Der französische Premierminister Manuel Valls hat am Mittwoch für Verwirrung über seine Haltung in der Flüchtlingspolitik gesorgt. Am Dienstag hatte Valls in einem Gespräch mit 13 Korrespondenten, darunter dem Vertreter der SZ in Paris, indirekt von einem Zuzugsstopp gesprochen. Wörtlich sagte Valls nach Aufzeichnung von Teilnehmern: "Wir können nicht noch mehr Flüchtlinge in Europa aufnehmen - das ist unmöglich". Später wiederholte er die Aussage zweimal in knapperer Form. Die journalistische Übersetzung dieses Zitats lautet: Frankreich will einen Flüchtlingsstopp oder zumindest die Zahl der Migranten deutlich drosseln.
Die Äußerung sorgte für Aufsehen. Wenn der Premierminister von Deutschlands wichtigstem Verbündeten sich der Linie der deutschen CSU anschließt, kommt das einem Affront gegenüber der Bundeskanzlerin gleich. Wohlgemerkt: Angela Merkel wurde am Mittwoch in Paris erwartet, allerdings nicht zu Debatten über die Flüchtlingspolitik, sondern weil Präsident François Hollande Hilfe im Kampf gegen den Terrorismus einfordert. Hollande will Soldaten für Mali, keinen Streit um Zuzugsgrenzen.
Am Tag nach Valls Äußerung ruderte das Amt des Premierministers dann zurück und behauptete, es handele sich um einen Übersetzungsfehler. In einer Verlautbarung vom Mittwoch hieß es, Valls habe wörtlich gesagt: "Europa muss sagen, dass es nicht mehr so viele Flüchtlinge aufnehmen kann, das ist nicht möglich." Außerdem habe es sich um ein Hintergrundgespräch gehandelt.
Beide Darstellungen entsprechen indes nicht den Tatsachen. Das Amt hatte per Mail ausdrücklich zu einem Pressegespräch eingeladen und die Äußerungen zur freien Verfügung gestellt. Von Hintergrund war keine Rede. Außerdem bleibt die SZ bei ihrer Aussage, dass die Worte des Premiers korrekt wiedergegeben worden sind. Die nachträglich vom Premierministeramt verbreitete Version stimmt nicht mit den Äußerungen von Valls bei dem Gespräch überein. Die Aufzeichnungen der SZ und auch anderer Kollegen lassen keinen anderen Schluss zu. Entsprechende Zitate finden sich in der belgischen Le Soir und in der italienischen Corriere della Sera. Mehr noch: Eine Aufzeichnung der nachträglich verbreiteten Äußerung Valls hat auch das Amt des Premiers nicht vorgelegt.