Macron siegt in Stichwahl gegen Le Pen:Der Damm gegen die extreme Rechte hält

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Anhänger von Emmanuel Macron feiern die Wiederwahl des französischen Präsidenten. (Foto: JULIEN DE ROSA/AFP)

Der Amtsinhaber setzt sich in der Stichwahl um die französische Präsidentschaft gegen seine rechtsextreme Herausforderin Le Pen durch. Viele Wähler enthalten sich der Stimme. Macron kündigt einen Kurs der Versöhnung an.

Von Michael Kläsgen, Paris

Emmanuel Macron ist erneut zum Staatspräsidenten Frankreichs gewählt worden. Nach Hochrechnungen von französischen Wahlforschungsinstituten erhielt der Amtsinhaber etwa 58,8 Prozent der Stimmen. Seine Herausforderin, die rechtsextreme Marine Le Pen, kam auf 41,2 Prozent der Stimmen. Die Wahl galt als Richtungswahl für Frankreich und Europa.

Le Pen hatte mit einem klar nationalistischen Kurs offensiv Stimmung gegen die Europäische Union (EU) gemacht und signalisiert, auf Distanz zu Deutschland gehen zu wollen. Beobachtern zufolge wäre ihr Wahlprogramm auf einen Austritt Frankreichs aus der EU hinausgelaufen. Kurz nach der Niederlage kündigte Le Pen an, "die Schlacht um die Parlamentswahlen" im Juni zu eröffnen. "Trotz zwei Wochen unlauterer und gewalttätiger Methoden" habe ihre Partei "mit mehr als 43 Prozent der Stimmen an sich schon einen glänzenden Sieg" errungen. Ihr Pressesprecher sagte, bei den Parlamentswahlen werde ein "Volksblock" gegen "einen elitären Block" antreten.

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Viele der im ersten Wahlgang unterlegenen Parteien hatten ihre Anhänger dazu aufgefordert, für Macron zu stimmen, um einen "Damm" gegen die extreme Rechte zu errichten. Macron bedankte sich nach seiner Wiederwahl bei ihnen. Nur die Vorsitzenden der beiden anderen rechtsextremen Parteien Frankreichs, Éric Zemmour und Nicolas Dupont-Aignan, die zusammen neun Prozent der abgegebenen Stimmen im ersten Wahlgang erhielten, hatten dazu aufgerufen, für Marine Le Pen zu stimmen.

Macron reagierte in seiner Ansprache auf dem Marsfeld in Paris auf den Erfolg der Extremen: "Wir müssen wirksam auf die Wut reagieren, die sich geäußert hat", sagte der Zentrumspolitiker. Macron steht mit seiner Partei La République en Marche für ein offenes, freies und pro-europäisches Frankreich. Er deutete ein Einlenken bei seinen als wirtschaftsliberal geltenden Reformen an. "Wir werden wohlwollend und respektvoll sein müssen, denn unser Land ist von so vielen Zweifeln, so vielen Spaltungen durchzogen", sagte er. "Niemand wird am Wegesrand zurückgelassen." Als das wichtigste neue innenpolitische Vorhaben Macrons galt bislang die Rentenreform. Macron will das Rentenalter auf 65 Jahre anheben und Dutzende in Frankreich geltende Rentensysteme vereinheitlichen.

Seine Reformpolitik hatte rechts- und linksextremen Parteien Angriffsflächen geboten. Vor allem die Steuer- und Arbeitsmarktreformen ermöglichten es Le Pen, sich als Vertreterin des sozialen Ausgleichs zu inszenieren. Sie hatte es geschafft, das Thema Kaufkraft im Wahlkampf zu besetzen. Den extremlinken Jean-Luc Mélenchon gelang es mit seiner Kampagne gegen Macrons Reformen, fast so viele Stimmen im ersten Wahlgang auf sich zu vereinen wie Le Pen. Auch er setzt auf einen Erfolg bei den Parlamentswahlen und rief zur Bildung einer "neuen Volksunion" auf. Macron sei der "am schlechtesten gewählte Präsident der Fünften Republik. Er schwimmt in einem Meer von Wahlenthaltungen, weißen und ungültigen Stimmzetteln", spottete Mélenchon.

Seinen Wahlsieg hat Macron zu großen Teilen Mélenchons Wählern zu verdanken. Er war auf ihre Stimmen angewiesen, um gegen Le Pen zu gewinnen. In den vergangenen Tagen schob Macron daher gezielt Wahlkampfthemen von Mélenchon in den Vordergrund, darunter den Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit. Die ursprünglich geplante Einführung einer Kohlendioxidsteuer hatte Macron im Zuge der Bekämpfung der Corona-Pandemie aufgegeben. Im Wahlkampf war davon bis zuletzt nicht mehr die Rede gewesen.

Wie sich Mélenchons Wähler verhalten würden, war bis zuletzt ungewiss. Laut einer parteiinternen Umfrage eine Woche vor der Stichwahl wollten sich zwei Drittel seiner Wähler eher enthalten oder absichtlich ungültig wählen, als für Macron zu stimmen.

Viele Wähler enthalten sich der Stimme

Tatsächlich war die Wahlenthaltung nach Angaben von Wahlforschern im zweiten Durchgang mit gut 28 Prozent noch einmal höher als 2017, als Macron das erste Mal in der Stichwahl auf Le Pen traf. Das heißt, mehr als 13,5 Millionen Wahlberechtigte enthielten sich ihrer Stimme, darunter viele Wahlberechtigte unter 24 Jahren. Auch darauf wolle Macron reagieren, sagte er. Denn hinzu kommen weitere Wähler, die zwar ins Wahllokal gingen, aber einen leeren Stimmzettel ohne Namen oder einen leeren Umschlag in die Wahlurne warfen. Diese Art, "blanc" oder "weiß" zu wählen, gilt als Demonstration eines Interesses am politischen Leben oder als Ausübung der Staatsbürgerschaft und dient zunehmend dazu, seine Unzufriedenheit mit dem politischen Angebot auszudrücken. Eine geringere Zahl von Wählern wirft - noch eine Variante - zerrissene oder mit Anmerkungen versehene Stimmzettel in den Wahlumschlag. Trotz der vielen Wahlenthaltungen reichte es diesmal Macron noch zum Sieg über Le Pen.

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