Frankreich:Vorsicht ja, Angst nein

Paris reagiert besonnen auf die ersten drei Fälle des Virus, sagt aber sicherheitshalber die Feiern zum chinesischen Neujahrsfest ab.

Von Nadia Pantel

Knapp 24 Stunden ist es her, dass die ersten drei Fälle des Coronavirus in Frankreich offiziell bestätigt wurden, doch von Panik ist an diesem Wochenende an der Place d'Italie nichts zu spüren. Hier im Süden von Paris befindet sich das Quartier chinois, das chinesische Viertel. Die vielen asiatischen Supermärkte und Restaurants kann man auch sonst nicht übersehen, aber seit diesem Wochenende hängen an jedem Laternenmast große Banner, auf denen die enge Verbindung zwischen diesem Teil der Stadt und China gefeiert wird. Goldene Schrift auf rotem Grund: "Beste Wünsche zum Fest".

Das Rathaus des 13. Arrondissements hat das Viertel dekorieren lassen, um das Neujahrsfest und den Beginn des Jahres der Ratte zu feiern. Vor dem Einkaufszentrum an der Place d'Italie bildet sich eine Menschentraube um eine Gruppe junger Tänzer, die Schuhe in Form goldener Löwenpranken tragen. Auf ihre T-Shirts sind die Fahnen Chinas, Thailands, Vietnams, Kambodschas und Laos gedruckt - von dort sind von den 1970er-Jahren an die Großeltern und Eltern der Bewohner des Quartier chinois eingewandert.

Die Angst vor dem Coronavirus wirkt hier weit weg, keiner trägt Masken, ständig wird die Gruppe der Zuschauer beim Löwentanz größer. Doch am Sonntagnachmittag wird die Epidemie auch hier spürbar: Die große Neujahrsparade, die für den 2. Februar geplant war, und die das Viertel und seine Hochhäuser jeden Winter ins Zentrum der Pariser Aufmerksamkeit bringt, wird von den chinesischen Vereinen abgesagt. "Unter diesen Umständen ist das Prinzip der Vorsicht das allerwichtigste", sagt die Pariser Bürgermeisterin Anne Hidalgo, die vergangenes Jahr in der ersten Reihe der Parade, hinter rot-goldenem Neujahrsbanner, mitgelaufen war.

In manchen Regionen waren am Wochenende die Atemmasken ausverkauft

Vorsicht ja, Angst nein, so lautet die offizielle Botschaft, mit der Frankreich dem Coronavirus bislang begegnet. "Das System ist gut darauf vorbereitet, mit der aktuellen Situation umzugehen", sagte Aurélien Rousseau, Generaldirektor der Gesundheitsbehörde für den Großraum Paris. Seit der Angst vor globalen Epidemien, wie beispielsweise im Jahr 2014 Ebola, sei die gesundheitliche Versorgung und Prävention für Seuchenfälle ausgebaut worden. Gesundheitsministerin Agnès Buzyn sagte am Freitag bei einer Pressekonferenz, man müsse "eine Epidemie wie eine Brandkatastrophe behandeln". Man müsse sie "so schnell wie möglich eindämmen" und "die Ursache feststellen". Buzyn erklärte, dass Menschen, die an sich die Symptome des Coronavirus feststellen, nicht ins Krankenhaus oder zu ihrem Hausarzt gehen sollen. Eine spezielle Notrufnummer wurde eingerichtet, sollte sich im Gespräch mit den dort arbeitenden Spezialisten, der Verdacht auf eine Coronainfektion erhärten, werden die Patienten zu Hause abgeholt und in die Quarantäneabteilungen der Krankenhäuser gebracht.

Über so eine Abteilung verfügt auch das Pariser Krankenhaus Bichat. Von dort aus bemüht sich Yazdan Yazdanpanah, Direktor der Abteilung für Infektionskrankheiten, am Wochenende um Zuversicht. Zwei der drei in Frankreich am Coronavirus erkrankten Patienten werden hier behandelt. "Es geht ihnen gut", sagt Yazdanpanah. Die Patienten werden in zwei jeweils isolierten Zimmern betreut, die von der Luftzirkulation im Krankenhaus abgetrennt sind. Sie seien "psychisch und physisch" gut in Form, nur einer der zwei Patienten habe noch leichtes Fieber.

Bei den drei Erkrankten handelt es sich um zwei chinesische Touristen, die in Paris behandelt werden, und um einen Franzosen mit chinesischen Wurzeln, der in Bordeaux versorgt wird. Die zwei chinesischen Touristen sind ein junges Paar aus Wuhan, ein 31-jähriger Mann und eine 30-jährige Frau, die am 18. Januar eine Frankreichreise angetreten hatten. Der Patient in Bordeaux ist ein 48-Jähriger Mann, der am 22. Januar von einer Chinareise zurückkam, auf der er auch in Wuhan Station gemacht hatte. Laut dem Bürgermeister von Bordeaux, Nicolas Florian, arbeitet der Mann "im Weinhandel" und unternahm regelmäßig Geschäftsreisen nach China. Auch er ist laut Gesundheitsministerin Buzyn in stabilem Zustand.

Die Direktflüge zwischen Paris und Wuhan, von wo die Coronaepidemie ihren Anfang nahm, wurden am Wochenende eingestellt. Am Pariser Flughafen Charles de Gaulle werden Reisende aus China seit dem Wochenende von einem Gesundheitsteam empfangen. Anders als Japan oder die USA verzichtet Frankreich allerdings darauf, systematisch die Körpertemperatur der Einreisenden zu messen. "Diese komplizierte Maßnahme bringt nicht immer die gewünschten Ergebnisse", heißt es dazu auf der von der Regierung eingerichteten Informationsseite. Auf der Seite wird Frankreichs Bürgern empfohlen, sich so zu verhalten, wie sie es auch "anlässlich der aktuellen saisonbedingten Grippewelle" täten: "In die Armbeuge husten, Einwegtaschentücher verwenden, eine Gesichtsmaske tragen und regelmäßig Händewaschen." In einzelnen Regionen waren in Frankreich am Wochenende die Atemmasken ausverkauft.

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