zeug legt. Jede Woche wartet der Konservative mit neuen Ideen und ausgesprochen rechten Provokationen auf. Mal will er Zehntausende Terrorverdächtige präventiv in Lager stecken, dann möchte er muslimischen Frauen den "Burkini" per Gesetz verbieten. Oder er verkündet im Streit um Frankreichs mutmaßlich bedrohte Identität: "Wer Franzose wird, hat die Gallier als Vorfahren." Der Satz empörte Historiker - aber Sarkozy beherrschte wieder einmal die Debatte.

"Wer lauter schreit, hat noch lange nicht zwei Stimmen"

Nur, in den Umfragen schlägt sich diese mediale Vorherrschaft bisher kaum nieder. Zwar hat der Ex-Präsident seit der Sommerpause den bis zu 20 Punkte großen Vorsprung halbiert. Aber zuletzt fiel Sarkozy wieder zurück: Laut Figaro würde Juppé, wäre die Vorwahl schon jetzt, diese mit zehn bis 18 Prozentpunkten Vorsprung gewinnen.

Gilles Boyer, der Kampagnenchef von Juppé, deutet diesen Trend mit einem gelassenen Lächeln: "Wer lauter schreit, hat deshalb noch lange nicht zwei Stimmen." Im Gespräch beteuert der 45-jährige Berater des Bürgermeisters von Bordeaux, auch sein Chef bewahre die Ruhe, wenn Sarkozy die Debatte beherrsche: "Wir wissen: Wenn die Menschen von ihm reden, so heißt das noch lange nicht, dass sie für ihn sind." Sobald Sarkozy in den Umfragen zulege, so Boyers Kalkül, werde dies wiederum andere, gemäßigtere Wähler mobilisieren, an der Vorwahl teilzunehmen.

Marine Le Pens Gegner wird jetzt gekürt

Deren Regeln erlauben nicht nur den rund 200 000 Republikanern die Stimmabgabe. Eingeladen sind alle wahlberechtigten Franzosen, die sich per Erklärung eher vage zu den Prinzipien der französischen "Rechten und des Zentrums" bekennen - und die zwei Euro Teilnahmegebühr pro Urnengang entrichten.

Sarkozy ist der Favorit eingefleischter Republikaner, weshalb als Faustregel gilt: Je mehr parteilose Franzosen mitwählen im November, desto besser stehen die Chancen für Juppé. Volk wie Politiker wissen: Die Linke ist 2017 zu schwach, um zu gewinnen; und FN-Chefin Marine Le Pen dominiert im April so gut wie sicher den ersten Wahlgang. Um Le Pen zu stoppen, werden die Franzosen dann für jeden Mann stimmen, der als Zweiter am 7. Mai gegen sie antritt - und der wird jetzt gekürt.

Sarkozy schielt nach rechts, Juppé nach links

Juppé und Sarkozy umwerben sehr unterschiedliche Wähler. Sarkozys harter Kurs gegen Muslime und Einwanderer zielt klar auf Sympathisanten des Front National. Jeder zehnte Le-Pen-Wähler bekundet, er wolle im November die Wahl der Republikaner mit seiner Stimme beeinflussen. Juppé wiederum wendet sich regelmäßig an "enttäuschte Hollande-Wähler": Er umgarnt nicht nur die Anhänger der Kleinparteien in der Mitte, er will auch zehn Prozent der linken Wählerschaft dazu bringen, sich zur Vorwahl der Rechten aufzuraffen.

Die Chancen dafür stehen gut, Juppés Widersacher hat soeben eine "schwarze Woche" erlebt: Neue Dokumente haben die alte Affäre um angebliche Geldspenden des damaligen libyschen Diktators Muammar al-Gaddafi für Sarkozys Kampagne 2007 wiederbelebt. Zwei hochrangige Vertraute aus Polizei und Geheimdienst wurden wegen illegaler Umtriebe festgenommen. Patrick Buisson, einst mächtigster Élyséeberater Sarkozys, plauderte in einem Buch aus, wie der frühere Innenminister es absichtlich zuließ, dass eine Studentendemo von Schlägern aus der Vorstadt zusammengeprügelt wurde.

Sarkozys wischt alle Vorwürfe vom Tisch. Und warnt seine Partei vor einer neuen Gefahr: Die Linke wolle per Teilnahme die rechte Vorwahl "stehlen". Demnach wäre Juppé ein Dieb.

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