Familienstreit beim Front National:Die Partei ist wichtiger als das Verhältnis zu Papa

National Front May Day rally in Paris

Den Vater für die Politik geopfert: Jean-Marie und Marine Le Pen bei einer Veranstaltung des Front National am 1. Mai in Paris.

(Foto: Yoan Valat/dpa)
  • Wegen parteischädigender Äußerungen wird die Parteimitgliedschaft von Front-National-Gründer Jean-Marie Le Pen ausgesetzt.
  • Es ist der endgültige Bruch zwischen der FN-Vorsitzenden Marine Le Pen und ihrem Vater.
  • Den Familienkrach hatte der Vater vor einem Monat mit provokativen rechtsradikalen Äußerungen vom Zaun gebrochen.
  • FN-Chefin Marine Le Pen arbeitet daran, der Partei ein moderateres Image zu verleihen.

Von Christian Wernicke, Paris

Familie und Politik, das ließ sich nie trennen in den Reihen des Front National (FN). Bisher jedenfalls. Nun musste Marine Le Pen, die FN-Vorsitzende, sich endgültig entscheiden: Partei oder Papa? Die 46-jährige Rechtspopulistin hat am Montagabend den Vater Jean-Marie für die Politik geopfert.

Wegen parteischädigender Äußerungen wird die Mitgliedschaft des FN-Gründers ausgesetzt, zudem soll dem Patriarchen der Ehrenvorsitz aberkannt werden. Am Montagabend billigte das FN-Exekutiv-Komitee, das höchste Entscheidungsorgan der französischen Rechtsextremisten, diesen radikalen Schnitt. Binnen drei Monaten sollen die FN-Mitglieder diesen Beschluss und die dafür nötige Änderung der Parteistatuten billigen.

Klarer Sieg für die Tochter im Machtkampf

Marine le Pen scheint entschlossen zu sein, die Krise ihrer Familienpartei für eine grundlegende Erneuerung zu nutzen. Die Führung werde ihren 80 000 Mitgliedern in den nächsten Tag Vorschläge für eine Erneuerung der Partei und eine "modernisierte Bewegung" vorlegen, hieß es am Abend nach der über drei Stunden währenden Krisensitzung der FN-Spitze in einer Erklärung.

Vater Le Pen, als Ehrenvorsitzenden automatisch in allen FN-Führungsgremien dabei, hatte sich am Montag geweigert, an den Beratungen über ihn teilzunehmen. In einer ersten Reaktion schimpfte der Geschasste ob "der Treulosigkeit" der Seinen. Er werde sich mit allen Mitteln gegen den Parteibeschluss wehren. Im Interview mit dem Radiosender RMC polterte Le Pen, die jüngste seiner drei Tochter möge "so schnell wie möglich heiraten - damit sie nicht länger denselben Namen trägt wie ich."

Den Familienkrach hatte Vater Le Pen vor einem Monat vom Zaun gebrochen. Zunächst hatte der 86-jährige FN-Gründer in einem TV-Interview seine schon früher geäußerte (und mehrmals gerichtlich geahndete) Behauptung wiederholt, die Gaskammern der NS-Konzentrationslager seien nur "ein Detail" der Geschichte gewesen.

Kaum hatte sich Tochter Marine von den Aussagen ihres Vaters öffentlich distanziert, legte der nach: In einem Interview mit der rechtsextremen Zeitschrift Rivarol lobte Jean-Marie Le Pen Marschall Pétain, den Chef der Vichy-Regierung, die im Zweiten Weltkrieg mit den deutschen Besatzern kollaborierte.

Marine Le Pen deutete die Einlassungen des Vaters als Provokation und als Versuch, ihre Strategie der "Entteufelung" der Partei zu durchkreuzen. Seit ihrer Amtsübernahme 2011 arbeitet die FN-Chefin daran, der Partei ein moderateres Image zu verleihen und den Nachweis zu führen, dass der FN regierungsfähig sei. Zwar hat die Tochter darauf verzichtet, das fremden- und europafeindliche Parteiprogramm umzuschreiben. Aber sie hat den Holocaust verurteilt und FN-Kandidaten nach antisemitischen Ausfällen kaltstellen lassen.

Bereits Mitte April sah sich der FN-Patriarch gezwungen, auf eine Spitzenkandidatur bei den Regionalwahlen zu verzichten. Jean-Marie Le Pen hatte sich Chancen ausgerechnet, im Südosten Frankreichs die Mehrheit zu erobern. Stattdessen inthronisierte er seine Enkelin, die klerikal-konservative Marion Maréchal Le Pen.

In den Augen potenzieller Wähler hat Marine Le Pen den Machtkampf klar gewonnen: 86 Prozent aller FN-Anhänger bekundeten in einer Umfrage des TV-Senders i-Tele, Jean-Marie Le Pen sei "ein Handicap" für die Partei. Zugleich erklärten 26 Prozent aller Franzosen, sie seien bereit, Marine Le Pen 2017 zur Präsidentin zu wählen.

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