Frankreich:Was nicht zu vermeiden war

French hospital faces second wave of COVID patients

Am Limit: Ein ärztlicher Mitarbeiter in einer Klinik in Aulnay-sous-Bois nahe Paris.

(Foto: Gonzalo Fuentes/REUTERS)

Frankreichs Präsident Macron verkündet erneut Ausgangssperren. Und sagt: "Die zweite Welle wird ohne Zweifel mörderischer werden als die erste."

Von Nadia Pantel, Paris

Die Wetteransagerin hat sich schnell angepasst. Am Samstag soll es warm und sonnig werden und die Frau im Fernsehen gibt den Tipp: "Öffnen Sie die Fenster!" Zu mehr wird es kaum reichen. Denn von Freitag an ist ganz Frankreich wieder dort, wo es im Frühjahr schon 55 Tage ausharrte: zu Hause. In einer Fernsehansprache am Mittwochabend verkündete Staatspräsident Emmanuel Macron die Maßnahme, von der er und seine Regierung lange Zeit gesagt hatten, man wolle sie "um jeden Preis vermeiden".

"Reconfinement", erneute Ausgangssperre, lautet die drastische Maßnahme. Vor die Tür darf man nur noch mit Passierschein; nur in genehmigten Ausnahmefällen darf man den engeren Umkreis der eigenen Wohnung verlassen. Wie bereits im Frühjahr wird der Bewegungsradius des Einzelnen auf einen Kilometer festgelegt. Dies teilte der Premierminister Jean Castex am Donnerstagabend mit.

Die Zahl der Intensivbetten soll nochmal erhöht werden

Auch wenn Macron am Mittwochabend weitgehend auf den Pathos und die martialische Kriegsrhetorik verzichtetet, mit der er im März auf die rapide Ausbreitung des Virus reagiert hatte, blieb doch ein Satz seiner Ansprache besonders in Erinnerung: "Die zweite Welle wird ohne Zweifel mörderischer werden als die erste."

Stand Donnerstag sind seit März in Frankreich 35 785 Menschen an oder mit einer Covid-19-Erkrankung gestorben, davon 244 Menschen von Dienstag auf Mittwoch. Gesundheitsminister Olivier Véran sagte am Donnerstag, er gehe davon aus, dass eine Million Franzosen mit dem Coronavirus infiziert seien. Als am 17. März das erste Mal eine landesweite, strenge Ausgangssperre verhängt wurde, lagen 699 Patienten mit einer Covid-19 Erkrankung auf Intensivstation. Am Donnerstag waren es 3045 Patienten. Macron sagte, dass man es in den kommenden Wochen schaffen könne, die Zahl der Intensivbetten auf 10 300 zu erhöhen, allerdings sei es schwierig, genügend Personal zu finden. Zu Beginn der Pandemie verfügte Frankreich über 5100 Plätze auf Intensivstationen, seitdem wurde die Zahl laut Gesundheitsministerium auf 6000 aufgestockt.

Die erneuten, strengen Auflagen wurden von Macron in erster Linie damit begründet, dass ein Kollaps des Gesundheitssystems verhindert werden müsse. Schon jetzt hätten die Krankenhäuser begonnen, Operationen abzusagen. Dies betreffe auch Patienten, die bereits im März oder April hätten operiert werden sollen und die nun erneut nicht berücksichtigt werden können.

Das Erlahmen der Wirtschaft soll diesmal verhindert werden

Im Gegensatz zum ersten "confinement" soll diesmal verhindert werden, dass die Wirtschaft zum Erliegen kommt. Anders als im Frühjahr stellt daher der öffentliche Dienst seine Arbeit nicht ein, wichtige Wirtschaftszweige werden nicht heruntergefahren. Zudem bleiben Schulen und Kindergärten geöffnet. Allerdings gilt die Maskenpflicht in den Schulen nun bereits für Sechsjährige, wie Premierminister Castex mitteilte.

Bevor eine erneute Ausgangssperre verhängt wurde, hatte Frankreich seit Ende des Sommers mit verschiedenen Maßnahmen versucht, die Ausbreitung der Pandemie zu bremsen. So musste in allen Großstädten auf der Straße eine Maske getragen werden, ebenso in Büros und in den öffentlichen Verkehrsmitteln. Von Mitte Oktober an war bereits für den Großraum Paris und für weitere Städte eine zeitlich begrenzte Ausgangssperre eingeführt worden, zwischen 21 Uhr und sechs Uhr mussten die Menschen in ihren Wohnungen bleiben. Die Frage nach der Schließung von Bars, Kinos, Restaurants, Schwimmbädern oder Theatern erübrigt sich durch die von Freitag an geltenden Regelungen: Zu den zwingenden Gründen, das Haus zu verlassen, gehören der Einkauf von Nahrungsmitteln, das Abgeben der Kinder in der Schule und auch Spaziergänge mit dem Hund.

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